AfD-Verbot? Warum die Demokratie klüger handeln muss
Der Ruf nach einem Verbot der AfD wird lauter - wieder einmal.
Obwohl die Partei seit Monaten stagnierende Umfragewerte verzeichnet, mehren sich die Stimmen, die meinen, jetzt sei es an der Zeit, dem Spuk ein Ende zu setzen. Ein juristisches Ende. Ein endgültiges.
So zumindest die Hoffnung.
Von Dr. Jonas Riedel
Obwohl die Partei seit Monaten stagnierende Umfragewerte verzeichnet, mehren sich die Stimmen, die meinen, jetzt sei es an der Zeit, dem Spuk ein Ende zu setzen. Ein juristisches Ende. Ein endgültiges.
So zumindest die Hoffnung.
Von Dr. Jonas Riedel
Doch diese Hoffnung ist trügerisch. Denn ein Verbot der AfD ist nicht nur juristisch höchst anspruchsvoll, sondern auch politisch gefährlich - und demokratisch problematisch. Es ist ein reflexhafter Ruf nach dem großen Hebel, wo eigentlich kluge und langfristige Strategien gefragt wären.
Ein Verbot ist kein politisches Statement
Noch bis Mai 2025 ließ die damalige Innenministerin Nancy Faeser prüfen, ob ein Verbotsverfahren gegen die AfD möglich sei. Unterstützt wurde sie dabei von prominenten Stimmen aus Politik und Kultur: Kevin Kühnert sprach von einer ,,berechtigten Diskussion",
Sarah Bosetti, Sibylle Berg, Sascha Lobo und andere Intellektuelle äußerten sich öffentlich - oft mit großer moralischer Klarheit und wenig juristischer Detailkenntnis.
Das Problem: Ein Parteiverbot ist keine Meinungsäußerung. Es ist ein Instrument des Verfassungsrechts - gedacht für Organisationen, die planvoll, aktiv und mit Aussicht auf Erfolg die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Nicht in der Theorie, sondern in der Praxis.
Daran scheiterten bereits zwei Versuche gegen die NPD. Auch die AfD dürfte sich - trotz ihrer zahlreichen demokratiefeindlichen Positionen - unter dieser Hürde durchmogeln.
Der juristische Maßstab - und warum die AfD ihn (noch) unterläuft Das Bundesverfassungsgericht macht es klar: Ein Parteiverbot setzt nicht nur Gesinnung voraus, sondern konkrete Gefahr. Die AfD mag extrem denken - aber sie agiert bislang innerhalb der rechtlichen Grenzen. Sie nimmt an Wahlen teil, sie gründet keine Milizen, sie betreibt keine offenen Umsturzpläne. Ihre Vertreter sitzen in Parlamenten - nicht in Bunkern.
Auch ihre aktuelle Stagnation bei den Wählerzahlen macht ein Verbot nicht wahrscheinlicher. Eine Partei, die auf einem Plateau steht, kann nicht glaubhaft als ,,unmittelbare Bedrohung" dargestellt werden.
Die Parteiführung - ein zersplittertes Bild mit klarem Zentrum
Die AfD tritt nach außen hin oft uneinheitlich auf:
Alice Weidel inszeniert sich als eiskalte Rationalistin, die sich zwar über den Rechtsstaat erhebt, ihn aber gleichzeitig als Schutzschild nutzt. Alexander Gauland, inzwischen politischer Rentner mit bürgerlichem Tonfall, relativiert die eigene Radikalität mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der glaubt, noch immer mitreden zu dürfen. Tino Chrupalla gibt sich bodenständig, nahbar - für viele die Stimme des ,,einfachen Volkes", für andere ein gefährlich unterschätzter Demagoge im Blaumann.
Doch der eigentliche Strippenzieher sitzt anderswo: in Thüringen.
Björn Höcke - der gefährlichste Mann der Partei
Björn Höcke, Vorsitzender in Thüringen, gilt vielen Beobachtern als das wahre Machtzentrum der AfD - und als ihre gefährlichste Figur.
Offiziell bleibt er Landespolitiker. Inoffiziell schreibt er die ideologische Linie der Partei. Seine Sprache ist martialisch, seine Weltanschauung autoritär-nationalistisch, seine Ziele glasklar: eine fundamentale Transformation des Staates. Weg von der liberalen Demokratie - hin zu einer autoritär geführten ,,Volksgemeinschaft".
Seine Nähe zu den radikalsten Kräften innerhalb der Partei ist kein Geheimnis. Er ist kein Betriebsunfall - er ist ein Konzept. Und zunehmend eine Identifikationsfigur für die Jugendorganisationen der Partei und den völkischen Flügel.
Wenn es ein Gesicht für die ,,Machtübernahme 2.0" gibt - dann ist es seins.
Ein Verbot der AfD, so der strategische Albtraum, würde genau ihn stärken. Er wäre der Erste, der den Untergang als Geburt eines neuen politischen Projekts inszeniert - härter, geschlossener, unkontrollierter.
Warum ein Verbot nicht schützt, sondern radikalisiert
Ein Verbot würde die Wählerschaft nicht auflösen - sie würde sich neu organisieren. Ein Verbot würde die Inhalte nicht entkräften - sie würden in anderer Verpackung wieder auftauchen. Und ein Verbot würde die Opferrolle bestätigen, die die AfD seit Jahren kultiviert: ,,Wir sagen nur die Wahrheit - und das System will uns vernichten."
So wird eine stagnierende Partei zu einer historischen Bewegung verklärt. Eine juristische Entscheidung würde zum politischen Mythos.
Was wirklich hilft: Konsequenz, Öffentlichkeit, demokratische Intelligenz
Die Demokratie muss nicht wehrlos sein - sie muss klug sein.
Statt eines riskanten Verbotsverfahrens braucht es:
eine klar kommunizierte Beobachtung durch den Verfassungsschutz,
Streichung staatlicher Finanzierung für Parteistiftungen mit verfassungswidriger Ausrichtung,
eine konsequente Strafverfolgung bei Aufrufen zu Hass, Gewalt oder Verfassungsbruch, politische Angebote, die die Frustrierten zurückholen - statt sie den Radikalen zu überlassen, und vor allem: eine öffentliche Debatte, die nicht auf Abgrenzung, sondern auf Auseinandersetzung setzt.
Fazit: Die Demokratie muss nicht alles dulden - aber sie darf sich nicht selbst verraten
Ein Verbot der AfD wäre ein gefährlicher Kurzschluss.
Es würde das Problem nicht lösen - sondern verschärfen.
Es würde nicht die Partei beseitigen - sondern den demokratischen Rahmen beschädigen, in dem sie heute kontrollierbar bleibt.
Die bessere Antwort ist schwieriger, aber nachhaltiger:
Sie besteht darin, die AfD politisch zu besiegen - nicht juristisch zu verbannen.
Solange das gelingt, zeigt die Demokratie ihre wahre Stärke:
Nicht im Verdrängen, sondern im Aushalten.
Nicht im Schweigen, sondern im Widersprechen.
Nicht im Verbot - sondern im Vertrauen auf ihre eigene Widerstandsfähigkeit.
10.07.25
*Dr. Jonas Riedel geb. 1978 in Freiburg im Breisgau) ist Kulturwissenschaftler, Essayist und Kolumnist. Nach Stationen in Tübingen, Wien und London promovierte er über das Verhältnis von Zivilgesellschaft und politischer Symbolik im 21. Jahrhundert. Seine Texte bewegen sich zwischen Gesellschaftsanalyse, Ironie und politischer Kritik - immer mit einem Auge für Absurditäten des Alltags.
Er lebt mit seiner Familie in Hamburg, trinkt zu viel Filterkaffee und schreibt an seinem Buch ,,Welt retten, aber erst nach dem Frühstück - Warum wir mit moralischer Hysterie das Klima nicht kühlen".
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Ein Verbot ist kein politisches Statement
Noch bis Mai 2025 ließ die damalige Innenministerin Nancy Faeser prüfen, ob ein Verbotsverfahren gegen die AfD möglich sei. Unterstützt wurde sie dabei von prominenten Stimmen aus Politik und Kultur: Kevin Kühnert sprach von einer ,,berechtigten Diskussion",
Sarah Bosetti, Sibylle Berg, Sascha Lobo und andere Intellektuelle äußerten sich öffentlich - oft mit großer moralischer Klarheit und wenig juristischer Detailkenntnis.
Das Problem: Ein Parteiverbot ist keine Meinungsäußerung. Es ist ein Instrument des Verfassungsrechts - gedacht für Organisationen, die planvoll, aktiv und mit Aussicht auf Erfolg die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Nicht in der Theorie, sondern in der Praxis.
Daran scheiterten bereits zwei Versuche gegen die NPD. Auch die AfD dürfte sich - trotz ihrer zahlreichen demokratiefeindlichen Positionen - unter dieser Hürde durchmogeln.
Der juristische Maßstab - und warum die AfD ihn (noch) unterläuft Das Bundesverfassungsgericht macht es klar: Ein Parteiverbot setzt nicht nur Gesinnung voraus, sondern konkrete Gefahr. Die AfD mag extrem denken - aber sie agiert bislang innerhalb der rechtlichen Grenzen. Sie nimmt an Wahlen teil, sie gründet keine Milizen, sie betreibt keine offenen Umsturzpläne. Ihre Vertreter sitzen in Parlamenten - nicht in Bunkern.
Auch ihre aktuelle Stagnation bei den Wählerzahlen macht ein Verbot nicht wahrscheinlicher. Eine Partei, die auf einem Plateau steht, kann nicht glaubhaft als ,,unmittelbare Bedrohung" dargestellt werden.
Die Parteiführung - ein zersplittertes Bild mit klarem Zentrum
Die AfD tritt nach außen hin oft uneinheitlich auf:
Alice Weidel inszeniert sich als eiskalte Rationalistin, die sich zwar über den Rechtsstaat erhebt, ihn aber gleichzeitig als Schutzschild nutzt. Alexander Gauland, inzwischen politischer Rentner mit bürgerlichem Tonfall, relativiert die eigene Radikalität mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der glaubt, noch immer mitreden zu dürfen. Tino Chrupalla gibt sich bodenständig, nahbar - für viele die Stimme des ,,einfachen Volkes", für andere ein gefährlich unterschätzter Demagoge im Blaumann.
Doch der eigentliche Strippenzieher sitzt anderswo: in Thüringen.
Björn Höcke - der gefährlichste Mann der Partei
Björn Höcke, Vorsitzender in Thüringen, gilt vielen Beobachtern als das wahre Machtzentrum der AfD - und als ihre gefährlichste Figur.
Offiziell bleibt er Landespolitiker. Inoffiziell schreibt er die ideologische Linie der Partei. Seine Sprache ist martialisch, seine Weltanschauung autoritär-nationalistisch, seine Ziele glasklar: eine fundamentale Transformation des Staates. Weg von der liberalen Demokratie - hin zu einer autoritär geführten ,,Volksgemeinschaft".
Seine Nähe zu den radikalsten Kräften innerhalb der Partei ist kein Geheimnis. Er ist kein Betriebsunfall - er ist ein Konzept. Und zunehmend eine Identifikationsfigur für die Jugendorganisationen der Partei und den völkischen Flügel.
Wenn es ein Gesicht für die ,,Machtübernahme 2.0" gibt - dann ist es seins.
Ein Verbot der AfD, so der strategische Albtraum, würde genau ihn stärken. Er wäre der Erste, der den Untergang als Geburt eines neuen politischen Projekts inszeniert - härter, geschlossener, unkontrollierter.
Warum ein Verbot nicht schützt, sondern radikalisiert
Ein Verbot würde die Wählerschaft nicht auflösen - sie würde sich neu organisieren. Ein Verbot würde die Inhalte nicht entkräften - sie würden in anderer Verpackung wieder auftauchen. Und ein Verbot würde die Opferrolle bestätigen, die die AfD seit Jahren kultiviert: ,,Wir sagen nur die Wahrheit - und das System will uns vernichten."
So wird eine stagnierende Partei zu einer historischen Bewegung verklärt. Eine juristische Entscheidung würde zum politischen Mythos.
Was wirklich hilft: Konsequenz, Öffentlichkeit, demokratische Intelligenz
Die Demokratie muss nicht wehrlos sein - sie muss klug sein.
Statt eines riskanten Verbotsverfahrens braucht es:
eine klar kommunizierte Beobachtung durch den Verfassungsschutz,
Streichung staatlicher Finanzierung für Parteistiftungen mit verfassungswidriger Ausrichtung,
eine konsequente Strafverfolgung bei Aufrufen zu Hass, Gewalt oder Verfassungsbruch, politische Angebote, die die Frustrierten zurückholen - statt sie den Radikalen zu überlassen, und vor allem: eine öffentliche Debatte, die nicht auf Abgrenzung, sondern auf Auseinandersetzung setzt.
Fazit: Die Demokratie muss nicht alles dulden - aber sie darf sich nicht selbst verraten
Ein Verbot der AfD wäre ein gefährlicher Kurzschluss.
Es würde das Problem nicht lösen - sondern verschärfen.
Es würde nicht die Partei beseitigen - sondern den demokratischen Rahmen beschädigen, in dem sie heute kontrollierbar bleibt.
Die bessere Antwort ist schwieriger, aber nachhaltiger:
Sie besteht darin, die AfD politisch zu besiegen - nicht juristisch zu verbannen.
Solange das gelingt, zeigt die Demokratie ihre wahre Stärke:
Nicht im Verdrängen, sondern im Aushalten.
Nicht im Schweigen, sondern im Widersprechen.
Nicht im Verbot - sondern im Vertrauen auf ihre eigene Widerstandsfähigkeit.
10.07.25
*Dr. Jonas Riedel geb. 1978 in Freiburg im Breisgau) ist Kulturwissenschaftler, Essayist und Kolumnist. Nach Stationen in Tübingen, Wien und London promovierte er über das Verhältnis von Zivilgesellschaft und politischer Symbolik im 21. Jahrhundert. Seine Texte bewegen sich zwischen Gesellschaftsanalyse, Ironie und politischer Kritik - immer mit einem Auge für Absurditäten des Alltags.
Er lebt mit seiner Familie in Hamburg, trinkt zu viel Filterkaffee und schreibt an seinem Buch ,,Welt retten, aber erst nach dem Frühstück - Warum wir mit moralischer Hysterie das Klima nicht kühlen".
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