Das große Scheitern im Falle Imane Khelif
Die Wogen im Falle Imane Khelif haben sich geglättet. Die Karavane der sozialmedialen Aufmerksamkeit ist längst weitergezogen. Die meisten Akteure haben pflichtgemäß die erwartbaren Reflexe gezeigt. Wenn wir eins gelernt haben, dann dass die Klischees über politische Lager leider allzu oft der Wahrheit entsprechen. Der linksliberale Mainstream übernahm weitgehend unisono und völlig unkritisch den identitätspolitischen Standpunkt der postmodern-marxistisch grundierten LGBTQ+-Community. Die rechtsalternative Gegenseite mit Rädelsführern wie Julian Reichelt und Elon Musk hielt erwartungsgemäß dagegen.
von Wätzold Plaum
von Wätzold Plaum
Gescheitert sind beide Seiten. Denn die zweite Lehre lautet: Intellektuelle Aufrichtigkeit und ernsthaftes Wahrheitsstreben sind in Zeiten der komplexitätsreduzierten Wortgefechte auf X zur Mangelware geworden. Dabei ist Komplexitätsreduktion nicht das grundsätzliche Problem. Jede Ideologie, jede Weltanschauung stellt einen Versuch dar, sich im Dickicht der Wirklichkeit einen Überblick zu verschaffen. Und das geht nicht ohne Komplexitätsreduktion. Allein - hin und wieder ist es notwendig, die vorgefassten Meinungen mit Informationen abzugleichen, die man vielleicht nicht von Anfang an im Sinn hatte. Denn die Problematik von intersexuellen Sportlerinnen ist keineswegs trivial und daher bestens geeignet als Lackmustest für intellektuelle Ernsthaftigkeit.
Im Kern der Diskussion geht es um die Frage: ,,Was ist Geschlecht?". Da diese Frage gesellschaftlich relevant ist - wir haben zum Beispiel im öffentlichen Raum nach Geschlecht getrennte Toiletten - sind in kontroversen Fällen öffentliche Debatten unerlässlich. Es ist jedoch klar, dass viele vermeintliche Antworten auf diese Frage nichts taugen. So könne wir für die gesellschaftliche Debatte nicht einfach einen Geschlechtsbegriff aus ,,der Wissenschaft" übernehmen. Und das aus zwei Gründen. Erstens: ,,Die" Wissenschaft gibt es nicht, und Biologie, Psychologie, Soziologie, Medizin, Genderstudies mögen ihre je eigenen Begriffe von ,,Geschlecht" haben, die keineswegs deckungsgleich sein müssen. Und zweitens: Eine technokratische Verschiebung der gesellschaftlichen Frage nach Geschlecht in die Wissenschaft würde gesellschaftliche Debatten in die Wissenschaft tragen, und damit die Objektivität der Wissenschaft gefährden. Das heißt nicht, dass wir als Gesellschaft den Wissenschaften nicht zuhören sollten. Die Wissenschaften können zur gesellschaftlichen Debatte beitragen, sie entscheiden jedoch nicht.
Ferner sollten wir uns davor hüten, in der gesellschaftlichen Debatte die Wesensfrage zu stellen. Was das Wesen von Geschlecht ist, ist letztlich eine weltanschauliche Frage. Für den gläubigen Christen mag es von Gott bei der Zeugung festgelegt worden sein, für den Naturalisten mögen es die Gene sein, für den Sozialkonstruktivisten die Geschlechtsidentität. Was also Geschlecht letztendlich ist, ist Gegenstand der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Wir sollten uns davor hüten, hier von staatlicher Seite eine Entscheidung zu treffen, da dies klar einem Nachkommen der totalitären Versuchung entspricht.
Was also tun? Wir brauchen einen pragmatischen Begriff von Geschlecht. Die vom Autor dieses Textes propagierte ,,Ideologie der Radikalen Mitte" bietet in der vielschichtigen Gemengelage eine gewisse Hilfestellung. Sie unterscheidet in komplexen gesellschaftlichen Fragen vier Ebenen: die materielle, der funktionale, die intentionale und die normative Ebene. In Bezug auf das Geschlecht bedeutet das konkret: Materiell-körperliche Aspekte wie die Geschlechtsmerkmale und die Genetik, funktionale Aspekte wie die Geschlechtshormone, intentionale Aspekte wie die Geschlechtsidentität und die soziale Geschlechterrolle, und auf der normativen Ebene das juristische Geschlecht.
Es ist nun relativ klar, dass ein Mensch, der auf allen Ebenen eindeutig einem Geschlecht entspricht, widerspruchsfrei als ,,Mann" oder ,,Frau" bezeichnet werden kann. Liegt auch nur auf einer Ebene eine Uneindeutigkeit vor, so ist ein solcher Mensch erst einmal formal ,,nonbinär". Es kann dennoch sinnvoll sein, eine derartige Person eindeutig als Mann oder Frau zu verstehen. Betrachten wir beispielsweise Menschen mit Klinefelter-Syndrom. Sie haben zwei X und ein Y-Chromosom, und stehen damit genetisch zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht. Es ist dennoch sinnvoll, diese Menschen als Männer zu verstehen. Denn sie wurden in der Regel bei der Geburt als männlich identifiziert. Die sich aus der genetischen Normabweichung ergebende hormonelle Unterversorgung wird typischerweise mit Verabreichung von Testosteron behandelt. Ferner ist die Zeugungsfähigkeit (im männlichen Sinne) zwar gemindert, aber nicht inexistent.
Kommen wir nun auf den Fall Imane Khelif zurück. Es soll hier unter der Prämisse argumentiert werden, dass die Sportlerin und ihre taiwanesische Kollegin am Androgeninsensitivität-Syndrom erkrankt sind. Obwohl zahlreiche Indizien dafür sprechen, scheint der endgültige Beweis hierfür noch immer auszustehen und soll nicht Gegenstand unserer Diskussion sein. Aus der Prämisse folgt, dass die Boxerin äußerlich ein weibliches Erscheinungsbild hat, jedoch genetisch männlich veranlagt ist. Der Autor hat in den Ausführungen seines Youtube-Kanals (Wätzolds Welt) stets von ,,Boxerin" gesprochen, was bei so manchem Jünger Reichelts für Unmut sorgte. Doch die beiden Boxerinnen wurden als Frauen sozialisiert. Deswegen ist es als Unhöflichkeit zu werten, Frau Khelif als ,,Mann" anzusprechen, da dies eine bloßstellende Kennzeichnung durch eine medizinische Fehlentwicklung des Geschlechtes wäre.
Daraus folgt aber nicht, dass die Boxerin in jeder Hinsicht als ,,rein weiblich" anzusehen ist. Bezogen auf den Boxsport geht es ja nicht darum, als was sich Frau Khelif identifiziert oder was in ihrem Pass steht, sondern um die materielle und die hormonelle Ebene. Genauer geht es um die Frage, ob aus ihrer geschlechtlichen Uneindeutigkeit ein Unfairness für den Sport entsteht. Diese Frage ist nicht vom Katheder der Ideologie zu entscheiden, sondern eine diffizile sportmedizinische Fachfrage. Es gibt aber klare Indizien dafür, dass die Ereignisse des Frauenboxens bei Olympia einen gravierenden Missstand aufgezeigt haben. Die beiden Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting gingen jeweils mit einer Goldmedaille aus den Kämpfen ihrer Klasse hervor.
Das lässt aufhorchen, ist aber noch nicht entscheidend. Der eigentliche Punkt ist, dass beide Sportlerinnen ihre Kämpfe in einer Eindeutigkeit gewonnen haben, die ein klares Indiz dafür ist, dass hier ein grober Fall von Unsportlichkeit vorliegt. Beide Sportlerinnen mussten auf ihrem Weg zur Goldmedaille keinen einzigen Punkt abgeben, haben also keine einzige Runde verloren. Keine andere Gewinnerin einer Goldmedaille im Frauenboxen konnte eine derartige Erfolgsbilanz vorweisen. Nun sind Taiwan und Algerien nicht unbedingt bekannt dafür, absolut dominierende Großmächte im Boxsport zu sein. Natürlich besteht theoretisch die Möglichkeit, dass diese Datenlage sich ,,zufällig" ergab. Plausibler ist aber die Annahme, dass in beiden Fällen die Intersexualität der Sportlerinnen einen Vorteil verschaffte, der dem Geist der sportlichen Fairness widerspricht. Wozu gibt es in diesem Sport ein fein abgestimmtes System der Gewichtsklassen, wenn intersexuelle Sportlerinnen in einer Weise zum Sieg durchmarschieren können, die der erwarteten Leistungsdichte eines globalen Wettbewerbes in keiner Weise entspricht?
Wie könnte das Problem gelöst werden? Zunächst einmal: Den Bedürfnissen einer kleinen Minderheit intersexueller Sportlerinnen dürfen nicht die Interessen der großen Mehrheit nicht intersexueller Sportlerinnen geopfert werden. Schließlich sehen wir als Gesellschaft auch kein Defizit darin, dass Männer, die am Klinefelter-Syndrom erkrankt sind, vermutlich nie zur Weltspitze im Gewichtheben zählen werden. Um dennoch intersexuellen Frauen die Teilnahme an Sportwettbewerben zu ermöglichen, wären verschiedene Lösungen denkbar. Eine eigene Sportklasse etwa, oder ein System der Handicaps. In letzterem Falle könnten intersexuelle Frauen mit einem positiven oder negativen Gewichtshandicap im Frauen-, oder Männerboxen teilnehmen. Eine Imane Khelif hätte sich dann zum Beispiel in einer Gewichtsklasse über ihrem Körpergewicht bewähren müssen. Die Handicap-Regeln müssten so gestaltet werden, dass es langfristig zu keiner Über- oder Unterrepräsentation der Erfolge von intersexuellen Frauen kommt.
Nun soll hier nicht behauptet werden, dass diese Vorschläge der Weisheit letzter Schluss sind. Entscheidend bleibt jedoch festzustellen: Eine Diskussion um das Thema ,,Intersexualität" im Frauensport ist dringend notwendig. Zum einen, weil es natürlich um Fairness geht. Zum anderen aber, weil wir an diesem Beispiel sehen, wie verkommen die Debattenkultur im Westen ist. Das IOC kann sich hinter vulgärsozialistischer Ideologie verbergen, um die eigene Untätigkeit zu legitimieren. Und die Grünen etwa haben auf Instagram hierfür ideologische Schützenhilfe geleistet, wobei völlig verschwiegen wurde, dass beide Boxerinnen vom Weltboxverband aufgrund von Geschlechtstests disqualifiziert worden waren. Damit wird eine mühsame Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ersetzt durch ideologische Simplifizierung. Die dabei sichtbare Wirklichkeitsverweigerung ist das Eigentliche, worum wir uns sorgen sollten. Imane Khelif und Lin Yu-ting jedenfalls kann man keinen Vorwurf daraus machen, dass sie sich im Rahmen der Regeln des IOCs an den Wettbewerben beteiligt haben.
09.09.24
Wätzold Plaum ist studierter Physiker mit einer Promotion im Fach Mathematik und einer zweiten in Philoosphie. 2012 erschien politisches Sachbuch ,,die Wiki-Revolution. Absturz und Neustart der westlichen Demokratie", sowie 2022 mit dem ,,Manifest der Radikalen Mitte" eine positive Akzentuierung des politischen Zentrismus. Er betreibt den YouTube-Kanal ,,Wätzolds Welt" und betätigt sich als Musiker.
Im Kern der Diskussion geht es um die Frage: ,,Was ist Geschlecht?". Da diese Frage gesellschaftlich relevant ist - wir haben zum Beispiel im öffentlichen Raum nach Geschlecht getrennte Toiletten - sind in kontroversen Fällen öffentliche Debatten unerlässlich. Es ist jedoch klar, dass viele vermeintliche Antworten auf diese Frage nichts taugen. So könne wir für die gesellschaftliche Debatte nicht einfach einen Geschlechtsbegriff aus ,,der Wissenschaft" übernehmen. Und das aus zwei Gründen. Erstens: ,,Die" Wissenschaft gibt es nicht, und Biologie, Psychologie, Soziologie, Medizin, Genderstudies mögen ihre je eigenen Begriffe von ,,Geschlecht" haben, die keineswegs deckungsgleich sein müssen. Und zweitens: Eine technokratische Verschiebung der gesellschaftlichen Frage nach Geschlecht in die Wissenschaft würde gesellschaftliche Debatten in die Wissenschaft tragen, und damit die Objektivität der Wissenschaft gefährden. Das heißt nicht, dass wir als Gesellschaft den Wissenschaften nicht zuhören sollten. Die Wissenschaften können zur gesellschaftlichen Debatte beitragen, sie entscheiden jedoch nicht.
Ferner sollten wir uns davor hüten, in der gesellschaftlichen Debatte die Wesensfrage zu stellen. Was das Wesen von Geschlecht ist, ist letztlich eine weltanschauliche Frage. Für den gläubigen Christen mag es von Gott bei der Zeugung festgelegt worden sein, für den Naturalisten mögen es die Gene sein, für den Sozialkonstruktivisten die Geschlechtsidentität. Was also Geschlecht letztendlich ist, ist Gegenstand der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Wir sollten uns davor hüten, hier von staatlicher Seite eine Entscheidung zu treffen, da dies klar einem Nachkommen der totalitären Versuchung entspricht.
Was also tun? Wir brauchen einen pragmatischen Begriff von Geschlecht. Die vom Autor dieses Textes propagierte ,,Ideologie der Radikalen Mitte" bietet in der vielschichtigen Gemengelage eine gewisse Hilfestellung. Sie unterscheidet in komplexen gesellschaftlichen Fragen vier Ebenen: die materielle, der funktionale, die intentionale und die normative Ebene. In Bezug auf das Geschlecht bedeutet das konkret: Materiell-körperliche Aspekte wie die Geschlechtsmerkmale und die Genetik, funktionale Aspekte wie die Geschlechtshormone, intentionale Aspekte wie die Geschlechtsidentität und die soziale Geschlechterrolle, und auf der normativen Ebene das juristische Geschlecht.
Es ist nun relativ klar, dass ein Mensch, der auf allen Ebenen eindeutig einem Geschlecht entspricht, widerspruchsfrei als ,,Mann" oder ,,Frau" bezeichnet werden kann. Liegt auch nur auf einer Ebene eine Uneindeutigkeit vor, so ist ein solcher Mensch erst einmal formal ,,nonbinär". Es kann dennoch sinnvoll sein, eine derartige Person eindeutig als Mann oder Frau zu verstehen. Betrachten wir beispielsweise Menschen mit Klinefelter-Syndrom. Sie haben zwei X und ein Y-Chromosom, und stehen damit genetisch zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht. Es ist dennoch sinnvoll, diese Menschen als Männer zu verstehen. Denn sie wurden in der Regel bei der Geburt als männlich identifiziert. Die sich aus der genetischen Normabweichung ergebende hormonelle Unterversorgung wird typischerweise mit Verabreichung von Testosteron behandelt. Ferner ist die Zeugungsfähigkeit (im männlichen Sinne) zwar gemindert, aber nicht inexistent.
Kommen wir nun auf den Fall Imane Khelif zurück. Es soll hier unter der Prämisse argumentiert werden, dass die Sportlerin und ihre taiwanesische Kollegin am Androgeninsensitivität-Syndrom erkrankt sind. Obwohl zahlreiche Indizien dafür sprechen, scheint der endgültige Beweis hierfür noch immer auszustehen und soll nicht Gegenstand unserer Diskussion sein. Aus der Prämisse folgt, dass die Boxerin äußerlich ein weibliches Erscheinungsbild hat, jedoch genetisch männlich veranlagt ist. Der Autor hat in den Ausführungen seines Youtube-Kanals (Wätzolds Welt) stets von ,,Boxerin" gesprochen, was bei so manchem Jünger Reichelts für Unmut sorgte. Doch die beiden Boxerinnen wurden als Frauen sozialisiert. Deswegen ist es als Unhöflichkeit zu werten, Frau Khelif als ,,Mann" anzusprechen, da dies eine bloßstellende Kennzeichnung durch eine medizinische Fehlentwicklung des Geschlechtes wäre.
Daraus folgt aber nicht, dass die Boxerin in jeder Hinsicht als ,,rein weiblich" anzusehen ist. Bezogen auf den Boxsport geht es ja nicht darum, als was sich Frau Khelif identifiziert oder was in ihrem Pass steht, sondern um die materielle und die hormonelle Ebene. Genauer geht es um die Frage, ob aus ihrer geschlechtlichen Uneindeutigkeit ein Unfairness für den Sport entsteht. Diese Frage ist nicht vom Katheder der Ideologie zu entscheiden, sondern eine diffizile sportmedizinische Fachfrage. Es gibt aber klare Indizien dafür, dass die Ereignisse des Frauenboxens bei Olympia einen gravierenden Missstand aufgezeigt haben. Die beiden Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting gingen jeweils mit einer Goldmedaille aus den Kämpfen ihrer Klasse hervor.
Das lässt aufhorchen, ist aber noch nicht entscheidend. Der eigentliche Punkt ist, dass beide Sportlerinnen ihre Kämpfe in einer Eindeutigkeit gewonnen haben, die ein klares Indiz dafür ist, dass hier ein grober Fall von Unsportlichkeit vorliegt. Beide Sportlerinnen mussten auf ihrem Weg zur Goldmedaille keinen einzigen Punkt abgeben, haben also keine einzige Runde verloren. Keine andere Gewinnerin einer Goldmedaille im Frauenboxen konnte eine derartige Erfolgsbilanz vorweisen. Nun sind Taiwan und Algerien nicht unbedingt bekannt dafür, absolut dominierende Großmächte im Boxsport zu sein. Natürlich besteht theoretisch die Möglichkeit, dass diese Datenlage sich ,,zufällig" ergab. Plausibler ist aber die Annahme, dass in beiden Fällen die Intersexualität der Sportlerinnen einen Vorteil verschaffte, der dem Geist der sportlichen Fairness widerspricht. Wozu gibt es in diesem Sport ein fein abgestimmtes System der Gewichtsklassen, wenn intersexuelle Sportlerinnen in einer Weise zum Sieg durchmarschieren können, die der erwarteten Leistungsdichte eines globalen Wettbewerbes in keiner Weise entspricht?
Wie könnte das Problem gelöst werden? Zunächst einmal: Den Bedürfnissen einer kleinen Minderheit intersexueller Sportlerinnen dürfen nicht die Interessen der großen Mehrheit nicht intersexueller Sportlerinnen geopfert werden. Schließlich sehen wir als Gesellschaft auch kein Defizit darin, dass Männer, die am Klinefelter-Syndrom erkrankt sind, vermutlich nie zur Weltspitze im Gewichtheben zählen werden. Um dennoch intersexuellen Frauen die Teilnahme an Sportwettbewerben zu ermöglichen, wären verschiedene Lösungen denkbar. Eine eigene Sportklasse etwa, oder ein System der Handicaps. In letzterem Falle könnten intersexuelle Frauen mit einem positiven oder negativen Gewichtshandicap im Frauen-, oder Männerboxen teilnehmen. Eine Imane Khelif hätte sich dann zum Beispiel in einer Gewichtsklasse über ihrem Körpergewicht bewähren müssen. Die Handicap-Regeln müssten so gestaltet werden, dass es langfristig zu keiner Über- oder Unterrepräsentation der Erfolge von intersexuellen Frauen kommt.
Nun soll hier nicht behauptet werden, dass diese Vorschläge der Weisheit letzter Schluss sind. Entscheidend bleibt jedoch festzustellen: Eine Diskussion um das Thema ,,Intersexualität" im Frauensport ist dringend notwendig. Zum einen, weil es natürlich um Fairness geht. Zum anderen aber, weil wir an diesem Beispiel sehen, wie verkommen die Debattenkultur im Westen ist. Das IOC kann sich hinter vulgärsozialistischer Ideologie verbergen, um die eigene Untätigkeit zu legitimieren. Und die Grünen etwa haben auf Instagram hierfür ideologische Schützenhilfe geleistet, wobei völlig verschwiegen wurde, dass beide Boxerinnen vom Weltboxverband aufgrund von Geschlechtstests disqualifiziert worden waren. Damit wird eine mühsame Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ersetzt durch ideologische Simplifizierung. Die dabei sichtbare Wirklichkeitsverweigerung ist das Eigentliche, worum wir uns sorgen sollten. Imane Khelif und Lin Yu-ting jedenfalls kann man keinen Vorwurf daraus machen, dass sie sich im Rahmen der Regeln des IOCs an den Wettbewerben beteiligt haben.
09.09.24
Wätzold Plaum ist studierter Physiker mit einer Promotion im Fach Mathematik und einer zweiten in Philoosphie. 2012 erschien politisches Sachbuch ,,die Wiki-Revolution. Absturz und Neustart der westlichen Demokratie", sowie 2022 mit dem ,,Manifest der Radikalen Mitte" eine positive Akzentuierung des politischen Zentrismus. Er betreibt den YouTube-Kanal ,,Wätzolds Welt" und betätigt sich als Musiker.
Kommentare
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Bert17.09.2024 23:03Sehr basiert und fair. Es ist immer wieder schön von Herrn Plaum zu lesen und zu hören. Kurz aber nie zu knapp.Antworten
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Mr.T10.09.2024 19:34Text zweimal gelesen und dann verstanden. Eine sehr ausbalancierte Meinung von Herrn Plaum, die mir persönlich sehr gut gefällt und die mir besser gefällt als fast alle Beiträge die ich bisher zu dem Thema lesen durfte/ musste. Es würde mich freuen zukünftig öfter von diesem Autor auf dieser Seite inspirierende Beiträge lesen zu dürfen.Antworten
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