Freiheit für Conni!

Freiheit für Conni!

Conni, alle lieben Conni. In den sozialen Medien kommt man derzeit an ihr nicht vorbei. Was als herzige Persiflage einer sympathischen Comicfigur Jahre gedacht ist, offenbart in Wirklichkeit eines der Kernprobleme unserer Gesellschaft.

von Alexander Kira
Kennen Sie den? Den nervigen Arbeitskollegen, der einen längst auserzählten Witz ins endlose dehnt und ihn so lange auf jede Situation überträgt, bis es fast wieder lustig wird? Der auch nach drei Wochen die verwechselte Akte am Leben erhält, indem er jedes Öffnen der Bürotür mit den Worten ,,Aber verwechsle sie nicht wieder..." kommentiert?! Ein Gag wie das vierte Stück Sahnetorte, drei Stücke zu viel.
Genau das spielen uns die sozialen Medien gerade vor, indem sie uns mit einer nicht enden wollenden Flut von Conni-Memes beglücken. Conni ist eine vom Carlsen Verlag entwickelte Comic und Zeichentrickfigur, welche jungen Frauen auf ihrem Weg in das Erwachsenwerden begleitet. Nunmehr überschlägt sich das Netz in endlosen Memes, bei denen Conni in gleicher Anmutung Sachen tut, die man so nicht in der Schule lernt. Vom Bummelstreik bei der Arbeit über entspannenden Drogenkonsum zum Feierabend bis hin zu politischen Statements.

Aber obwohl nunmehr alle den Witz auf Connis Kosten begriffen haben dürften, entstehen immer wieder neue Memes, die die gleiche Geschichte in grün erzählen. Damit offenbaren die hartnäckigen Meme-Macher sinnbildlich die Gedankenschleife, in der auch unsere Republik festhängt. Prophetisch vorhergesehen von den Teletubbies über deren eingebaut Wiederholungen wir uns damals totgelacht haben. Zur Perfektion gebracht von TikTok, das seine User und Content Creatoren dermaßen zur betäubend wirkenden Wiederholung von immer gleichen Inhalten nötigt, dass der Roman ,,Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace fast schon dokumentarisch wirkt.
Wie Conni in ihren aufgezwungenen Memes hängen auch wir fest in endlosen Schleifen: So gut wie alle außereuropäischen Länder der Welt werden vor lauter Defiziten an allen Fronten bald den Betrieb einstellen. Binnen Wochen wird die Welt erkennen, dass sie wieder ausschließlich Autos von ihrem Erfinder kaufen muss. Allein, weil sich das so gehört. Deshalb ist Deutschland immer noch Exportweltmeister, hat den Titel sowieso nur wegen eines Statistikfehlers eingebüßt. Auch ,,gescheites" Bier gibt es nur in Deutschland und Autofahren ohne Gangschaltung ist langweilig.

Ein Land so überlegen, dass selbst Wilhelm der II. aus dem Exil zurückkehren würde, wenn er noch könnte. Potzblitz! So ernst meinte er es doch gar nicht dem Genesen am Deutschen Wesen.
Man könnte die Beispiele ewig fortführen, so wie das hundertste Conni Meme. Aber so wie Conni nach übermäßigem Bierkonsum wird einem davon nur schwummerig wie nach dem vierten Stück Torte. Insbesondere da die bundesdeutsche Öffentlichkeit sich bewundernswert resistent gegenüber jeglicher Konfrontation mit der Realität zeigt. Von Peking nach Hongkong in 8 Stunden, wie von Martin Sonneborn tatsächlich ausprobiert? Auch noch mit einem umweltfreundlichen Zug? Da kann was nicht stimmen. Stimmt, aber vielleicht nicht in China...

Wäre diese Glosse ein Conni Meme, dann würde sie jetzt noch weitergehen. Aber sie ist es nicht. Deshalb stellen wir das vierte Stück Torte zurück und entlassen Conni aus der Realität, in die sie entführt wurde. Eine Realität für die Conni nicht gemacht ist. Und die Conni nicht braucht - wohingegen die Realität Conni braucht, und zwar so, wie sie geschaffen wurde: Ihre unbändige Lust, etwas zu lernen, anstatt immer wieder das gleiche zu Wiederholen. Ihre Toleranz gegenüber Anderen, ihre Warmherzigkeit und ihre Offenheit für ihre eigenen Fehler.

Unser Mitgefühl gilt dem Carlsen Verlag, den Macherinnen und Machern von Conni und ganz besonders Conni selbst. Wir hoffen, dass sie bald aus den Fängen selbsternannter Witzbolde befreit wird. So wie hoffentlich wir alle. Aber das kann wahrscheinlich nur jeder selbst, allen voran Conni. Blitzgescheit genug ist sie. Go, Conni, go!

14.08.2025
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.

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