Per Jackpott zur Front!
Statt ,,Wo geht´s nach Australien" heißt es nach dem Abitur wieder ,,Wo, bitte, geht´s zur Front?". Doch seltsamerweise scheint kein Bundesbürger Anstoß daran zu nehmen. Das war noch die Lage vor einem Monat. Doch nun ist das neue Gesetz erst zu soft und dann nicht zeitgemäß: Verständlich - erst der geplante Wehrdienst-Jackpot bring die notwendige Spannung in die Stube.
von Alexander Kira
von Alexander Kira
Es wäre ziemlich naiv zu denken, wir brauchen keine Bundeswehr. Ganz im Gegenteil, sie nicht als Teil der Gesellschaft anzuerkennen, führt aus ganz vielen Gründen dazu, unseren Staat in Gefahr zu bringen.
Doch der Preis dafür ist hoch, sehr hoch. Denn Wehrfähigkeit kostet nicht nur Geld. Sie kostet die Bundesbürger unter Umständen auch ihr Leben. Quentin Gärtner, der Generalsekretär der Schülervertretung, hatte dies vor einem Monat schon begriffen. Außer ihm jedoch niemand, es war halt zu viel los auf der Welt (die ,,Los" Lines kommen weiter unten). Keine mediale Diskussion, keine Schülerdemos und kein Festkleben woran auch immer. Scheinbar muss sich erst die gepanzerte Stahltür des Kreiswehrersatzamtes hinter dem ersten Jahrgang schließen. Dann wird mit dem sonoren Brummton der elektrischen Schließanlage klar: Wehrdienst ist kein Sportverein, bei dem ich jederzeit wieder gehen kann, wenn der Fön in der Umkleide nicht geht. Tja, hätte man bloß etwas Sekundenkleber aufgehoben.
Ich kann auch nicht während einer Geländeübung meine Eltern anrufen, damit sie mich abholen. ,,Fragt einfach an der Pforte, die zeigen Euch den Weg." Obwohl viele Eltern bereits vorsorglich SUVs fahren. Auch die in der Schule selbstverständliche Beschwerde über Lehrer ist bei militärischen Vorgesetzten noch nicht tägliche routine. Eine Mail an den Vorgesetzten schreiben, dass der Sohn nicht hinreichend auf den Nachtmarsch vorbereitet wurde, Antwort innerhalb von 24 Stunden?! Sonst droht eine Beschwerde beim Kasernenkommandanten! Zu spät geweckt, man musste zum Apell laufen? Sofort eine E-Mail an das Verteidigungsministerium und ein Brief vom Familienanwalt.
Auch lustige Storys für TikTok lassen sich weder anschauen noch drehen. Die Bundeswehr "WEHRbung" ist da aus Verbrauchersicht grob irreführend und mithin eindeutig wettbewerbswidrig i.S. des § 5 I des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Denn anders als die Werbung eindrücklich darstellt, ist bei einem Nachtmarsch wenig Zeit für Social Media. Auch zu wenig Licht. Und unter Umständen muss man in voller Marschausrüstung noch einen Baumstamm schleppen helfen, womit auch die Zahl der freien Hände knapp wird. Stattdessen eine Dschungelprüfung nach der anderen und Gemeinschaftsunterkünfte wie bei Promi Big Brother. Doch keiner, der einen rauswählt.
Die Werbung verschweigt ferner, dass wenn man das macht, was wirklich zählt, der Haken an der Sache ist, dass am Ende nicht alle von dem zurückkommen, was wirklich zählt... Jetzt fragt sich doch wirklich, warum nur Zigarettenschachteln einen Risikohinweis haben müssen.
Die Idee den Wehrdienst zu verlosen, macht Satiriker nun aber arbeitslos. Sie ist nicht neu, aber gute Lines altern nicht. Wie fühlt man sich wohl beim frühmorgendlichen Dauerlauf, wenn man weiß, dass man ihn nur aus Lospech machen muss? Deswegen hatte sich letzte Woche auch der Gewinner des 100-Millionen Eurojackpots in Berlin erst verzögert gemeldet: Er hatte Angst, er wird eingezogen. Viele Begriffe des Militärischen machen jetzt auch Sinn: ,,Los, Los" ihr Luschen. Los-marschieren. Leinen ,,Los".
Immerhin hat der neue Wehr-Jackpot dazu geführt, dass die Öffentlichkeit langsam nachdenklich wird. Natürlich nicht die, die sowieso nicht eingezogen werden. Ideen die einen nicht betreffen werden naturgemäß als glänzend empfunden. Anders wäre es, wenn man nur 1 % aller Bürger ab 45 mit in den Lostopf nehmen würde...das würde wahrlich von Humor der Bundesregierung zeugen und Schwung in die Diskussion bringen. 45? Ja, denn die Wehrpflicht endet erst in diesem Alter, schon gewusst? Aber die Bürger, die wir bereits nummeriert an einem Ort finden, der mit ,,Schule" überschrieben ist, zeigen bereits ein gesundes Maß an Interesse sich ganz genau erklären zu lassen, was die Politik eigentlich mit ihnen vorhat. Denn sie haben eines begriffen:
Am Ende ist ein Einsatz von Soldatinnen und Soldaten eine politische Entscheidung und nur in den seltensten Fällen eine zwingende Reaktion auf äußere Umstände. Und die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Militärs um Längen besonnener reagieren als Politikschaffende. Denn sie wissen, was Krieg und Verantwortung für das Leben junger Menschen wirklich bedeutet.
Somit bleibt nur noch, diese Glosse den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu widmen. Sie habe sich für unsere Freiheit eines großen Teils ihrer eigenen Freiheit begeben. Sie haben sich einverstanden erklärt, sich mitten in der Nacht wecken und aus Flugzeugen werfen zu lassen. Sich im Regen durch schlammige Gruben und über Hindernisse scheuchen zu lassen, mit einer Gasmaske damit es lustiger wird. Und diese Entscheidung haben sie - wie ihr Pflichtbewusstsein - nicht im Lotto gewonnen.
16.10.2025
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.
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Doch der Preis dafür ist hoch, sehr hoch. Denn Wehrfähigkeit kostet nicht nur Geld. Sie kostet die Bundesbürger unter Umständen auch ihr Leben. Quentin Gärtner, der Generalsekretär der Schülervertretung, hatte dies vor einem Monat schon begriffen. Außer ihm jedoch niemand, es war halt zu viel los auf der Welt (die ,,Los" Lines kommen weiter unten). Keine mediale Diskussion, keine Schülerdemos und kein Festkleben woran auch immer. Scheinbar muss sich erst die gepanzerte Stahltür des Kreiswehrersatzamtes hinter dem ersten Jahrgang schließen. Dann wird mit dem sonoren Brummton der elektrischen Schließanlage klar: Wehrdienst ist kein Sportverein, bei dem ich jederzeit wieder gehen kann, wenn der Fön in der Umkleide nicht geht. Tja, hätte man bloß etwas Sekundenkleber aufgehoben.
Ich kann auch nicht während einer Geländeübung meine Eltern anrufen, damit sie mich abholen. ,,Fragt einfach an der Pforte, die zeigen Euch den Weg." Obwohl viele Eltern bereits vorsorglich SUVs fahren. Auch die in der Schule selbstverständliche Beschwerde über Lehrer ist bei militärischen Vorgesetzten noch nicht tägliche routine. Eine Mail an den Vorgesetzten schreiben, dass der Sohn nicht hinreichend auf den Nachtmarsch vorbereitet wurde, Antwort innerhalb von 24 Stunden?! Sonst droht eine Beschwerde beim Kasernenkommandanten! Zu spät geweckt, man musste zum Apell laufen? Sofort eine E-Mail an das Verteidigungsministerium und ein Brief vom Familienanwalt.
Auch lustige Storys für TikTok lassen sich weder anschauen noch drehen. Die Bundeswehr "WEHRbung" ist da aus Verbrauchersicht grob irreführend und mithin eindeutig wettbewerbswidrig i.S. des § 5 I des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Denn anders als die Werbung eindrücklich darstellt, ist bei einem Nachtmarsch wenig Zeit für Social Media. Auch zu wenig Licht. Und unter Umständen muss man in voller Marschausrüstung noch einen Baumstamm schleppen helfen, womit auch die Zahl der freien Hände knapp wird. Stattdessen eine Dschungelprüfung nach der anderen und Gemeinschaftsunterkünfte wie bei Promi Big Brother. Doch keiner, der einen rauswählt.
Die Werbung verschweigt ferner, dass wenn man das macht, was wirklich zählt, der Haken an der Sache ist, dass am Ende nicht alle von dem zurückkommen, was wirklich zählt... Jetzt fragt sich doch wirklich, warum nur Zigarettenschachteln einen Risikohinweis haben müssen.
Die Idee den Wehrdienst zu verlosen, macht Satiriker nun aber arbeitslos. Sie ist nicht neu, aber gute Lines altern nicht. Wie fühlt man sich wohl beim frühmorgendlichen Dauerlauf, wenn man weiß, dass man ihn nur aus Lospech machen muss? Deswegen hatte sich letzte Woche auch der Gewinner des 100-Millionen Eurojackpots in Berlin erst verzögert gemeldet: Er hatte Angst, er wird eingezogen. Viele Begriffe des Militärischen machen jetzt auch Sinn: ,,Los, Los" ihr Luschen. Los-marschieren. Leinen ,,Los".
Immerhin hat der neue Wehr-Jackpot dazu geführt, dass die Öffentlichkeit langsam nachdenklich wird. Natürlich nicht die, die sowieso nicht eingezogen werden. Ideen die einen nicht betreffen werden naturgemäß als glänzend empfunden. Anders wäre es, wenn man nur 1 % aller Bürger ab 45 mit in den Lostopf nehmen würde...das würde wahrlich von Humor der Bundesregierung zeugen und Schwung in die Diskussion bringen. 45? Ja, denn die Wehrpflicht endet erst in diesem Alter, schon gewusst? Aber die Bürger, die wir bereits nummeriert an einem Ort finden, der mit ,,Schule" überschrieben ist, zeigen bereits ein gesundes Maß an Interesse sich ganz genau erklären zu lassen, was die Politik eigentlich mit ihnen vorhat. Denn sie haben eines begriffen:
Am Ende ist ein Einsatz von Soldatinnen und Soldaten eine politische Entscheidung und nur in den seltensten Fällen eine zwingende Reaktion auf äußere Umstände. Und die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Militärs um Längen besonnener reagieren als Politikschaffende. Denn sie wissen, was Krieg und Verantwortung für das Leben junger Menschen wirklich bedeutet.
Somit bleibt nur noch, diese Glosse den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu widmen. Sie habe sich für unsere Freiheit eines großen Teils ihrer eigenen Freiheit begeben. Sie haben sich einverstanden erklärt, sich mitten in der Nacht wecken und aus Flugzeugen werfen zu lassen. Sich im Regen durch schlammige Gruben und über Hindernisse scheuchen zu lassen, mit einer Gasmaske damit es lustiger wird. Und diese Entscheidung haben sie - wie ihr Pflichtbewusstsein - nicht im Lotto gewonnen.
16.10.2025
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.
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Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Soldatinnen und Soldaten wirklich überlegt und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Zu oft entsteht der Eindruck, dass junge Menschen als „Kanonenfutter“ dienen, während die politische Führung ihre Entscheidungen aus sicherer Distanz trifft. Noch schlimmer ist, dass viele nach Einsätzen mit psychischen Belastungen oder Traumata allein gelassen werden. Statt Unterstützung zu erhalten, werden sie in der Öffentlichkeit oft stigmatisiert – als „faul“ oder „arbeitsunwillig“. Das zeigt, wie wenig Wert der Staat tatsächlich auf die Menschen legt, die für ihn ihr Leben riskieren sollen.
Wenn Verteidigung wirklich etwas mit Verantwortung und Zusammenhalt zu tun hätte, müsste der Staat zuerst beweisen, dass er sich um seine Soldaten kümmert – im Einsatz und danach. Solange das nicht geschieht, kann ich die Forderung nach Wehrpflicht nur als Versuch sehen, billig an Personal zu kommen.
Warum sollte ich mein Leben für ein Land aufs Spiel setzen, dem ich sonst völlig egal bin?
Wenn ich mich mit Waffen beschäftigen möchte, kann ich das auch beim Paintball tun – ohne dass ich dafür mein Leben oder meine psychische Gesundheit riskiere. Danach gehe ich essen und lege mich in mein eigenes Bett, in Sicherheit. Vielleicht ist genau das der Unterschied: Ich kämpfe gern, aber nicht für ein System, das mich nur als Zahl in der Statistik sieht.