Spenden Sie!

Spenden Sie!

Wissen Sie, als Philosoph wird man immer mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei nur da, um zu ,,labern". Das mag sicherlich manchmal stimmen. Viele Menschen, die philosophieren, neigen dazu, zu schwafeln, daherzureden und mit ihrer Belesenheit prahlen zu wollen. Aber ganz so einseitig ist es natürlich nicht. Jeder Mensch muss sich auch an die eigene Nase fassen. Wann haben Sie beispielsweise das letzte Mal Geld gespendet?

von Pascal Deniz Degen
Nach Angaben des Deutschen Spendenrats haben im Jahr 2024 ,,16,7 Millionen Menschen Geld gespendet". In meinen Augen erschreckend wenig, finden Sie nicht auch?

Hier setzt die Philosophie ein, oder genauer: der Philosoph Peter Singer. Singer schreibt nämlich in dem 1972 (!) erschienenen Artikel ,,Famine, Affluence, and Morality" (dt.: Hungersnot, Wohlstand und Moral), über die Pflicht zum Spenden. Überhaupt nicht theoretisch. Ganz praktisch. Man mag es kaum glauben, aber das schaffen wir Philosophen. Dennoch, Sie haben es eben selbst gelesen, nur 16,7 Millionen Menschen folgen dieser Pflicht.

An dieser Stelle sei gesagt, dass Singer natürlich nicht der einzige Philosoph ist, aber seine Argumentation ist ganz wunderbar und bringt die Sache auf den Punkt. Lassen Sie mich versuchen, sein Beispiel sinngemäß wiederzugeben:

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich neue Kleidung gekauft. Vielleicht Schuhe, eine Hose, ein Pullover, es spielt keine Rolle. Sagen wir, besagtes Kleidungsstück war auch nicht gerade billig, Sie haben sich mal wieder etwas gegönnt, muss ja auch mal sein, nicht wahr? Nun gehen Sie, mit Ihrem neuen Kleidungsstück am Körper, spazieren. Ein schöner Tag, mit Ihren schönen Sachen. Als Sie jedoch an einem Teich vorbeikommen, sehen Sie etwas überhaupt nicht Schönes. Ein kleines Kind droht zu ertrinken, es schreit um Hilfe und kann sich nur noch schwer über Wasser halten. Sie sehen bereits, wie der Kopf langsam im Wasser verschwindet. Nun die entscheidende Frage: Was machen Sie?

Selbstverständlich retten Sie das Kind sofort. Sie denken nicht erst darüber nach, was mit ihren neuen Schuhen passiert, ob diese vielleicht dreckig werden können und im besten Fall nehmen Sie sich auch nicht die Zeit, sich die Schuhe auszuziehen, Sie sehen ja, dass das Kind gerade dem Ende nahe ist.

Das Beispiel will Ihnen also das Folgende sagen: Vor Ihren Augen droht ein Kind zu sterben. Was machen Sie ganz selbstverständlich? Sie helfen! Selbst wenn Sie dadurch einen ,,finanziellen Verlust" erleiden.

Nun wollen diejenigen unter Ihnen, denen ich hier einen Vorwurf mache, sich natürlich rechtfertigen und Gründe anführen, weshalb sie nicht spenden. Ich möchte Ihnen zuvorkommen und ein paar der prominentesten Einwände durchgehen:

1. Die echte Welt ist nicht so einfach!

Klar, in dem Beispiel ist alles sehr vereinfacht. Sie sehen etwas Schlechtes, handeln und sehen dann, dass Ihr Handeln etwas bewirkt hat. Im echten Leben wissen Sie nicht, ob das Geld wirklich bei den Hilfebedürftigen ankommt oder den gewünschten Effekt erzielt. Sie wollen also sicher sein, dass Ihr Geld vernünftig benutzt wird und Sie nicht verarscht werden, richtig?

Nun gut, haben Sie sich eigentlich schon mal die Frage gestellt, wer Sie in dieser Welt nicht verarscht? Ich meine, wo leben wir denn? Fragen Sie sich bei jedem Euro, den Sie ausgeben, ob dieser ,,sinnvoll" genutzt wird, oder ,,gerechtfertigt" ist? Wie viel Geld haben Sie für Ihr letztes Smartphone oder Auto bezahlt? Kennen Sie die Produktionskosten dieser Anschaffung? Stehen diese beiden Summen im Verhältnis zueinander oder ist es hier einfach nicht so wichtig, ob Sie verarscht werden?

Denken Sie doch mal nach, wir leben in einer Welt, in der wir jeden Tag, jede Stunde, ja, gefühlt jede Sekunde irgendwo mit Werbung konfrontiert werden. Werbung ist dazu da, Sie zum Kaufen von bestimmten Dingen zu bringen. Warum ist das kein Problem für Sie? Für diese Dinge geben Sie auch Geld aus.

2. Strukturelle Probleme können nicht individuell gelöst werden!

Ich gestehe, das ist ein guter und wichtiger Punkt: Wie soll ich als Individuum die Probleme der Welt lösen? Müssen nicht auch Staaten, Institutionen und die freie Wirtschaft in die Pflicht genommen werden? Sie haben Recht, das stimmt! Aber warum geht nicht beides zusammen?
Können wir als einzelne Person nicht spenden und gleichzeitig auch mehr Unterstützung vom Staat und anderen fordern? Warum sollte nur eines von beidem möglich sein?

Darüber hinaus: Aus was besteht eigentlich ein Staat, eine Institution oder ein Unternehmen? Aus individuellen Menschen, oder nicht?

3. Der Teich ist überfüllt!

Das scheint in meinen Augen wirklich das schwächste Argument zu sein, aber sei es drum, es soll dennoch seine Erwähnung finden. Ich denke, es bedarf keiner großen Erklärung: Der Teich ist voll und ich bin alleine vor Ort, ich kann nicht alle Kinder retten.
Ja und? Soll das etwa heißen, ich darf jetzt kein einziges Kind mehr vor dem Ertrinken retten, da ja andere dafür ertrinken? Wenn ich nicht alle retten kann, rette ich niemanden?
Ich bitte Sie.

Schauen Sie, wir könnten mit weiteren Einwänden so fortfahren. Aber das ergibt schlicht keinen Sinn. Es gibt nur drei ernst zu nehmende Einwände, um nicht zu spenden.

Erstens: Sie haben schlicht zu wenig Geld. Bitte seien Sie hier ehrlich zu sich selbst. Wir haben in Deutschland nicht nur 16,7 Millionen Menschen, die nicht in Armut leben.

Zweitens: Sie haben einfach nicht aktiv darüber nachgedacht und das irgendwie nicht so wirklich auf dem Schirm gehabt. Nicht weiter schlimm, aber spätestens, nachdem Sie diesen Text hier gelesen haben, wissen Sie ja, was zu tun ist.

Und Drittens: Es ist Ihnen schlicht egal. So ist es halt, der Mensch ist nicht dazu da, immer gut zu handeln. Wir können nicht alles perfekt machen. Aber seien Sie auch hier ehrlich zu sich selbst und denken Sie sich nicht irgendwelche Vorwände aus, um sich danach besser zu fühlen!

Ich möchte an dieser Stelle nicht so negativ enden. Ein Philosoph, der kritisiert, muss auch einen positiven Vorschlag machen. Daher der Hinweis, dass durch Peter Singers Schaffen, die Organisation ,,The Life You Can Save" ins Leben gerufen wurde. Ihr Äquivalent in Europa ist die Organisation ,,Effektiv Spenden". Schauen Sie doch einfach auf deren Seite vorbei und machen sich schlau.

Ansonsten gehen Sie doch mal in Ihre alte Schule, den Sportverein Ihrer Kinder oder eine andere gemeinnützige Einrichtung in Ihrer Umgebung und schauen, ob Sie mit Geld oder Sachgegenständen helfen können. Wenn Sie Kindern in einer Schule eine Tischtennisplatte finanzieren, können Sie auch direkt kontrollieren, ,,ob die Spende ankommt".
Ansonsten freuen sich natürlich auch zwei arme Podcaster immer über eine Spende bzw. eine finanzielle Anerkennung ihrer Arbeit.

Wir müssen nicht immer die großen Probleme der Welt lösen.

Eine gute Tat schadet niemandem!

24.11.2025
Pascal Deniz Degen ist 25 Jahre alt und ein echter Ur-Berliner. In seiner Heimatstadt schloss er erfolgreich seinen Bachelor in Geschichte und Philosophie ab. Seine große Leidenschaft für die Philosophie führte ihn nach Wien, wo er aktuell seinen Master absolviert. Sein selbsternanntes Ziel ist es, die Philosophie aus den akademischen Fängen zu befreien und sie wieder für die Gesellschaft zugänglich zu machen.

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