Das unheimliche Schweigen
Wir leben in aufregenden Zeiten. Es geht um Krieg und Frieden. Es geht um die Zukunft unserer Kinder, um die Umwelt und die Frage, ob wir endlich Gerechtigkeit für alle Menschen auf diesem Planeten schaffen wollen. Diktaturen abschaffen, Demokratie wahren und den Extremen das Handwerk legen. Und was macht die Kunst? Sie schläft.
von Serdar Somuncu
von Serdar Somuncu
Reihenweise haben sich Künstler dazu entschieden, lieber den Mund zu halten, statt aufzubegehren. Die Cancel Culture hat eine ganze Generation von mutigen Künstlern ausgerottet, und was übrig geblieben ist, ist ein Häufchen angepasster Karrieristen, die den Regierungen nach dem Mund reden und sich angeblich an den so wichtigen Themen des Alltags abarbeiten. Dabei hat die Kunst eine viel größere Verantwortung, als man denkt. Gerade in Krisenzeiten kann sie Kompass sein, sie kann Widerstand leisten und aufklären und sie kann vor allem trösten. All das scheint abhanden gekommen zu sein, wenn man sich den Reigen der agierenden Agitatoren anschaut. Die einen schlagen sich in die Büsche und suhlen sich in Belanglosigkeiten, die anderen betreiben unverhohlen Kriegspropaganda und Konformismus, ganz zu schweigen von den Opportunisten, die gemeinsame Sache machen mit gescheiterten Politikern und korrupten Lobbyisten.
Das alles ist ein unheilvolles Signal an eine Gesellschaft, die davon zehren sollte, dass sie sich Unbequemes leistet und das Unkonventionelle schützt. Aber gerade daran hapert es. Durch die schwierigen Jahre der Coronakrise sind viele Künstler auf Engagements angewiesen, und nicht nur sie sind materiell abhängig, sondern auch ihre Arbeitgeber sind durch die immer wiederkehrenden Druckwellen der öffentlichen Meinung nachhaltig eingeschüchtert und reagieren zittrig bis panisch auf jeden Shitstorm, der aus dem Nichts entsteht. Die Unberechenbarkeit dieser Wellen erstreckt sich indessen nicht mehr auf aktuelle Geschehnisse, sondern sie schlummert auch in den Archiven, die man durchforstet, um verdächtiges und kompromittierendes Material zu entdecken und sie unliebsamen Künstlern und ihren Auftraggebern zum Vorwurf zu machen. Was daraus entsteht, gleicht einer Denunziationskultur der dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, in der man seine Nachbarn argwöhnisch beobachtet hat, um sie dann zur Erlangung eigener Privilegien und Vorteile den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.
Wir werden in den kommenden Jahren viele Krisen zu bewältigen haben. Und die Stimmen der Kunst sind dabei eine wichtige Begleitung, die wir nicht weiter stigmatisieren und eingrenzen sollten, sondern wir müssen die Kunst schützen. Vor allem aber müssen wir sie vor dem Angriff der Ideologen bewahren. Denn wird die Kunst zum Handlanger von Ideologien, ist sie eine zahnlose Dienstleistung, deren Wirkung nur denen nützt, die sie für ihre Zwecke einsetzen, um damit ihre Macht zu manifestieren. Am Ende werden die Mutigen und Unangepassten zu Verrätern erklärt und die Angepassten zu Helden gemacht. Dass das einer Geistesgesellschaft nicht ansteht, ist keine Erkenntnis, die man argumentativ untermauern muss, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, die keine weitere Erklärung braucht.
27.06.25
©Serdar Somuncu
Das neue Buch - Lügen -Kulturgeschichte einer menschlichen Schwäche"
*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
HIER GEHTS ZUM NEUEN BUCH
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Das alles ist ein unheilvolles Signal an eine Gesellschaft, die davon zehren sollte, dass sie sich Unbequemes leistet und das Unkonventionelle schützt. Aber gerade daran hapert es. Durch die schwierigen Jahre der Coronakrise sind viele Künstler auf Engagements angewiesen, und nicht nur sie sind materiell abhängig, sondern auch ihre Arbeitgeber sind durch die immer wiederkehrenden Druckwellen der öffentlichen Meinung nachhaltig eingeschüchtert und reagieren zittrig bis panisch auf jeden Shitstorm, der aus dem Nichts entsteht. Die Unberechenbarkeit dieser Wellen erstreckt sich indessen nicht mehr auf aktuelle Geschehnisse, sondern sie schlummert auch in den Archiven, die man durchforstet, um verdächtiges und kompromittierendes Material zu entdecken und sie unliebsamen Künstlern und ihren Auftraggebern zum Vorwurf zu machen. Was daraus entsteht, gleicht einer Denunziationskultur der dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, in der man seine Nachbarn argwöhnisch beobachtet hat, um sie dann zur Erlangung eigener Privilegien und Vorteile den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.
Wir werden in den kommenden Jahren viele Krisen zu bewältigen haben. Und die Stimmen der Kunst sind dabei eine wichtige Begleitung, die wir nicht weiter stigmatisieren und eingrenzen sollten, sondern wir müssen die Kunst schützen. Vor allem aber müssen wir sie vor dem Angriff der Ideologen bewahren. Denn wird die Kunst zum Handlanger von Ideologien, ist sie eine zahnlose Dienstleistung, deren Wirkung nur denen nützt, die sie für ihre Zwecke einsetzen, um damit ihre Macht zu manifestieren. Am Ende werden die Mutigen und Unangepassten zu Verrätern erklärt und die Angepassten zu Helden gemacht. Dass das einer Geistesgesellschaft nicht ansteht, ist keine Erkenntnis, die man argumentativ untermauern muss, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, die keine weitere Erklärung braucht.
27.06.25
©Serdar Somuncu
Das neue Buch - Lügen -Kulturgeschichte einer menschlichen Schwäche"
*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
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