Die Ampel ist selbst schuld
Das starke Ergebnis für die AfD bei der Europawahl ist ein Schock und ein Armutszeugnis für unsere Demokratie. Etablierte Parteien und ihre Fans finden dutzende Ausreden und Erklärungen für den enormen Zuwachs der Rechtspopulisten - nur vor der eigenen Haustür wollen sie nicht kehren.
von Bent Erik Scholz
von Bent Erik Scholz
Wenn 16 Prozent der deutschen Wähler bereitwillig in Kauf nehmen, dass die Partei, der sie ihre Stimme geben, unter Verdacht steht, mit russischen und chinesischen Geheimdiensten zu kollaborieren - dass der Spitzenkandidat, für den sie abstimmen, in einem Nebensatz mal salopp die SS verharmlost - wenn die zweitgrößte Wählergruppe Deutschlands bereit ist, dies hinzunehmen, dann reicht es nicht mehr, davon auszugehen, dass das alles Idioten oder Neonazis sind. Etwas scheint hier fundamental schief zu laufen - und dass so ziemlich alle Ampelparteien bei diesen Wahlen mächtig abgewatscht wurden, sollte doch mehr als genug Anlass dazu bieten, in eine kritische Selbstreflexion zu gehen.
Könnte man denken. Doch leider hat sich eine moralische Hybris breitgemacht, die ein Hinterfragen des eigenen Tuns unmöglich zu machen scheint. Die ,,guten Menschen" sind gefangen von ihrer Selbstbesoffenheit und versteigen sich zu absurdesten Phrasen, ohne zu merken, dass sie sich damit nur noch tiefer in die Misere reiten. Die Spaltung der Gesellschaft schreitet mit großen Schritten voran, und die Durchhalteparolen für Gleichgesinnte, die aus den Mündern derer fallen, die sich für die ,,Richtigen" halten, werden nicht mehr lange darüber hinwegtäuschen können.
Wer schuld an der Misere sei, darüber scheiden sich die Geister: dass die AfD unter Erstwählern und jungen Menschen so beliebt sei, könne nur mit TikTok und der sehr erfolgreichen Strategie der Partei dort zusammenhängen. Desinformation lautet das Stichwort, das man in diesem Zusammenhang oft liest - ein Begriff, der mittlerweile politisch derartig missbraucht wird, dass er jegliche Relevanz verloren hat. Die Bundesregierung produziert neuerdings in Zusammenarbeit mit Rezo und diversen Promigästen ein Internetformat ,,gegen Desinformation". Seit wann ist es Aufgabe der Bundesregierung, sich zu einer journalistischen Institution aufzuspielen? Warum sollte man ausgerechnet der Bundesregierung Entscheidungsgewalt darüber zugestehen, was als Fake News zu brandmarken sei?
Die Theorie, dass es jungen Wählern an Abstraktionsvermögen fehlt, TikTok-Inhalte politisch einzuordnen, entbehrt selbstverständlich nicht einer gewissen Überheblichkeit. Es ist dieselbe Überheblichkeit, mit der Politiker sich Fehler eingestehen - dann sagen sie nämlich nicht ,,Die Idee war schlecht", sie sagen ,,Man muss die Politik den Menschen besser erklären." Heißt im Klartext: ,,Die Menschen waren einfach zu doof, meine Politik zu verstehen".
Dasselbe plumpe Argumentationsschema wird zutage gefördert, wenn Statistiken hervorgekramt werden, laut denen Akademiker vor allem für die Grünen gestimmt hätten. Ein Kommentator schreibt dazu: ,,Wer die Welt um sich herum versteht, der würde niemals AfD wählen." Hier wird die Wertigkeit der Wahlentscheidung abhängig vom Bildungsgrad gemacht. Elitärer geht es kaum. Angesichts der Tatsache, dass im Arbeitermilieu und bei geringer Verdienenden die AfD besonders gut abschnitt, bedeutet eine solche Argumentation im Kern immer auch ,,Proletariat = doof".
Die Wahrheit ist: die Bilanz der Ampelregierung ist bis hierhin desaströs. Seit dem Krieg in der Ukraine befinden wir uns in einer nicht enden wollenden Abwärtsspirale, die Wirtschaft ist eingebrochen, Inflation raubt den Leuten Flexibilität, Möglichkeiten zum Überleben, den Verstand. Aus moralischen Gründen boykottieren wir den Einkauf von Gas aus Russland, nur damit wir dann feststellen, dass wir nicht einfach mal so auf Gas verzichten können. Also putzen wir die Klinken bei Ländern wie Katar, während wir sie zeitgleich öffentlich bei der WM für politische Unzulänglichkeiten zu ächten, nur um dasselbe russische Gas dann über Drittländer zu kaufen - zu deutlich höheren Preisen.
Die Grünen, die im Wahlkampf 2021 noch ,,Keine Waffen in Kriegsgebiete" plakatierte, steht jetzt Seite an Seite mit der FDP im Kampf um die immer schärfere Aufrüstung der Ukraine. Der Widerstand der Kanzlerpartei dagegen ist nur mäßig: der SPD-Verteidigungsminister fabuliert bereits lüstern von einem remilitarisierten, kriegstüchtigen Deutschland - einem Staat, in dem junge Leute sich das Recht erkämpften mussten, nicht sinnlos für das eigene Land in den Krieg geschickt zu werden. Was soll das sein, ein Land, dass es ernstlich wert wäre, dafür zu sterben? Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler plädierte im Interview mit Gabor Steingart kürzlich darauf, ukrainische Geflüchtete, die sich derzeit lieber auf ,,deutschen Autobahnen" aufhalten würden, in die Ukraine an die Front zu schicken. Abschieben in ein Kriegsgebiet. Nicht mit dem Ziel, die Ukraine zu schützen, sondern Putin zu schaden. Der Mann ist SPD-Mitglied.
Wie kann es sein, dass ausgerechnet Arbeiter und weniger gut situierte Menschen eine nationallibertäre Partei wählen, die vor allem den höheren Einkommens- und Vermögensklassen zu erheblichen Steuervergünstigungen verhelfen will? Sind die wirklich so doof? Oder spricht daraus nicht in Wahrheit etwas anderes, nämlich dass sie gar keine Hoffnung mehr haben, von den lauten sozialpolitischen Versprechungen der großen Parteien profitieren zu können? Die Sozialpolitik der AfD ist keine - die Sozialpolitik der sogenannten ,,etablierten Parteien" behauptet, alles zu sein, und ist vielerorts eben doch nur ein Bürokratieungetüm, das regelmäßig an die Grenzen der Menschenwürde gerät.
Natürlich ist der Wähler selbst für seine Wahlentscheidung verantwortlich. Doch in einer Welt, die in Schwarz und Weiß einteilt, fühlt man sich zu wohl im eigenen lauschig-warmen Meinungskorridor, als noch nach Ursachen zu fragen. Eine Kernursache ist: vielerorts sind offenkundige Probleme aus Gesinnungsgründen schlichtweg nicht angesprochen worden. Ja, die Kommunen waren und sind überfordert mit der Zahl der ankommenden Geflüchteten in den letzten zehn Jahren. Nein, es hat nicht automatisch mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, dies zu konstatieren - es steckt darin vor allem die Feststellung einer Politik, die sehenden Auges und wider besseres Wissen die Ankunft einer solch beträchtlichen Menge an Menschen nicht genügend vorbereitet hat. Leider entsteht aus der Sorge immer dann auf Dauer ein Ressentiment, wenn das arglose Adressieren der Sorge als verdächtig, anstößig, potenziell gefährlich geframed wird. Und natürlich sind Menschen mit Ressentiments empfänglich für einen Populismus, der dieses Ressentiment bedient.
Was also ist die Lösung? Es bringt offenbar nichts, die AfD und alle ihre Wähler in die Pfuibäh-Ecke zu verbannen und ihnen pauschal Nazismus zu unterstellen. Genauso wenig bringt es, im selben billigen Becken zu fischen wie Weidel und co. - diese Anbiederung, wie wir sie zuletzt vor allem von Olaf Scholz hörten, der plötzlich vom Abschieben ,,im großen Stil" spricht, führt nicht dazu, dass sich AfD-Wähler wieder den etablierten Parteien zuwenden, von denen sie enttäuscht wurden. Die Wähler erkennen den Trick - und entscheiden sich für das Original.
Das effektivste Werkzeug gegen Rechtspopulismus ist gute Politik. Sich gegen die Macht der einfachen Lösung zu wenden heißt, bessere Lösungen anzubieten - wenn nicht gar Problemen vorzubeugen. Hier haben unsere letzten Regierungen, vor allem jedoch die Ampel, ihr großes Defizit: in ihrer Theorienarmut. Wer sein vermurkstes Heizungsgesetz eineinhalb Jahre später als ,,Experiment" beschreibt, ist als Wirtschaftsminister völlig ungeeignet. Die Bundespolitik ist keine weiße Leinwand, auf der man probehalber etwas herumkritzeln und dann wieder wegradieren kann. Jede Entscheidung zieht Spuren in den Sand, die für einzelne womöglich Jahrzehnte nachwirken. Wer als Vizekanzler und Minister noch an achtzig Millionen Menschen experimentieren muss, hat offensichtlich kein System.
Das beharrliche Berufen auf den guten Willen allein kann die Fehltritte nicht kaschieren, wenn es an Fehlerkultur mangelt. Und wer als Beobachter den offensichtlichen Fehler in der Umsetzung als solchen benennt, nur um sich dann als Gegner der Idee dargestellt zu sehen, der wird irgendwann den Mut verlieren, zu versuchen, sich produktiv zu beteiligen. Und natürlich kann man diese Leute aus dem Elfenbeinturm heraus beleidigen - sie als Nazis, Demokratiefeinde, Schwachköpfe darstellen. Überzeugen wird man sie damit wohl eher weniger. Wer schließt sich schon freiwillig einer Clique an, die einen verleumdet?
Wir reden seit Jahren über eine Spaltung der Gesellschaft. Die realen Effekte dieser Spaltung werden sichtbarer mit jeder Wahl, mit jedem dickköpfig geführten Diskurs, mit jedem abgebrochenen Kontakt - jeder für sich eine kleine Kapitulation. Wer sich selbst als aufgeklärt, nachdenklich und informiert betrachtet, ist jetzt mehr denn je gefragt, diesem Ruf gerecht zu werden. Dies gelingt nur, indem wir, die wir uns als Zentristen, links der Mitte - oder einfach als Gegner dessen, was wir Rechts nennen, betrachten, folgende Frage stellen:
Wenn wir so weit auseinander gedriftet sind, sollten wir nicht vielleicht zumindest in Betracht ziehen, dass auch wir selbst die eine oder andere merkwürdige Abbiegung genommen haben?
13.06.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
Könnte man denken. Doch leider hat sich eine moralische Hybris breitgemacht, die ein Hinterfragen des eigenen Tuns unmöglich zu machen scheint. Die ,,guten Menschen" sind gefangen von ihrer Selbstbesoffenheit und versteigen sich zu absurdesten Phrasen, ohne zu merken, dass sie sich damit nur noch tiefer in die Misere reiten. Die Spaltung der Gesellschaft schreitet mit großen Schritten voran, und die Durchhalteparolen für Gleichgesinnte, die aus den Mündern derer fallen, die sich für die ,,Richtigen" halten, werden nicht mehr lange darüber hinwegtäuschen können.
Wer schuld an der Misere sei, darüber scheiden sich die Geister: dass die AfD unter Erstwählern und jungen Menschen so beliebt sei, könne nur mit TikTok und der sehr erfolgreichen Strategie der Partei dort zusammenhängen. Desinformation lautet das Stichwort, das man in diesem Zusammenhang oft liest - ein Begriff, der mittlerweile politisch derartig missbraucht wird, dass er jegliche Relevanz verloren hat. Die Bundesregierung produziert neuerdings in Zusammenarbeit mit Rezo und diversen Promigästen ein Internetformat ,,gegen Desinformation". Seit wann ist es Aufgabe der Bundesregierung, sich zu einer journalistischen Institution aufzuspielen? Warum sollte man ausgerechnet der Bundesregierung Entscheidungsgewalt darüber zugestehen, was als Fake News zu brandmarken sei?
Die Theorie, dass es jungen Wählern an Abstraktionsvermögen fehlt, TikTok-Inhalte politisch einzuordnen, entbehrt selbstverständlich nicht einer gewissen Überheblichkeit. Es ist dieselbe Überheblichkeit, mit der Politiker sich Fehler eingestehen - dann sagen sie nämlich nicht ,,Die Idee war schlecht", sie sagen ,,Man muss die Politik den Menschen besser erklären." Heißt im Klartext: ,,Die Menschen waren einfach zu doof, meine Politik zu verstehen".
Dasselbe plumpe Argumentationsschema wird zutage gefördert, wenn Statistiken hervorgekramt werden, laut denen Akademiker vor allem für die Grünen gestimmt hätten. Ein Kommentator schreibt dazu: ,,Wer die Welt um sich herum versteht, der würde niemals AfD wählen." Hier wird die Wertigkeit der Wahlentscheidung abhängig vom Bildungsgrad gemacht. Elitärer geht es kaum. Angesichts der Tatsache, dass im Arbeitermilieu und bei geringer Verdienenden die AfD besonders gut abschnitt, bedeutet eine solche Argumentation im Kern immer auch ,,Proletariat = doof".
Die Wahrheit ist: die Bilanz der Ampelregierung ist bis hierhin desaströs. Seit dem Krieg in der Ukraine befinden wir uns in einer nicht enden wollenden Abwärtsspirale, die Wirtschaft ist eingebrochen, Inflation raubt den Leuten Flexibilität, Möglichkeiten zum Überleben, den Verstand. Aus moralischen Gründen boykottieren wir den Einkauf von Gas aus Russland, nur damit wir dann feststellen, dass wir nicht einfach mal so auf Gas verzichten können. Also putzen wir die Klinken bei Ländern wie Katar, während wir sie zeitgleich öffentlich bei der WM für politische Unzulänglichkeiten zu ächten, nur um dasselbe russische Gas dann über Drittländer zu kaufen - zu deutlich höheren Preisen.
Die Grünen, die im Wahlkampf 2021 noch ,,Keine Waffen in Kriegsgebiete" plakatierte, steht jetzt Seite an Seite mit der FDP im Kampf um die immer schärfere Aufrüstung der Ukraine. Der Widerstand der Kanzlerpartei dagegen ist nur mäßig: der SPD-Verteidigungsminister fabuliert bereits lüstern von einem remilitarisierten, kriegstüchtigen Deutschland - einem Staat, in dem junge Leute sich das Recht erkämpften mussten, nicht sinnlos für das eigene Land in den Krieg geschickt zu werden. Was soll das sein, ein Land, dass es ernstlich wert wäre, dafür zu sterben? Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler plädierte im Interview mit Gabor Steingart kürzlich darauf, ukrainische Geflüchtete, die sich derzeit lieber auf ,,deutschen Autobahnen" aufhalten würden, in die Ukraine an die Front zu schicken. Abschieben in ein Kriegsgebiet. Nicht mit dem Ziel, die Ukraine zu schützen, sondern Putin zu schaden. Der Mann ist SPD-Mitglied.
Wie kann es sein, dass ausgerechnet Arbeiter und weniger gut situierte Menschen eine nationallibertäre Partei wählen, die vor allem den höheren Einkommens- und Vermögensklassen zu erheblichen Steuervergünstigungen verhelfen will? Sind die wirklich so doof? Oder spricht daraus nicht in Wahrheit etwas anderes, nämlich dass sie gar keine Hoffnung mehr haben, von den lauten sozialpolitischen Versprechungen der großen Parteien profitieren zu können? Die Sozialpolitik der AfD ist keine - die Sozialpolitik der sogenannten ,,etablierten Parteien" behauptet, alles zu sein, und ist vielerorts eben doch nur ein Bürokratieungetüm, das regelmäßig an die Grenzen der Menschenwürde gerät.
Natürlich ist der Wähler selbst für seine Wahlentscheidung verantwortlich. Doch in einer Welt, die in Schwarz und Weiß einteilt, fühlt man sich zu wohl im eigenen lauschig-warmen Meinungskorridor, als noch nach Ursachen zu fragen. Eine Kernursache ist: vielerorts sind offenkundige Probleme aus Gesinnungsgründen schlichtweg nicht angesprochen worden. Ja, die Kommunen waren und sind überfordert mit der Zahl der ankommenden Geflüchteten in den letzten zehn Jahren. Nein, es hat nicht automatisch mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, dies zu konstatieren - es steckt darin vor allem die Feststellung einer Politik, die sehenden Auges und wider besseres Wissen die Ankunft einer solch beträchtlichen Menge an Menschen nicht genügend vorbereitet hat. Leider entsteht aus der Sorge immer dann auf Dauer ein Ressentiment, wenn das arglose Adressieren der Sorge als verdächtig, anstößig, potenziell gefährlich geframed wird. Und natürlich sind Menschen mit Ressentiments empfänglich für einen Populismus, der dieses Ressentiment bedient.
Was also ist die Lösung? Es bringt offenbar nichts, die AfD und alle ihre Wähler in die Pfuibäh-Ecke zu verbannen und ihnen pauschal Nazismus zu unterstellen. Genauso wenig bringt es, im selben billigen Becken zu fischen wie Weidel und co. - diese Anbiederung, wie wir sie zuletzt vor allem von Olaf Scholz hörten, der plötzlich vom Abschieben ,,im großen Stil" spricht, führt nicht dazu, dass sich AfD-Wähler wieder den etablierten Parteien zuwenden, von denen sie enttäuscht wurden. Die Wähler erkennen den Trick - und entscheiden sich für das Original.
Das effektivste Werkzeug gegen Rechtspopulismus ist gute Politik. Sich gegen die Macht der einfachen Lösung zu wenden heißt, bessere Lösungen anzubieten - wenn nicht gar Problemen vorzubeugen. Hier haben unsere letzten Regierungen, vor allem jedoch die Ampel, ihr großes Defizit: in ihrer Theorienarmut. Wer sein vermurkstes Heizungsgesetz eineinhalb Jahre später als ,,Experiment" beschreibt, ist als Wirtschaftsminister völlig ungeeignet. Die Bundespolitik ist keine weiße Leinwand, auf der man probehalber etwas herumkritzeln und dann wieder wegradieren kann. Jede Entscheidung zieht Spuren in den Sand, die für einzelne womöglich Jahrzehnte nachwirken. Wer als Vizekanzler und Minister noch an achtzig Millionen Menschen experimentieren muss, hat offensichtlich kein System.
Das beharrliche Berufen auf den guten Willen allein kann die Fehltritte nicht kaschieren, wenn es an Fehlerkultur mangelt. Und wer als Beobachter den offensichtlichen Fehler in der Umsetzung als solchen benennt, nur um sich dann als Gegner der Idee dargestellt zu sehen, der wird irgendwann den Mut verlieren, zu versuchen, sich produktiv zu beteiligen. Und natürlich kann man diese Leute aus dem Elfenbeinturm heraus beleidigen - sie als Nazis, Demokratiefeinde, Schwachköpfe darstellen. Überzeugen wird man sie damit wohl eher weniger. Wer schließt sich schon freiwillig einer Clique an, die einen verleumdet?
Wir reden seit Jahren über eine Spaltung der Gesellschaft. Die realen Effekte dieser Spaltung werden sichtbarer mit jeder Wahl, mit jedem dickköpfig geführten Diskurs, mit jedem abgebrochenen Kontakt - jeder für sich eine kleine Kapitulation. Wer sich selbst als aufgeklärt, nachdenklich und informiert betrachtet, ist jetzt mehr denn je gefragt, diesem Ruf gerecht zu werden. Dies gelingt nur, indem wir, die wir uns als Zentristen, links der Mitte - oder einfach als Gegner dessen, was wir Rechts nennen, betrachten, folgende Frage stellen:
Wenn wir so weit auseinander gedriftet sind, sollten wir nicht vielleicht zumindest in Betracht ziehen, dass auch wir selbst die eine oder andere merkwürdige Abbiegung genommen haben?
13.06.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
Kommentare
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Mr.T14.06.2024 19:01Wahre Worte, gelassen ausgesprochen. Vielen Dank lieber Bent- Erik für diese gelungene Analyse. Du bist ein absoluter Hoffnungsschimmer im deutschen Journalismus.Antworten
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