Empört Euch endlich

Empört Euch endlich

Die ARD hat einen Rat berufen. Diesmal einen für die eigene Zukunft.
Dieser (ja, maskulinum) unter der Leitung der Medienmanagerin (femininum) Julia Jäkel hat aber den Auftrag nicht verstehen wollen und einfach seinen Job gemacht.
Das gefällt außer den Bürgern mal wieder Niemandem.
Und der Bürger schläft. Was Kai Gniffke freut. Wenn Sie den nicht kennen: ok!

Von Kai Blasberg
Sie lesen meine Kolumne. Prima!
Das zeigt, wie klug Sie sind.
Denn das muss man sein, um sie zu verstehen.
Ich schreibe nicht für Dummköpfe.
 
Bitte folgen Sie mir in einen Gedanken, der banal klingt, aber unser Leben als miteinander verbundene Gesellschaft gefährdet und von enormer Wichtigkeit für unsere Zukunft ist.
 
Eine Geschichte des Opportunismus und des Faschismus, der Dummheit und einer empörenden Gleichgültigkeit, die in meiner Generation in einem Leitsatz gipfelt: 
,,Wat willzn machen, kannze nix machen".
 
Bevor Sie sich gleich selbst bei wegwerfenden Handbewegungen und geistigem Abschalten erwischen: ich schreibe hier als Bürger und nicht als Lobbyist von Privatfernsehen.
Zumal ich da vor langer Zeit die zerschundenen Segel gestrichen habe.
 
Es geht um die von unseren Abgaben finanzierten Inhalte, die von ARD und ZDF und ihren Kindern den Gesellschaftsfeinden von Google nonchalent, duckmäuserisch und beifallheischend kostenlos vor die Füße geworfen werden.

Dieser götzenanbetungsgleiche Wunsch und Komplex, die spät endeckten, weil längstens missachtet geglaubten verschiedenen ,,Zielgruppen" zu erreichen und zu begeistern.
 
Wohlgemerkt: ein Massenmedium hat keine Zielgruppen, denn es zielt auf die Masse.
Erst recht, wenn dadurch keine Finanzierung entsteht.

Eine Zielgruppe wiederum hat keine Zahlen-, sondern wenn überhaupt, Verhaltensmerkmale und Ähnlichkeiten und sogar Gleichheiten.
 
Das heißt, eine Zielgruppe kann nicht Vierzehn bis Neunundvierzig sein, aber sehr wohl hundebesitzend.

Oder, wenn ich Funk bei youtube schaue, weil mich der Inhalt interessiert, ich aber 59 bin, versaue ich nicht den Schnitt, sondern die Redaktion hat ihren Job gemacht.

Rein philosophisch ist die Zielgruppe aber vor allem eines: irrelevant!
Und für Inhaltemacher tötlich, arbeitet sie doch am Unerreichbaren.

Diese Masse, also Alle, Viele, die Meisten, hat das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt immer erreicht.
Mittlerweile sollen rund 10 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Nicht für immer.
Sondern in einem Jahr!

Allerdings verfiel dieses System vor etwa 30 Jahren in panische Schockstarre, weil die entwickelten Privatsender es geschafft hatten, Ihre Stärken als Stärke für Alle reklamieren zu können. Was nie mehr als nur eine Behauptung war.
Sie waren bei den jüngeren Zuschauern erfolgreicher.
Das waren wir. Die heutigen Boomer. Die Zahl der heutigen Jungen ist freilich halbiert.

Die Platzhirsche lächelten erst und beschäftigten sich nicht; dann lächelten sie nicht mehr und waren verbiestert, dann fingen sie an hinterherzurennen.

Das Ergebnis: Bei allen Zuschauern ist das ZDF jetzt Erster, ist aber mit 2.5 Milliarden, finanziell paradiesisch ausgestattet, programmiert wie ein Privatsender.
Allerlei Sokos, allerlei Bares, allerlei Rosenheim.
Eine riesengroße, weitgehend irrelevante Recyclingmaschine mit ein bisschen uraltbewährten Mainstreaminformation.
 
Der Komplex, es den ,,Jungen" nicht mehr recht machen zu können, führt zu dem in der Öffentlichkeit unbeachteten Tatbestand, dass sich youtube, die übelste alle Google-Töchtern, über edelste Programmware aus bürgerfinanzierter Hand, gratis zu Verfügung gestellt, australiengroße Löcher in den Bauch freut, wie blöde man wohl sein könne auf Seiten der Deutschfunker?
 
Trägt doch dieser mit steifer Inbrunst betriebene Hochrein-Opportunismus die Handschrift der renommierten Blockparteien der in den Achtzigern sterbenden DDR.
 
Und jetzt kommt also der Zukunftsrat und fragt, wer denn auf Auftraggeberseite überhaupt noch um die Existenz von Tassen, die in Schränken standen, wisse. 
Zugegeben: der Satz braucht etwas.

Stellen Sie sich einmal vor, Ihre Partnerin oder ihr Partner geht fremd.
Würden Sie die Hotel-Suite buchen?
Den Champagner kaltstellen lassen?
Kondome kaufen?
Wenn ja, wäre ein Besuch bei einschlägigen Psychologen ratsam.
Mit Ihrem Selbstwertgefühl läge manches im Argen.
 
Diese beschädigte Psychologie jedoch durchzieht das öffentliche-rechtliche Rundfunksystem seit ihren selbsterklärten Dauerniederlagen im Kampf um den Götzen Jugend in den Neunzigern und Nuller-Jahren.
Man besann sich nicht auf seine Stärken, tolles Programm, des Preises wert produzieren zu können, sondern taktierte, wich aus, formulierte neu.
Verbannte, gründete, zweifelte, verwarf. Raus kamen Krimis.
Alles bis aufs tiefste durchkontrolliert, dauerkritisiert, hadernd, verzweifelt.
Wann fanden sich einmal selbstbewusste, selbstvertraute Leader dieser Organisationen, die sagten: folgt mir. Ich weise Euch den Weg.
 
Nein, zutiefst durchdrungen vom Gedanken, die ,,Jungen" nicht zu erreichen, gründete man zunächst unbudgetierte Sender á la ZDFneo, um sie anschließend doch wieder nur dem Diktat der Zahlen zu unterwerfen und zu Wiederholungsorgeln zu degradieren.
Nun also kulminierte diese Krankheit des System bei Google.

Der Zukunftsrat hat diesen Umstand erkannt und benannt.
Er fordert vom System nicht weniger als seine Selbstabschaffung und Neuerfindung.
Sich im Namen des Vaters (den Bürgern) zu opfern, um Wiedergeboren werden zu können.
Das kennen wir von einem Mann aus Nazareth.

Die Reaktionen aus Sendern und Politik sind seltsam still, verhandelt wird aktuell über noch mehr Geld für das System, das jetzt sterben soll, damit es leben kann.

Und alle fragen sich: welcher Idiot hat diesen Rat gewollt.

Natürlich kann man mit den handelnden Personen diesen Prozess nicht bewältigen.

Friedrich Merz hat einmal gesagt: ,,Wer einen Sumpf trockenlegen will, sollte nicht die Frösche fragen". Ich bin so wenig Fan von Merz als auch von Tiervergleichen, aber es passte gerade.

Nicht einmal mehr im Ansatz ist bei den Hütern des Systems erkennbar, dass man sich selbst zutraut, große, starke, für sich selbst sprechende Einheiten zu schaffen und zu pflegen.
Für viel weniger Geld.

Dafür schaffen Sie Räte. Sowas hat noch nie weh getan.

Der nächste Schritt muss sein, dass sich in der Wortwahl ein winziger Buchstabe ändert.
Aus Rat wird Tat.

Denn: Auch Frau Jäkel und Kollegen wissen genau, dass von ihren klugen und richtigen Empfehlungen nur umgesetzt wird, was Niemandem Schmerz abverlangt.

Und so schütten Sie weiter fleißig die Kamelle ins Internet, träumend von gemeinsamen technischen Plattformen, deren Gründung sie Dekade um Dekade verpassen.
Getreu dem seltsamen Tun eines namenlosen 100 m-Läufers:
er amputiert sich in einer Trainingspause das rechte Bein und lädt die geifernden Zombies zur Fußpflege.
 
Schütteln Sie da mit dem Kopf?
Ich schon!

15.02.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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