Freiheit für Wattenscheid

Freiheit für Wattenscheid

Grönland hat gewählt, doch es bleibt (noch) grönländisch. Ob die amerikanische Politik bei der weiterhin verlockenden Einverleibung Grönlands wohl an Willy Brandt und seinen Satz ,,Wir wollen mehr Demokratie wagen." dachte? Der alte Fuchs und Nobelpreisträger Brandt jedenfalls zeigt sich in der aktuellen Weltpolitik aktueller denn je.

von Alexander Kira
Der neueste Selenskyj Eklat hat die Europäische Politik in eine Schockstarre versetzt. Aus dem Weißen Haus herausgeflogen ist lange keiner mehr, außer er hat es beim kalifornischen Weißwein übertrieben. Überall häufen sich Krisen und die amerikanische Administration löst ihre Wahlkampfversprechen ein. So etwas überrascht Berufspolitiker naturgemäß und versetzt die europäische Union in eine Schockstarre. Die Umbenennung des Golfs von Mexiko in Golf von Amerika und die Eingemeindung Grönlands sind nur zwei weitere Beispiele. Schockstarre muss aber nicht sein. Auch hier gilt ,,agieren statt reagieren". Wie das geht - das lehrt uns Willy Brandt und ist aktueller denn je.

Manche seiner Sätze klingen so wahr und leicht, doch bergen sie Sprengstoff in sich: ,,Wir wollen mehr Demokratie wagen." ist so ein Satz. Jetzt wird erst klar, welche Sprengkraft in ihm liegt: Umfragen zufolge wollte eine Mehrheit der Grönländer gerne der Einladung der USA auf einen Anschluss folgen. Mal die Aussagekraft einer Umfragen mit 416 Befragten bei nur 56.000 Einwohnern nicht hinterfragend steht fest: Die Wahlen in Grönland haben dieses Ergebnis nicht bestätigt - ihm aber auch nicht widersprochen. Zugleich zeigt die von den USA angestoßene Diskussion ungeahnte Möglichkeiten in der Weltpolitik auf. Denn die etwas von der Welt vergessenen Grönländerinnen und Grönländer sind nicht die einzigen, die zukünftig die Weltbühne für sich nutzen könnten.

Die Katalanen rund um Barcelona zum Beispiel könnten ihren ewigen Kampf um Unabhängigkeit vom Königreich Spanien nun endlich unkompliziert beenden: Sie müssten bloß nicht für eine Ablösung von Spanien, sondern für einen Anschluss an die USA abstimmen. Mit einem solchen Verbündeten wäre ihre Ablösung von Spanien nur noch eine reine Formsache und der Cuba Libre würde fortan als Barcelona Libre mit Cava aufgefüllt. Schotten, Flandern und Quebecker würden mit Whiskey, Trappistenbier und Caribou folgen. Insbesondere könnte jedoch der wohl wichtigste und auf das erbittertste geführte, doch von den Medien leider vergessene, Konflikt der bundesdeutschen Geschichte endlich gelöst werden. Wir alle wissen, es kann nur einer sein: Freiheit für Wattenscheid. Vor die Wahl gestellt, weiterhin das seit 1975 knechtende Joch der Bochumer Zentralverwaltung zu ertragen - oder sich dem ,,Land of the free" anzuschließen, dürfte es für die freiheitsliebenden Wattenscheider wohl kein Zögern geben. Zudem hat Wattenscheid über 73.000 Einwohner, wäre mithin deutlich attraktiver für die USA als Grönland mit seinen tausenden mehr an Freiheitsfreunden. Und sage bitte keiner, dass Grönland und Wattenscheid wegen der Rohstoffe nicht vergleichbar seien. Es wäre nur eine Frage von Tagen und die Wattenscheider Kumpel hätten den Förderturm der alten Zeche Holland im Stadtzentrum wieder flott gemacht und das schwarze Gold des Ruhrgebietes würde in die Loren purzeln, dass es nur so staubt wie 1975.

Ganz nach den Grundsätzen der Spieltheorie jedoch wirken Spielregeln mal für die eine und dann auch für die andere Seite. Sprich - sie können ungeahnte Folgen mit sich bringen. Schonmal drüber nachgedacht, warum New York ,,Neu" York heißt und es auch vor Amsterdam ein Ha(a)rlem gibt? Warum heißt der Hamburger Hamburger und ausgerechnet das andere Symbol amerikanischer Esskultur ,,Heinz" Ketchup? Eine Name so deutsch, dass er selbst den Deutschen zu deutsch ist.

Warum also kompliziert, wenn es auch einfach geht, warum reagieren, wenn man doch schon längst agiert hat. Was in Grönland noch geübt wird ist den USA schon Realität. Karlsruhe, Bremen, Berlin - und sogar Meppen. Die Liste deutscher Städtenamen in den USA ist schier endlos und belegt: Deutschland ist bereits da! Wir müssen nun auch diesen Brüdern und Schwester, getrennt durch die unerbittliche Mauer aus Wasser, zurufen: Wir haben Euch nicht vergessen! Noch besser, wenn wir unsere niederländischen Nachbarn ins Boot holen. Man stelle sich vor, wie sie den stolzen Bewohnern des früheren New Amsterdams zurufen, dass ihre niederländischen Pässe nebst Krankenversicherung im Rathaus von Amsterdam bereitliegen! Dann wäre ein Zeichen gesetzt, dass mit Europa wieder zu rechnen ist. Ulla Van der Leyen hätte dann beim großen Pokerspiel ein Blatt in der Hand, was ihr zumindest ein kaum sichtbares Lächeln in die Mundwinkel zaubern würde. Und ,,Willy Brandt ans Fenster!" wäre nicht der Ruf, mit dem man devisensparend die Minibar schonen wollte - sondern wieder der Ruf, der versöhnt, statt spaltet und die Welt zusammenbringt. Und Wattenscheid. Frei nach dem Motto: ,,Wir wollen mehr Demokratie wagen!"

17.010.2024
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.

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