Kräftig geschüttelt, aber nicht gerührt!
Die Welt ist in Aufruhr. Die Börsen beben, Regierungen wanken, und die Extremisten gewinnen immer mehr an Kraft. Der Liberalismus scheint am Ende. Friedrich Merz belügt seine Wähler, Erdogan inhaftiert seinen Widersacher, Putin lacht sich ins Fäustchen und Donald Trump hält sich an keine Regeln. Niemand scheint zu wissen, wohin die Reise geht. Das narzisstische Zeitalter hat begonnen.
von Serdar Somuncu
von Serdar Somuncu
Selten habe ich so viel Ungewissheit unter Orientierungslosigkeit erlebt wie in den vergangenen fünf Jahren. Durch Corona und die Folgen dieser selbst beschworenen Krise sind die Dinge gehörig durcheinander gekommen und wir leben in einer Zeit der Unberechenbarkeit, in der jeden Tag neue Meldungen verkündet werden und die Reaktion darauf von Hysterie bis Panik reicht. Unsere Gesellschaft scheint nicht darauf vorbereitet zu sein, mit den Folgen ihrer eigenen rasanten Entwicklung umgehen zu können. Es wirkt so, als wäre ein Raumschiff aus der Zukunft, geladen mit technischen Endgeräten, im Mittelalter gelandet. Wir verfügen über Smartphones und Tablets, aber wir haben die Mentalität von Mistgabeln und Fallbeil. Was bräuchte es, damit aus dieser Krise eine Gesellschaft hervorgeht, die dazu imstande ist, aus ihren Fehlern zu lernen und das Gelernte effektiv anzuwenden? Vor allem Bildung, denn daran mangelt es schon seit langer Zeit. Viele Menschen glauben alles und wissen nichts. Das, was ihnen als Wahrheit serviert wird, ist oft nichts anderes als ein Surrogat der Realität. Ob es die Kriege sind, die wir führen, die Waffen, die wir liefern, oder der Profit, den wir daraus schöpfen. Schon längst hat der moderne Mensch den Überblick darüber verloren, wann er selbst Teil einer Maschinerie ist, die ihn ausnutzt, um damit Unheil anzurichten. Der Schmierstoff für diese Ignoranz ist der Gedanke, erhaben zu sein über die Folgen der eigenen Versäumnisse.
Denn das, was wir gerade erleben, ist nicht einfach aus heiterem Himmel auf uns gekommen, sondern an vielen Krisen der Welt sind die Menschen der angeblich modernen westlichen Gesellschaft maßgeblich beteiligt. So haben wir viel zu lange weggeschaut, wenn diktatorische Systeme sich aufbauen und entfalten konnten, und erst dann reagiert, als sie uns bedroht haben. Der Rückschluss, den nun vor allem die intellektuelle und ehemals linksorientierte Fraktion daraus zieht, ist ein Zurück zu den Ideen des vorvergangenen Jahrhunderts. Aufrüstung und mehr Vertrauen in die eigene Wehrhaftigkeit statt Dialogfähigkeit und Diskursbereitschaft. Das ist eine dramatische Verschärfung des Klimas, denn sie führt geradewegs in die Kompromisslosigkeit. Ähnlich wie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erleben wir eine Kriegslüsternheit wie selten zuvor. Denkbegabte Menschen fangen plötzlich an, vollkommen irrationales Zeug zu reden. Sie rechtfertigen ihre eigene Angststrategie mit einem Sinn für das Ganze und versuchen, ihre Gegnerschaft durch moralische Argumentation und Beschuldigungen in die Ecke zu drängen. Dabei ist offensichtlich, dass es für das, was gefordert wird, keine Rechtfertigung geben kann. Denn es ist nichts anderes als eine Eskalationsspirale, die man betreibt, wenn man nicht zurück an den Verhandlungstisch kehrt, sondern immer weiter in Waffen investiert. Diesen Hang zur Autorität scheinen die Despoten der Neuzeit entdeckt zu haben, und sie wissen, wie sie damit umzugehen haben. Während sie auf der einen Seite jeglichen Widerspruch verbieten, können Sie auf der anderen Seite schalten und walten, wie sie wollen. Sie marschieren in fremde Länder ein, inhaftieren ihre politischen Gegner oder stellen jegliche Vernunft infrage, indem sie ihre Entscheidung nur noch im Affekt und nicht in der Überlegung treffen.
Mehr denn je sind die Vernünftigen den Entscheidungen der Wahnsinnigen ausgeliefert, die ihren Rausch ausleben, als wären sie besessen von der Idee, die Zerstörung der zivilen Menschheit zu riskieren. Gleichzeitig fehlen Instanzen, die den Menschen moralische und ethische Grenzen aufzeigen könnten. Die Kirche ist um Schadensbegrenzung bemüht, schließlich hat sie in den letzten 300 Jahren nichts anderes getan, als Dogmen aufrechtzuerhalten, die nicht mehr zeitgemäß waren. Die Kunst versteckt sich hinter der Politik aus Angst davor, dass sie sanktioniert werden könnte, und große Teile der intellektuellen Oberschicht streiten lieber um Empfindsamkeit als um Möglichkeiten der Freiheit. Nichts von alledem ist produktiv und erst recht nicht zielführend. Solange die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens gekappt sind und geopfert werden, um damit Eitelkeit und Selbstgefälligkeit zu befriedigen, solange werden wir auch keine Fortschritte machen, die uns mit den Einflüssen der modernen Technologie ebenbürtig sein lassen. Uns fehlen die richtigen Antworten.
Es ist allerhöchste Zeit für Besinnung.
11.04.25
©Serdar Somuncu
Das neue Buch - Lügen -Kulturgeschichte einer menschlichen Schwäche"
*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
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Denn das, was wir gerade erleben, ist nicht einfach aus heiterem Himmel auf uns gekommen, sondern an vielen Krisen der Welt sind die Menschen der angeblich modernen westlichen Gesellschaft maßgeblich beteiligt. So haben wir viel zu lange weggeschaut, wenn diktatorische Systeme sich aufbauen und entfalten konnten, und erst dann reagiert, als sie uns bedroht haben. Der Rückschluss, den nun vor allem die intellektuelle und ehemals linksorientierte Fraktion daraus zieht, ist ein Zurück zu den Ideen des vorvergangenen Jahrhunderts. Aufrüstung und mehr Vertrauen in die eigene Wehrhaftigkeit statt Dialogfähigkeit und Diskursbereitschaft. Das ist eine dramatische Verschärfung des Klimas, denn sie führt geradewegs in die Kompromisslosigkeit. Ähnlich wie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erleben wir eine Kriegslüsternheit wie selten zuvor. Denkbegabte Menschen fangen plötzlich an, vollkommen irrationales Zeug zu reden. Sie rechtfertigen ihre eigene Angststrategie mit einem Sinn für das Ganze und versuchen, ihre Gegnerschaft durch moralische Argumentation und Beschuldigungen in die Ecke zu drängen. Dabei ist offensichtlich, dass es für das, was gefordert wird, keine Rechtfertigung geben kann. Denn es ist nichts anderes als eine Eskalationsspirale, die man betreibt, wenn man nicht zurück an den Verhandlungstisch kehrt, sondern immer weiter in Waffen investiert. Diesen Hang zur Autorität scheinen die Despoten der Neuzeit entdeckt zu haben, und sie wissen, wie sie damit umzugehen haben. Während sie auf der einen Seite jeglichen Widerspruch verbieten, können Sie auf der anderen Seite schalten und walten, wie sie wollen. Sie marschieren in fremde Länder ein, inhaftieren ihre politischen Gegner oder stellen jegliche Vernunft infrage, indem sie ihre Entscheidung nur noch im Affekt und nicht in der Überlegung treffen.
Mehr denn je sind die Vernünftigen den Entscheidungen der Wahnsinnigen ausgeliefert, die ihren Rausch ausleben, als wären sie besessen von der Idee, die Zerstörung der zivilen Menschheit zu riskieren. Gleichzeitig fehlen Instanzen, die den Menschen moralische und ethische Grenzen aufzeigen könnten. Die Kirche ist um Schadensbegrenzung bemüht, schließlich hat sie in den letzten 300 Jahren nichts anderes getan, als Dogmen aufrechtzuerhalten, die nicht mehr zeitgemäß waren. Die Kunst versteckt sich hinter der Politik aus Angst davor, dass sie sanktioniert werden könnte, und große Teile der intellektuellen Oberschicht streiten lieber um Empfindsamkeit als um Möglichkeiten der Freiheit. Nichts von alledem ist produktiv und erst recht nicht zielführend. Solange die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens gekappt sind und geopfert werden, um damit Eitelkeit und Selbstgefälligkeit zu befriedigen, solange werden wir auch keine Fortschritte machen, die uns mit den Einflüssen der modernen Technologie ebenbürtig sein lassen. Uns fehlen die richtigen Antworten.
Es ist allerhöchste Zeit für Besinnung.
11.04.25
©Serdar Somuncu
Das neue Buch - Lügen -Kulturgeschichte einer menschlichen Schwäche"
*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
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Was wir brauchen, ist nicht das larmoyante Klagen über einen angeblich „narzisstischen Zeitgeist“, sondern eine klare Linie: außenpolitisch fest, innenpolitisch stabil, wirtschaftlich leistungsfähig und gesellschaftlich wehrhaft! Das nennt man Staatskunst – nicht das Gefasel von Endzeitstimmung und moralischer Dekadenz!