Menschenfeinde
Die AfD hat ihren Parteitag in Essen. Draußen protestieren Zehntausende gegen rechts. Drinnen offenbart sich eine Leichenhalle der Gedanken. Von Politik oder Ideen keine Spur. Es regiert Häme, Spott und Menschenverachtung. Wer die wählt, weiß, was er tut. Kai Blasberg ist einigermaßen fassungslos.
Ich habe es wieder getan. Zum dritten Mal nacheinander habe ich stundenlang bei phoenix live der Trümmertruppe der AfD beim Böse sein zugeschaut. Diesmal war Vieles ganz anders als sonst. In den Jahren davor offenbarte sich das Chaos. In Gedanken, in Strategien, in Politik und Handlung. Die können es nicht. Die werden es nie können. Die AfD dieser Vergangenheit war eine zerstrittene Melange aus Zivilversagern, Frustrierten und Mäandertalern mit deutlich über 35 BMI. Man beschimpfte und beharkte sich wie in einem Theaterstück, das Hieronymus Bosch so geschrieben hätte, wäre er nicht Maler gewesen. Eine Ansammlung von Gescheiterten, die fast schon erotische Lust an der Unterwerfung des Parteifreundes verspüren. Von diesem Affenzirkus ging wahrlich keine Gefahr aus. Dachte ich bis Samstag.
Jetzt präsentierte sich diese reine Männerpartei absichtlich zivil und diszipliniert. Natürlich nur für die Verhältnisse, die immer noch in diesen bösen Menschen herrschen. Es gab eine Regie. Das merkte man immer wieder. Denn, aber das bekommt nur mit, wer sich diese Qual über Stunden antut, das Böse war überall. Und immer wieder blitzte es hervor. In spontanen, hyperaggressiven, abkanzelnden Redebeiträgen, in close-ups der Saalkameras von den überernährten, gelangweilten und von Verachtung zerfressenen Gesichtern. Gesichtern der Wut. Denn: die AfD hatte einen Rückschlag erlitten. Trotz der im Moment desaströsen Innenpolitik aller ,,Altparteien", wie die AfD ihre Konkurrenz nennt, wuchsen die Bäume der rechtsradikalen Menschenfeinde nicht in den Himmel. Unter 16 % war nicht das, wovon die dicken Männer träumten, ja phantasierten. Sämtliche Freunde aus dem Ausland fahren das Doppelte ein. Ob in Holland, Österreich oder Frankreich. Ganz zu schweigen von Italien. Das Musterland in Schwarz-Rot-Gold schwächelt. Folglich waren die Vorstandswahlen lust- wie alternativlos, es war abgesprochen, was passieren sollte. Nur dem selbstgefühlten Heiland der neuen deutschen Bewegung, dem pathologischen Narzissten Björn ,,Bernd" Hoecke, war seine Missstimmung deutlich anzumerken. Eine Doppelspitze ist ihm ein Graus, wie ihm alles ein Graus zu sein scheint, was in der Bundes-AfD vonstatten geht. Eine Lesbe, die im Ausland mit einer Asiatin lebt und ein Handwerkertrottel aus dem Osten: das ist nicht das, was sich Kulturfeind Hoecke unter deutscher Führung vorstellt.
Aber: er muss Ruhe bewahren. Würde er sagen, was er meint, riefe der Rausschmiss. Denn einen hochreinen Faschisten kann sich die um Bürgerlichkeit ringende Gesamtpartei nicht leisten. Höchstens in Thüringen. Wen juckt das schon. Das weiß er. Er litt Todesqualen. Ein psychologisch geschulter Mimikleser hatte an diesem Samstag seine helle Freude an der wächsernen, puppenhaften und vollständig verweichlichten Visage dieses Kretins.
Die verachtete Frau Weidel hämte, der Malermeister Chupalla protzte, der Fettsack Stefan Brandner, eine Art Hermann Göring der Neuzeit, trug in gewohnter Manier seine spöttische Verachtung all dessen, was Moderne ausmacht, offen zu Tage. Und selbst ehemals Gemäßigte, wie der Ex-Sozialdemokrat Kai Gottschalk, ein wie alle anderen auch gescheiterter Wutbürger reinster Güte, überschreitet die jahrelang selbstgesteckten Grenzen, um gespielt keifend und hysterisch schreiend, noch ein warmes Plätzchen im Vorstand zu erhaschen. Dass diese Leute sich untereinander spinnefeind sind, quoll aus allen Poren und Ritzen. Doch: nichts davon in der Berichterstattung. Im Gegenteil. Niemand nahm sich des Umstands an, dass es in dieser Partei gar nicht um Deutschland geht. Dass es ihr nicht um Inhalte, Konzepte, Strategien oder gar Alternativen für die Zukunft geht. Nein. In der gesamten Zeit wurde nur Politik an sich verächtlich dargestellt. Persönliche Beleidigungen als Massenware wurde vorgeführt, niemand stellte eine einzige inhaltliche Frage. Dabei ist es so leicht, diese Gurken genau da auseinander zu nehmen. Wenn Politik der Zukunft daraus besteht, wer den Konkurrenten am bösartigsten erniedrigen kann, ist die AfD erste Wahl. Wenn es aber deutschen Journalisten mal gelingen würden, den handelnden Personen auch mit Nachfragen auf den Leib zu rücken, würden die erstens tun, was ihre Aufgabe ist und zweitens gäbe es die Chance, die Luftblase AfD zum Platzen zu bringen. Diese Partei ist mausetot. Sie kämpft für Nichts. Sie möchte den verhassten Staat okkupieren, damit es ihnen selbst gut geht. Die Männer der AfD sind exakt das, was sie bei den anderen unterstellen. Spesenritter und Schwafelkönige, Faulpelze und Motzbeulen übelster Provenience. Ihre ersten beiden Kandidaten für die EU-Wahl sind offensichtlich kriminell, die anderen Rechtsradikalen schmissen sie aus ihrer Fraktion. International muss die braun-blaue Suppenkaspertruppe um Anschluss bangen. Die Nationalisten wollen sich ,,Patrioten Europas" nennen. Welch Idiotie. Die Männer der AfD sind Sexisten. Rassisten. Nationalisten. Sie haben ein faschistisches Weltbild, in dem nur die Herkunft und das freie Spiel der Kräfte Bedeutung hat. Alles, was Minderheit ist, ist ihr Feind. Auf Studenten, Alleinerziehende, arme Rentner, alles, was Hilfe braucht, alles was besonderen Schutz benötigt, hämmert diese Partei gnadenlos ein. Da selbst so randständig, sie zutiefst gekränkt über ihr eigenes Scheitern mitten in der Bürgerlichkeit sind, sinnen sie um Rache. Das zeichnet Rechte ja aus. Am eigenen Dasein muss jemand anderes Schuld sein, wenn etwas nicht läuft. Sie sind immer nur gegen etwas. Gegen Bürgergeld. Gegen Ausländer. Gegen Messer. Gegen Massenvergewaltigung. Gegen Krieg. Gegen Radwege in Peru. Das Weltbild der Männer der AfD entspricht dem einer katholischen Gesangslehrerin im Kolpinghaus Wipperfürth im Deutschland des Konrad Adenauer. Die Schlechtlauner sind übrigens fast alle im Westen gescheitert und haben Erfolg im Osten. Sie sind für ein nie gewesenes Deutschland und labern was über Europa. Sie sind homophob und werden durch eine lesbische Frau vertreten, die lieber in der Schweiz wohnt als in Deutschland. Wo man hinschaut himmelschreiende Widersprüche. Doch Merz, Söder und Konsorten stellen sich aufs Trittbrett der in die falsche Richtung fahrenden Dampflock der Gestrigkeit.
In einer jüngst erschienen Studie über die Lese- und Schreibkompetenz deutscher Erwachsener zwischen 18 und 64 Jahren wurde festgestellt, dass ein Drittel davon über die Fähigkeit durchschnittlicher Grundschulabgänger nach der vierten Klasse verfügen sollen. Die These, dass hier die Pantoffeltierchen namens Wähler der AfD im Übermaß zu finden sein werden, ist nicht sonderlich kühn. Beschäftigen wird sich damit freilich niemand. Denn dort ist das, was damals Sigmar Gabriel treffend wie folgenlos beschrieb: ,,Wir dürfen uns nicht zurückziehen in die Vorstandsetagen, in die Sitzungsräume. Unsere Politik wirkt manchmal aseptisch, klinisch rein, durchgestylt, synthetisch. Das müssen wir ändern. Wir müssen raus ins Leben; da wo es laut ist, da, wo es brodelt, da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt. Wir müssen dahin, wo es anstrengend ist. Weil nur da, wo es anstrengend ist, da ist das Leben."
Das war vor 15 Jahren. Die AfD gab es nicht.
Aber die Erkenntnis, dass sich was ändern muss.
Erkenntnis ohne Handlung aber führt in die Depression.
Vielleicht kann ich ja in zwei Jahren phoenix gar nicht mehr empfangen.
Nur beten reicht da nicht.
01.07.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
Jetzt präsentierte sich diese reine Männerpartei absichtlich zivil und diszipliniert. Natürlich nur für die Verhältnisse, die immer noch in diesen bösen Menschen herrschen. Es gab eine Regie. Das merkte man immer wieder. Denn, aber das bekommt nur mit, wer sich diese Qual über Stunden antut, das Böse war überall. Und immer wieder blitzte es hervor. In spontanen, hyperaggressiven, abkanzelnden Redebeiträgen, in close-ups der Saalkameras von den überernährten, gelangweilten und von Verachtung zerfressenen Gesichtern. Gesichtern der Wut. Denn: die AfD hatte einen Rückschlag erlitten. Trotz der im Moment desaströsen Innenpolitik aller ,,Altparteien", wie die AfD ihre Konkurrenz nennt, wuchsen die Bäume der rechtsradikalen Menschenfeinde nicht in den Himmel. Unter 16 % war nicht das, wovon die dicken Männer träumten, ja phantasierten. Sämtliche Freunde aus dem Ausland fahren das Doppelte ein. Ob in Holland, Österreich oder Frankreich. Ganz zu schweigen von Italien. Das Musterland in Schwarz-Rot-Gold schwächelt. Folglich waren die Vorstandswahlen lust- wie alternativlos, es war abgesprochen, was passieren sollte. Nur dem selbstgefühlten Heiland der neuen deutschen Bewegung, dem pathologischen Narzissten Björn ,,Bernd" Hoecke, war seine Missstimmung deutlich anzumerken. Eine Doppelspitze ist ihm ein Graus, wie ihm alles ein Graus zu sein scheint, was in der Bundes-AfD vonstatten geht. Eine Lesbe, die im Ausland mit einer Asiatin lebt und ein Handwerkertrottel aus dem Osten: das ist nicht das, was sich Kulturfeind Hoecke unter deutscher Führung vorstellt.
Aber: er muss Ruhe bewahren. Würde er sagen, was er meint, riefe der Rausschmiss. Denn einen hochreinen Faschisten kann sich die um Bürgerlichkeit ringende Gesamtpartei nicht leisten. Höchstens in Thüringen. Wen juckt das schon. Das weiß er. Er litt Todesqualen. Ein psychologisch geschulter Mimikleser hatte an diesem Samstag seine helle Freude an der wächsernen, puppenhaften und vollständig verweichlichten Visage dieses Kretins.
Die verachtete Frau Weidel hämte, der Malermeister Chupalla protzte, der Fettsack Stefan Brandner, eine Art Hermann Göring der Neuzeit, trug in gewohnter Manier seine spöttische Verachtung all dessen, was Moderne ausmacht, offen zu Tage. Und selbst ehemals Gemäßigte, wie der Ex-Sozialdemokrat Kai Gottschalk, ein wie alle anderen auch gescheiterter Wutbürger reinster Güte, überschreitet die jahrelang selbstgesteckten Grenzen, um gespielt keifend und hysterisch schreiend, noch ein warmes Plätzchen im Vorstand zu erhaschen. Dass diese Leute sich untereinander spinnefeind sind, quoll aus allen Poren und Ritzen. Doch: nichts davon in der Berichterstattung. Im Gegenteil. Niemand nahm sich des Umstands an, dass es in dieser Partei gar nicht um Deutschland geht. Dass es ihr nicht um Inhalte, Konzepte, Strategien oder gar Alternativen für die Zukunft geht. Nein. In der gesamten Zeit wurde nur Politik an sich verächtlich dargestellt. Persönliche Beleidigungen als Massenware wurde vorgeführt, niemand stellte eine einzige inhaltliche Frage. Dabei ist es so leicht, diese Gurken genau da auseinander zu nehmen. Wenn Politik der Zukunft daraus besteht, wer den Konkurrenten am bösartigsten erniedrigen kann, ist die AfD erste Wahl. Wenn es aber deutschen Journalisten mal gelingen würden, den handelnden Personen auch mit Nachfragen auf den Leib zu rücken, würden die erstens tun, was ihre Aufgabe ist und zweitens gäbe es die Chance, die Luftblase AfD zum Platzen zu bringen. Diese Partei ist mausetot. Sie kämpft für Nichts. Sie möchte den verhassten Staat okkupieren, damit es ihnen selbst gut geht. Die Männer der AfD sind exakt das, was sie bei den anderen unterstellen. Spesenritter und Schwafelkönige, Faulpelze und Motzbeulen übelster Provenience. Ihre ersten beiden Kandidaten für die EU-Wahl sind offensichtlich kriminell, die anderen Rechtsradikalen schmissen sie aus ihrer Fraktion. International muss die braun-blaue Suppenkaspertruppe um Anschluss bangen. Die Nationalisten wollen sich ,,Patrioten Europas" nennen. Welch Idiotie. Die Männer der AfD sind Sexisten. Rassisten. Nationalisten. Sie haben ein faschistisches Weltbild, in dem nur die Herkunft und das freie Spiel der Kräfte Bedeutung hat. Alles, was Minderheit ist, ist ihr Feind. Auf Studenten, Alleinerziehende, arme Rentner, alles, was Hilfe braucht, alles was besonderen Schutz benötigt, hämmert diese Partei gnadenlos ein. Da selbst so randständig, sie zutiefst gekränkt über ihr eigenes Scheitern mitten in der Bürgerlichkeit sind, sinnen sie um Rache. Das zeichnet Rechte ja aus. Am eigenen Dasein muss jemand anderes Schuld sein, wenn etwas nicht läuft. Sie sind immer nur gegen etwas. Gegen Bürgergeld. Gegen Ausländer. Gegen Messer. Gegen Massenvergewaltigung. Gegen Krieg. Gegen Radwege in Peru. Das Weltbild der Männer der AfD entspricht dem einer katholischen Gesangslehrerin im Kolpinghaus Wipperfürth im Deutschland des Konrad Adenauer. Die Schlechtlauner sind übrigens fast alle im Westen gescheitert und haben Erfolg im Osten. Sie sind für ein nie gewesenes Deutschland und labern was über Europa. Sie sind homophob und werden durch eine lesbische Frau vertreten, die lieber in der Schweiz wohnt als in Deutschland. Wo man hinschaut himmelschreiende Widersprüche. Doch Merz, Söder und Konsorten stellen sich aufs Trittbrett der in die falsche Richtung fahrenden Dampflock der Gestrigkeit.
In einer jüngst erschienen Studie über die Lese- und Schreibkompetenz deutscher Erwachsener zwischen 18 und 64 Jahren wurde festgestellt, dass ein Drittel davon über die Fähigkeit durchschnittlicher Grundschulabgänger nach der vierten Klasse verfügen sollen. Die These, dass hier die Pantoffeltierchen namens Wähler der AfD im Übermaß zu finden sein werden, ist nicht sonderlich kühn. Beschäftigen wird sich damit freilich niemand. Denn dort ist das, was damals Sigmar Gabriel treffend wie folgenlos beschrieb: ,,Wir dürfen uns nicht zurückziehen in die Vorstandsetagen, in die Sitzungsräume. Unsere Politik wirkt manchmal aseptisch, klinisch rein, durchgestylt, synthetisch. Das müssen wir ändern. Wir müssen raus ins Leben; da wo es laut ist, da, wo es brodelt, da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt. Wir müssen dahin, wo es anstrengend ist. Weil nur da, wo es anstrengend ist, da ist das Leben."
Das war vor 15 Jahren. Die AfD gab es nicht.
Aber die Erkenntnis, dass sich was ändern muss.
Erkenntnis ohne Handlung aber führt in die Depression.
Vielleicht kann ich ja in zwei Jahren phoenix gar nicht mehr empfangen.
Nur beten reicht da nicht.
01.07.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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Es geht doch darum dass wir alle verstehen wes Geistes Kind diese Nicht-Alternativen sind! Damit wir die Demokratie in D und EU erhalten. Schön wäre, wenn wir auch mal wieder
politische Köpfe mit Rückrat und nicht nur geöffnetem Portemonnaie hätten.