WIE SÖDER. NUR ÖDER.

WIE SÖDER. NUR ÖDER.

Will man dem oft postulierten Niedergang der alten bundesrepublikanischen Werte nachschnuppern, kommt man an der Bayernkapitale München nicht vorbei.
Alles, was hier heute Bedeutung hat, hatte es so auch schon vor vielen Dekaden. Das Problem: es kommt nichts Neues dazu.

Eine Polemik von Kai Blasberg
WIE SÖDER. NUR ÖDER.

Im Sommer 1986 war ich bei der Bundeswehr.
Es war der Sommer nach Tschernobyl.
Meine Schwester lebte damals in Schwabing, dem schönen, alten Schwabing am Elisabethmarkt. Streng genommen sogar Maxvorstadt. Aber das wissen nur Eingeborene.

Damals war es die Zeit der gläsernen Radiostudios, hier in der Nordendstraße war es wohl Radio Gong.
Thomas Gottschalk und Günther Jauch waren die Stars beim BR, auch im Radio. Prägten über ihren Stil eine neue Epoche der Gelöstheit.

Patrick Süßkind las man, das Parfum, das ich übrigens damals unfassbar langweilig fand.
Alle wollten sein Buch verfilmen, obwohl es als nicht verfilmbar galt. Der Autor zierte sich.
Später wurde sogar ein Film gedreht, der davon handelte, dass einer sich ziert und ein anderer es will. Ich war 21.
Helmut Dietl, der, der wollte, drehte aber erstmal Kir Royal, die Vorlage dazu war Michael Graeters Leben bei der AZ, später bei Bild, noch später bei Bunte; auch so was typisch Münchnerisches.
Der Klatschreporter wurde von beiden erfunden und bekam in Baby Schimmerlos sein Denkmal.

Essen tat man, war man wer, bei Käfer, essen kaufte man ebenda und bei Dallmayr.
Zu trinken gab's beim Karl, der sich schon Charles nennen ließ, in der Maximilianstrasse, von wo man dann zu Fuß zum Feiern ins P 1 schritt oder torkelte. Vergessen sind Kays Bistro und das Roy.
Der FC Bayern entsandte damals seine Kicker ebenso in diese Destinationen, wie es heute noch geschieht. Lothar Matthäus war dabei, und ist es auch bis heute. Der Brehme Andi ist sogar schon verblichen in diesen Tagen. Aber auch der lebte bis zuletzt hier.
Regiert wurde von Franz Joseph Strauß, der immer so tat, als sei er größer als Alle, um es endlich nie zu sein.
Es war ja auch schön in München. Und riesig, strahlend in seiner Enge. Damals war München mein Ziel. Wer es hierhin schafft, der hat es geschafft. Das war das Lebensgefühl der Musikstadt der Siebziger. Giorgio Moroder und Harold Faltermeyer, der Queen-Sänger Freddie Mercury liebte Barbara Valentin. In München.

In den Achtzigern war München die Filmstadt.
Der Eichinger-Bernd. Aber auch Klaus Lemke.
Die vielen Originale wie die Wepper-Brüder, der Monaco-Franze, der Dietl eh, der Sedlmeier, der Mooshammer. Und sogar die Uschi Glas. Die als einzige derer noch lebt.

München schwang sich auf zur großen Medienmetropole, die Privatsender entstanden, nicht nur im Radio. Die Papiermedien AZ, TZ, SZ standen in voller Blüte. Ich habe es dann später geschafft und kam dazu. Und blieb fast 30 Jahre.
Und blieb fast 30 Jahre Gast in diesem Ort.
Denn München lädt nur den, der so ist wie alle Anderen. Der alt geworden ist und wohlhabend.
Früher hießen sie Adabeis und Wanna-be's.
Jene, die die Staffage gaben und nicht wirklich wichtig waren, gleichsam einer Füllmasse Mensch.
Heute scheint München nur noch aus dieser Füllmasse zu bestehen. Die Orte sind dieselben.
Entseelt, behäbig, unfähig der Reform, zurückschauend und den alten Glanz beschwörend. Verstopft von Touristen und den ewigen Baustellen derer, die erst den Bürger durch Verkehrsstenose terrorisieren, um dann abzukassieren: Die renovierten Wohnstätten in der Stadt sind nur noch von Geldsäcken zu finanzieren.
Hier wie da: Erben. Der Strauß heißt jetzt Söder.
In all den Jahren blieb der einen einzigen verwendbaren Gedanken schuldig. Der Hoeneß heißt immer noch so und sieht das Rezept Hoeneß als einzig anwendbares.

Filme werden gedreht. Von Bernds Firma.
Der längst Vergangene aber würde sich nicht gnädig zeigen ob der Ergebnisse. Die Privatmedienszene kümmert vor sich hin und hat außer Siechtum wenig vorzuweisen. Und die Füllmasse: Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, Ärzte und deren Häuser, die von Ölscheichs leben. Und Angestellte. Wohlbestallt und zukunftslos.
Beim Charles gehen die ein und aus, die es immer taten, nun aber nicht mehr so saufen können, wie sie es taten, weil sie es nicht überleben würden.
Wie soll das nur weitergehen, fragen sich Viele im Stillen. Laut ist hier keiner. Außer der Stadt. Die dröhnt unerträglich im permanenten Überforderungsmodus.
München war Elite.
Elite ist nicht Portemonnaie. Elite ist Visionen und Idee, Träume, Wünsche. Und Tun.
München tut nichts. Steht still.
Schon allein geographisch vor den Bergen wie in einer Sackgasse. Und die Straße zum Tegernsee ist samstags voll und verstopft, weil sie dieselbe ist wie in den 50ern. Und dann kommt Österreich.
Natürlich höre ich jetzt die vielen Freunde, die dageblieben sind.
Keiner will zugeben, in einer Sackgasse zu leben.
Und natürlich höre ich Laptop und Lederhose.
Jetzt auch 30 Jahre alt. Der Mann hieß Stoiber.
Weltraum wird geschwafelt, KI dazu. Und denken Sie an den Englischen Garten. Und das Skifahren im Winter. Es schneit halt kaum noch. Aber schee war's.
Zünden tut das alles nicht.
Weil die vollen Taschen zu füllen keinen Reiz aussendet. Thomas Gottschalk und Günther Jauch, längst im Rentenalter, machen jetzt Kindersendungen. In Köln. Max Eberl ist da.
Er hat schon als Kind in Bayern-Bettwäsche geschlafen. Das reicht hier unten.

29.02.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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