Hitze und Panik - eine Sommerfarce in mehreren Akten

Hitze und Panik - eine Sommerfarce in mehreren Akten

Es ist heiß. Wieder einmal. Der Asphalt flimmert, die Wutbürger schwitzen, und der Thermostat im Wohnzimmer zeigt 39 Grad - auf ,,Eco"-Stufe. Die Nachrichten überschlagen sich, Klimaforscher mahnen, Politiker nicken betroffen in Mikrofone, und irgendwo in Brandenburg brennt ein Stück Wald, das gestern noch ein Ferienlager war. Die große Hitzepanik ist zurück - und mit ihr das gesamte Ensemble aus Experten, Apokalyptikern, Empörten und Entspannten.

von Katharina Brenner
*Akt I: Die Leugnung*

Beginnen wir bei den Klimaleugnern - jenen tapferen Hütern des Verbrennungsmotors, deren oberste Tugend es ist, selbst in der Sauna das Fenster zu schließen, weil ,,früher war's auch warm, und da hat keiner gejammert". Sie sitzen in ihren Gärten mit Rasen wie aus der Tiefkühltruhe, grillen Steaks, die noch CO2 ausatmen, und posten auf Facebook: ,,So schlimm kann die Erderwärmung nicht sein - ich trag immer noch eine Jacke beim Auto fahren!"

Die Hitzewelle sei, so hört man, ein saisonales Missverständnis - so wie die Eisschmelze, die Waldbrände und das ausgetrocknete Flussbett der Donau. Alles halb so wild. ,,Im Mittelalter war's auch warm", heißt es dann mit der Gewissheit eines Historiikers, der sich das gesamte Wissen aus einem YouTube-Kommentar gezogen hat. Die Temperatur steigt, aber das Weltbild bleibt konstant unterkühlt.

*Akt II: Die Apokalypse*

Auf der anderen Seite: die Aktivisten. Hoch moralisch, tief besorgt - und unfassbar schlecht gelaunt. Die Welt geht unter, und zwar spätestens übermorgen um 15:38 Uhr. Davor noch schnell eine Petition unterschreiben und sich an einem SUV festkleben. Die Klimapolitik sei zu langsam, die Gesellschaft zu träge, und wer nicht mindestens dreimal pro Woche den Kapitalismus abschaffen will, hat das Ausmaß der Katastrophe ohnehin nicht begriffen.

In dieser Welt ist die Hitze kein Wetter, sondern eine Strafe. Für Flugreisen, für Fast Fashion, für fossile Gedanken. Dass man in Berlin im Februar manchmal Erdbeeren kauft? Sünde! Dass der Nachbar heimlich mit dem Gartenschlauch gießt? Umweltverbrechen! Und dass Oma im Sommerurlaub den Ventilator einschaltet? Kolonialismus.

Die Überzeugung ist stark, der Humor gering. Aber immerhin - die Moral sitzt, und zwar festgezurrt wie ein Protestbanner an der Autobahnbrücke.

*Akt III: Die ratlose Mitte*

Zwischen diesen Polen irrt der Normalbürger. Die Heizung wurde auf Wärmepumpe umgestellt, das Auto ist jetzt ein Hybrid mit schlechtem Empfang, und die Balkonpflanzen werden mit Regenwasser aus einem Eimer gegossen, den man liebevoll ,,Klimapool" nennt. Man bemüht sich. Man schwitzt mit Haltung.

Doch die Debatte um Hitze und Klima ist längst zur Glaubensfrage geworden - und das ist das eigentlich Schweißtreibende an diesem Sommer. Während die Temperaturen messbar steigen, sinkt das Niveau der Diskussion ins Tropische: feucht, hitzig, und mit dem ständigen Gefühl, gleich von einem Tropensturm aus Halbwissen erfasst zu werden.

*Akt IV: Die Pointe (falls vorhanden)*

Vielleicht braucht es also weder Panik noch Verharmlosung, sondern etwas ganz Altmodisches: Maß. Die Bereitschaft, den Klimawandel ernst zu nehmen, ohne gleich einen Schuldkomplex zu entwickeln, der selbst beim Einschalten des Toasters ein schlechtes Gewissen erzeugt. Und gleichzeitig die Fähigkeit, Unsinn als solchen zu erkennen - etwa wenn jemand behauptet, CO2 sei ein "natürliches Vitamin", das der Luft entzogen wird, wenn zu viele Bäume wachsen.

Der Sommer bleibt heiß - und die Gesellschaft bleibt gespalten zwischen Hitzeflucht und Hitzefantasie. Vielleicht wäre es ein Anfang, wenn wir bei 38 Grad einfach mal gemeinsam ein Eis essen, anstatt uns gegenseitig moralisch zu erschlagen.

Denn ja, die Lage ist ernst. Aber wer in der Hitze den Humor verliert, hat schon verloren. Und wer weiß - vielleicht bringt uns genau der Witz irgendwann auf die richtige Temperatur zurück.

03.07.25
©Katharina Brenner (Jg. 1981) ist Politikwissenschaftlerin, Publizistin und Autorin. Sie lehrte politische Theorie und Demokratieforschung an den Universitäten Leipzig und Maastricht, bevor sie sich als freie Essayistin, Moderatorin und Kommentatorin auf Fragen der liberalen Demokratie, politischen Radikalisierung und öffentlicher Debattenkultur spezialisierte.
Brenner veröffentlicht regelmäßig Essays und Kommentare in deutschsprachigen Leitmedien, schreibt an einer Buchreihe über "Demokratie in der Bewährungsprobe" und ist bekannt für ihren klaren, konfrontativen Stil, der Haltung zeigt, ohne ideologisch zu werden. Sie gilt als unabhängige Stimme zwischen den politischen Lagern und engagiert sich für eine streitbare, aber offene Diskussionskultur. Aktuell lebt sie in Berlin und arbeitet an ihrem zweiten Sachbuch mit dem Titel ,,Sagen, was ist - und warum es trotzdem kompliziert bleibt."

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