Nach der Machtergreifung der AfD
Im Bundestag vor dem Reichsadler steht eine schlanke, große, blonde Frau am Rednerpult. Reißerisch brüllt sie antimuslimische Hetztiraden. Hunderte, wenn nicht gar tausende Menschen mit dunklen Haaren, vollen Bärten und Kopftüchern stehen zusammengepfercht in Güterwagons, die sie an einen Ort bringen, von dem sie niemals wieder zurückkehren würden und lauschen den Regentropfen, die hart auf das Blechdach des Zuges aufschlagen. Türkische und arabische Läden in Städten sind mit einem Halbmond markiert worden. In den Kellern der Republik formiert sich heimlicher Widerstand. Ist das das Deutschland, auf das wir zusteuern?
von Daniel Nuber
von Daniel Nuber
25.03.2029. Friedrich Merz kandidiert erneut als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Sein Gesicht, das ohnehin schon aufgrund seiner schmächtigen, hageren Statur eingefallen war, ist noch ein wenig schmaler geworden. Die Stimmung im Land ist eine gänzliche andere als noch vor vier Jahren. Sein Vorgänger, Olaf Scholz, auf dessen Regentschaft sich schon lange Staub gelegt hat, hatte mit seiner Ampel-Regierung und den mit ihr verbundenen Ideologie-Projekten den Weg für die Alternative für Deutschland (AfD) geebnet. Schon unter Angela Merkel, die vor Scholz regiert hatte, kippte die Stimmung, nachdem sie zahllose Flüchtlinge willkommen hieß und der Bevölkerung versprach, dass diese dem Wohlstand förderlich sein würden. Das war der Türöffner der AfD. Merz versuchte mit seiner konservativen Politik zu retten, was zu retten war, doch davon war in den letzten Jahren nicht viel übrig. Medien schlachteten Messerangriffe durch syrische und afghanische Asylbewerber maßlos aus, im Internet kursierten tendenziöse und gewollt unvollständige Kurzvideos, die bestimmte Propaganda betreiben sollten. Manches davon war trotz Unvollständigkeit richtig und manches dadurch verursachte Gefühl auch durch Statistiken des Bundeskriminalamtes verifizierbar, auch wenn das Gros des Volkes an Zahlen wenig interessiert war und ist. Nun aber, so scheint es, habe die Bevölkerung genug. Genug von Anschlägen, von Fahrzeugen, die in Märkte und Paraden fahren, genug von Vergewaltigungen und Missbrauch durch Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, die sie in Kommentaren verächtlich die ,,Goldstücke" nennen. Die CDU/CSU hatte in den vergangenen Monaten versucht, durch öffentlichkeitswirksame Abschiebungen und zunehmende Abschottung die Volksstimmung und die Problematik anzugehen. Gelder für Nichtregierungsorganisationen, die sich der Seenotrettung verschrieben hatten, wurden gestrichen, so dass Boote mit Asylbewerbern auf dem Mittelmeer kenterten und niemand mehr kam, um sie zu retten. Selbst aus Psychiatrien holte die Polizei ausreisepflichtige Asylbewerber und flog sie zurück in ihre Heimatländer. Ohne Widerspruchsmöglichkeit, ohne die Anerkennung des Einwands, dass sie in Syrien und Afghanistan keine ausreichende medizinische Versorgung erhalten können würden und die Abschiebung deshalb verfassungswidrig sein könnte. Alles egal. Die Menschen mussten weg, um die AfD zu verhindern; um das Wiederaufkeimen des Nationalsozialismus in Deutschland stoppen.
Und sie alle haben gewarnt. Oh, wie sie gewarnt haben! Öffentlich Rechtliche Sender wurden nicht müde zu betonen, dass die AfD eine gewisse ideologische Nähe zur NSDAP pflege. Politiker der Partei mit dem blauen Logo und dem Roten Pfeil sprachen gerne vom Schuldkult, ging es um die Aufarbeitung des von Nazi-Deutschland durchgeführten Holocausts, um ebendiesen zu bagatellisieren. Ähnlich wie die Nationalsozialisten zu jener Zeit priorisiert die Alternative für Deutschland zudem das traditionelle Frauen- und Rollenbild: Frau, Mutter, Kind, am besten blond und blauäugig. Gefährlich in einer unüberschaubaren Zeit, in der Familienkonstellationen jeglicher Art möglich sind und so manche deutsche Stadt gepflastert ist von LGBTQ-Flaggen, die vieles symbolisieren, aber sich keine konservative, rechte oder gar nationalistische Weltanschauung. Als Medien bemerkten, dass sie mit ihrer vermeintlichen Aufklärungsarbeit über die AfD nicht bewirkten, dass deren Beliebtheitswerte sanken, schlossen sie ihre Vertreter aus öffentlichen Diskursen aus. Keine Talkshows. Keine öffentlichen Veranstaltungen. Wer auch nur ideologisch in der Nähe der AfD war, konnte sogar seinen Arbeitsplatz verlieren und musste ihn sich mühsam vor Gericht wieder erstreiten. Doch kein Moderator, kein Journalist, kein Medienmacher begriff, dass die Werbung für die Partei nicht in politischen Auftritten lag, sondern vielmehr in jeder einzelnen Eilmeldung über einen Messerstecher oder einen Missbrauch. Im Internet fanden sich zudem neue Medien, die den Politikern aus dem rechtskonservativen Spektrum sehr wohl eine Plattform boten und mehr noch: Es fanden sich sogar Menschen, die weder Journalisten, Politiker noch Aktivisten waren, sondern YouTuber, die ihre eigene Meinung zur öffentlichen Debatte darboten und oft die logischeren und schlüssigeren Darstellungen und Argumente hatten als jene aus liberalen, libertären und linken Lagern. Logisch bedeutet jedoch nicht zwangsläufig wahr. Das aber interessiert den Wähler herzlich wenig. Was in den 1930er Jahren der Volksempfänger war, ist jetzt, in den 2020er Jahren, das Internet.
Zudem versuchen die Russen seit 2022 die Ukraine zu erobern. Die Antwort des Westens lag primär in Waffenlieferungen. Die Menschen sind inzwischen müde vom Krieg und noch müder von dem Gefühl, selbst Opfer zu sein. Die westliche Medienmaschinerie bot in den letzten Jahren alles: Angst vor einem Weltkrieg, Angst vor einem Atomkrieg, Angst vor einem Russland, das einen Eroberungskrieg führt. Dass das russische Militär nach einigen Monaten auf Panzer aus Museen zurückgreifen musste - geschenkt. Hauptsache Angst. Da die Europäische Union und die Vereinigten Staaten mit der Lieferung von Waffen nicht vorankamen und die Wirtschaftssanktionen kein Kriegsendete initiierten, schlug die AfD vor: Die Waffen müssen schweigen, damit in der dann eingekehrten Ruhe mit Putin verhandelt werden kann. Gleichzeitig herrschte in Übersee ein vermeintlich Irrer. Trump, ein völlig irrational scheinender Immobilienmogul, dessen Interessen nur ihm selbst dienten, erst dann seinem Land und nur nachrangig der Weltbevölkerung, befeuerte nationalistische Ideen weltweit. Denn Nationalismus ist zunächst wie Watte, in das sich die jeweiligen Länder wiegen, wenn es um sie herum und ihnen selbst unbequem wird; doch es ist leicht entzündlich und brennt schnell, brennt alles nieder. Dennoch kamen sie. Vielleicht nicht die Nationalisten, wie wir sie im Kopf haben, nicht die strengen Männer in grauen Uniformen mit aufgenähten Haken- und Blitzsymbolen, wohl aber die in feinen Anzügen, die meist gemäßigt reden und freundlich lächeln. Sogar die ein oder andere Frau war und ist dabei. Sie alle vereint der Wunsch nach Trennung. Die Auflösung der Europäischen Union, die Schließung von Grenzen, die Zurückweisung von Flüchtlingsbooten und die Reduktion von Migration aus bestimmten Weltregionen. Zum gepflegten Nationalismus gehört auch das Streben nach Verschlingen anderer Staaten. Trump, der Grönland beanspruchen möchte ist ein Beispiel dafür - ebenso beispielhaft die Nichtreaktion europäischer Verbündeter auf solche Allmachtfantasien. All das ist aber gehobene Politik. Dem einfachen Volk geht es um etwas anderes: Um Sicherheit und Stabilität. Bei den letzten Wahlen 2025 lag die AfD nur knapp hinter der Union und war damit zweitstärkste Kraft in Deutschland. Heute, vier Jahre später, wird erneut gewählt - und allem Anschein waren die Bemühungen von Friedrich Merz nur unzureichend, denn die ersten Auszählungen liegen bei weit über 30 Prozent.
10.06.2029. ,,Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Wie bei vielen ihrer Auftritte trug Alice Weidel bei ihrer Vereidigung zur Bundeskanzlerin ein helles Sakko zum strengen Dutt. Die gesellschaftliche und vor allem mediale Empörung ist nach den Wahlergebnissen groß. Die SPD existiert praktisch nicht mehr. Spricht jemand von den Grünen, ist zumeist nur noch die Farbe gemeint. Die CDU/CSU ist mit 25 Prozent immerhin noch vertreten, doch muss sich der AfD unterordnen. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse hat diese eine ,,vollkommene Neuausrichtung der Politik" angekündigt. Das Internet tobt vor Freude, vor allem jene so genannte Alternativmedien, die in den letzten Jahren an jeder Ecke den Teufel sahen und ihn dann in YouTube-Videos skizzierten. Schon in den letzten Wochen geschahen unzählige Anschläge auf Asylbewerberheime. Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften arbeiten, wurden bedroht. Schulen mit hohen Migrationsanteilen brannten lichterloh. Die ersten Deutschen haben das Land verlassen, denn sie befürchten, dass das ,,wie damals mit Hitler" würde. Türkische und arabische Läden werden vermehrt mit dem türkischen Halbmond markiert und anschließend demoliert. An Grenzübergängen formen sich Bürgerwehren, die gezielt auf die Jagd nach Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten gehen. In den sozialen Medien mehren sich Nachrichten, dass Menschen mit dunklen Haaren und brauner Haut Rentner verprügeln, mitteleuropäisch aussehende Männer und Frauen belästigen und töten. Verifizieren lässt sich das nicht. Doch es erfüllt seinen Zweck: Die, die ihre Ausländerfeindlichkeit schon immer gewaltsam ausüben wollten, fühlen sich nun legitimiert dazu.
Weder Weidel noch ihr stellvertretender Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister Thilo Chrupalla äußern sich ernsthaft zu den Vorfällen. Das seien alles vereinfachte Darstellungen, sagen sie, und ob sie im Kern richtig sind, sei fraglich, da die ,,öffentlichen Medien gerne jeden so framen, wie sie es wollen, wenn sie nicht in deren Weltbild passen." Natürlich darf ein Hinweis auf das Versprechen nicht fehlen, dass der Öffentlich Rechtliche Rundfunk ohnehin abgeschafft werden wird. Bei Markus Lanz und Sandra Maischberger wird sofort über Nationalismus gesprochen - nicht aber mit jenen, die ihn vermeintlich verantworten, sondern mit Politikern ausgeschiedener und inzwischen zur Irrelevanz verkommenen Parteien. Ab und zu sitzen dort auch Wissenschaftler mit verwirrenden Thesen, die sie denken, verständlich schreiben, aber unmöglich nachvollziehbar verbal ausformulieren können. ,,Dieses Land ist am Ende", kommentieren das manche User unter den Videos im Internet. ,,ALICE FÜR DEUTSCHLAND!!" steht dann oft darunter. Doch die Straßen sind bereits ein Schlachtfeld. Die AfD hat binnen kürzester Zeit die Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt. Putin redet noch immer nicht, hat aber weite Teile der Ukraine eingenommen und Selenskyi zur Flucht bewegt. Polen und die baltischen Staaten ziehen Truppen an ihren Grenzen zusammen. Trump, der es durch politische Tricksereien geschafft hat, weiterhin an der Macht zu bleiben, erhebt mal 300 Prozent Zölle, mal 20 Prozent Zölle, mal gar keine. Mal mag er Putin, mal mag er Putin nicht. ,,Alice", sagte er gegenüber Fox News, ,,is such a beautiful woman. If you want to calm her down you just have to grab her by the p....". Die Intellektuellen in Deutschland finden keine Worte mehr. In vielen Kellern wird gesoffen, Musik gehört und der Umsturz geplant. Dass Deutschland auf einen eigenen Eroberungsfeldzug gehen wird, glaubt niemand - soweit reichen die gesponnen Fäden zwischen NSDAP und AfD dann doch nicht. Das Wüten faschistischer Kräfte innerhalb der Bundesrepublik aber ist für Linke Motivation genug, sich Widerstandskämpfer zu nennen und ,,was zu machen". ,,Wenn Unrecht zu Recht wird", zitieren so manche im Internet Berthold Brecht, weil sie selbst zu Erkenntnissen und komplexen Denkprozessen nicht in der Lage sind, ,,wird Widerstand zur Pflicht." Bis auf wüste Schlägereien und Auseinandersetzungen mit der Polizei ist vom echten Widerstand jedenfalls noch nichts zu sehen.
Widerstand leistet allenfalls die Wirtschaft. Hochrangige Vertreter der Ihren wehren sich gegen die Wiedereinfuhr von Atom- und Kernenergie. Das seien Technologien, die durch Wind- und Solarenergie überwunden worden seien und es gäbe keinen Anlass, zu ihnen zurückzukehren. Die ersten Vorstandsvorsitzenden sind bereits spurlos verschwunden. In den sozialen Medien finden sich offensichtlich von einer KI generierte Videos von ihnen, die sie unbeschwert im Urlaub zeigen. ,,Wir finden es natürlich schade", sagt der AfD-Pressesprecher dazu, ,,dass manche Unternehmensspitzen den Wirtschaftsstandort Deutschland unentschuldigt verlassen und Urlaub Arbeit vorziehen" und lächelt dabei schelmisch, doch beweisen lässt sich nichts. Indes hält Alice Weidel geradezu hysterisch-pubertäre Zoom-Meetings mit Putin ab, indem sie ihm unverhohlen zur Befriedung des ukrainischen Gebietes beglückwünscht. Die Opposition tobt; selbst die inzwischen auch rechtskonservativ geführten europäischen Nachbarstaaten kritisieren die wohlwollende Haltung der Bundesregierung gegenüber Russland. Schon wenige Wochen nach Amtsantritt ist die Europäische Union ein Trümmerhaufen. Die Erlässe der Kommission werden kaum noch umgesetzt, geschweige denn finden glaubwürdige Absprachen statt - Sitzungen gleichen einem Theaterstück. Die ersten EU-Staaten schließen ihre Grenzen zueinander, vor allem, weil Deutschland Flüchtlinge in alle Richtungen abschiebt und abweist. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht so schnell prozessieren, wie Klagen eingehen.
,,Wir nehmen gerne jeden in Deutschland auf, der bereit ist, sich unserer Kultur und unserer Sprache zu unterwerfen und einen Teil zur deutschen Erfolgsgeschichte beizutragen", heißt es aus dem AfD geführten Außenministerium. ,,Taugenichtse, Messermänner und ähnliches Klientel werden wir aber ohne Erbarmen aus unserem wunderschönen Land verbannen." Auch hier mehrt sich der Widerstand der Wirtschaft, die vor Pauschalisierung warnt und auf fehlende Arbeitskraft hinweist. ,,Jeder Beschäftigte, der geht oder gar nicht erst kommt, schwächt unser Bruttoinlandsprodukt", sagen sie. Das aber interessiert niemanden. Erste YouTuber, die lange schon reichweitenstärker sind als etablierte Journalisten, berichten in ihren Vlogs über Züge, die an einen eingezäunten und überwachten Ort fahren. ,,Ey Leute, das ist hier wie in Area51 oder so", sagt einer von ihnen und filmt sich dabei selbst. ,,Hier sind überall Schilder und so und da ist auch ein Soldat, der hat mich schon ein paar Mal weggeschickt." Zu sehen sind tatsächlich Schilder, die auf ein militärisches Sperrgebiet hinweisen. Einige Meter hinter der Umzäunung beginnen hohe Betonwände. Nicht einsehbar. Nicht überwindbar. Niemand weiß, aber alle ahnen, was hier geschehen könnte. Doch die breite Masse schweigt, denn sie weiß, dass sie später nichts gewusst haben wird.
04.08.2029. Schulen haben sich gravierend verändert. Kinder mit Behinderung werden ausgeschlossen und in eigene Klassen zusammengefasst, um den ,,Lernfortschritt der übrigen Schülerinnen und Schüler nicht zu beeinträchtigen", wie es aus dem Kulturministerium heißt. Selbiges geschieht mit Heranwachsenden, die nur mäßig bis schlecht Deutsch können. Viele gibt es von ihnen nicht mehr. In den Brennpunktschulen sind einige Klassen halbiert oder gänzlich gestrichen worden, weil einige Familien wie vom Erdboden verschluckt sind. Die berühmt berüchtigten Parks, wie etwa der Görlitzer Park in Berlin, werden von der Polizei praktisch belagert. Wer verdächtig ist, wird aufgegriffen, durchsucht und inhaftiert, auch ohne Beweise. Wie lange ist unterschiedlich - 24 Stunden, 72 Stunden, bei aufmüpfigen Verdächtigen auch länger. Gerichte sind in Teilen bereits untergraben von AfD-Juristen, die ein und manchmal auch beide Augen zudrücken. Die Deutschen schweigen, so wie sie immer schon geschwiegen haben. Protest tritt allenfalls im Internet auf und in hitzigen Diskussionen im Fernsehen, die keine politischen Konsequenzen nach sich ziehen. Satiriker versuchen den Ernst der Lage ins Lächerliche zu ziehen, doch auch sie sind gemäßigter als noch vor der AfD-Regentschaft, denn sie wissen, dass sie einer von jenen werden könnten, die plötzlich verschwinden - es ist das Spiel mit dem Henker, der Spaß, aber keine Kritik erlaubt.
Die zerbröselnde Europäische Union und die von einem unberechenbaren Immobilienmogul geführte USA führen dazu, dass Japan Taiwan angreift. Es sei eine Insel, die historisch zu Japan gehöre und an der Zeit, dass wieder zusammenwächst, was zusammengehört, so die Erklärung der japanischen Regierung. Trump liebäugelt nun noch mehr mit Grönland und entsendet U-Boote in die strategische Nähe. Ob es sich um atomar betriebene oder atomar ausgestattete U-Boote handelt, wird nicht näher erläutert. Deutschland diskutiert aufgrund dieser Entwicklungen die eigene atomare Aufrüstung - auch deshalb, weil Frankreich und Großbritannien nicht mehr garantieren, im Falle eines wie auch immer gearteten Krieges die deutsche Region atomar abzuschirmen. ,,Wir betrachten die USA noch immer als unseren Partner", sagt Alice Weidel, ,,müssen aber sehen, dass die zunehmenden Aggressionen gegen europäischen Boden möglicherweise auch uns betreffen." Es gäbe kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung. Wie bereits vor ihrer Wahl stehen Weidel und Chrupalla gemeinsam vor den Kameras. ,,Als Vermittler hoffen wir auf unsere russischen Freunde, die bei Verhandlungen sowohl mit Japan als auch mit den USA behilflich sein können", ergänzt Chrupalla. In den russischen Staatsmedien wird propagiert, dass Russland die Rolle des besten Freundes Europas einnehmen würde. Die USA dankten ab und zeigten nun ihr wahres imperiales Gesicht, das ihnen, Putin und seinen Gefolgsleuten, schon seit Jahrzehnten bekannt gewesen sei. Vorsichtige Glückwünsche kommen von Sarah Wagenknecht und ihrem Bündnis. Endlich habe Deutschland begriffen, wer Freund und Feind sei. Lange schon interessiert sich kaum noch jemand für das BSW. Wie die meisten anderen Parteien ist auch diese im Nirwana verschwunden.
Allmählich verändert sich auch die Medienlandschaft. Die Rundfunkgebühren wurde nicht abgeschafft, aber bis auf weiteres ausgesetzt. Intendanten und Journalisten der Öffentlich Rechtlichen Rundfunksender klagen ihr Leid und weisen auf das Grundgesetz hin. Durch die immer geringer werdenden Angebote des ÖRR überwiegen propagandistische Sender. Menschen weichen zunehmend auch auf Soziale Medien aus, wo der Algorithmus dafür sorgt, dass sie das sehen, was sie sehen wollen und nicht das, was sie sehen müssten. Es fällt nur niemandem auf. Obwohl offen kommuniziert wird, dass Kriminalitätsraten sinken - ob es tatsächlich so ist oder eine Falschmeldung lässt sich nicht unabhängig nachvollziehen -, rufen viele Wählerinnen und Wähler noch immer nach noch mehr Deportation und Härte, denn unzählige Kurzvideos thematisieren noch immer Tötungsdelikte, Messerstechereien und Sexualverbrechen ohne müde zu werden, diese mit Migranten in Verbindung zu bringen. Türkische und arabische Restaurants brennen bundesweit. Vor Shisha-Bars gibt es blutige Auseinandersetzungen zwischen Inhabern, Besuchern, so genannten besorgten Bürgern und Nationalisten. Die Polizei sieht breitwillig weg. Auf Telegram organisieren sich Verschwörungstheoretiker, die die Zustände neu interpretieren: Es seien Afghanistan und Syrien, die mit Absicht Kriminelle nach Deutschland schickten, um das Land zu destabilisieren. Das ließe sich nur lösen, in dem diese Länder dem Erdboden gleich gemacht würden ...
Zurück in das Jahr 2025. So wie beschrieben oder so ähnlich scheinen sich manche Menschen die Regentschaft der Alternative für Deutschland vorzustellen: Schnelle Eskalationsspiralen, eine Freisetzung und Selbstlegitimierung rassistischer und nationalistischer Gewalt, eine neue Russlandfreundlichkeit und natürlich die Vertreibung und Deportation von Muslimen. Allzu gerne werden Analogien zur Machtergreifung der Nationalsozialisten gezogen. Auch wir durchlebten eine Rezession, politische Instabilität und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die AfD bediene sich der NS-Rhetorik und sei gefährlich, weil sie offenkundig die freiheitlich-demokratische Grundordnung stürzen wolle. Erstaunliche Parallelen werden zu den 1930er Jahren aufgebaut, die aufzeigen sollen, wie gefährlich die Partei sei - bis hin zu Gewaltfantasien von pubertären Grünen-Jugendlichen, die in Podcasts über Waffengewalt als Instrument des Widerstands fantasieren. All das und insbesondere der nahezu pathologische Versuch, Analogien zwischen unserer Zeit und der Zeit des (aufkeimenden) Nationalsozialismus aufzuzeigen, bagatellisiert vor allem Nazi-Deutschland und die mit ihm zusammenhängenden Verbrechen, denn Geschichte wiederholt sich nicht.
Der Holocaust und der Zweite Weltkrieg waren keine Ereignisse, die von jetzt auf gleich oder gar spontan stattfanden. Judenhass reicht bis in die Antike - die Massenvernichtung von Juden durch Nationalsozialisten war der traurige Höhepunkt von beinahe zweitausend Jahren Antisemitismus. Auch das NS-Regime war eine Folge der vorausgegangenen Jahre, der Wirtschaftskrisen und des Ersten Weltkrieges. Die Wahl von Hitler war ein Ergebnis des Versailler Vertrages und der instabilen Weimarer Republik gepaart mit einer mit heute nicht zu vergleichenden Arbeitslosenquote von bis zu beinahe 30 Prozent und damit zusammenhängender Armut. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft, die die NSDAP entstehen und erfolgreich werden ließ, ist nicht gleichzusetzen mit der, in der wir heute leben. In Deutschland haben wir derzeit eine Arbeitslosenquote von nur 6,3 Prozent - nicht einmal ein Drittel im Vergleich zu 1929, da betrug sie 29,9 Prozent. Das Ende des Ersten Weltkrieges lag kaum 20 Jahre zurück und der Staat verlor erhebliche Teile seiner Region - wir haben seit 1945 keinen Krieg mehr erlebt. Etwa 21 Prozent der heute in Deutschland lebenden Menschen sind von Armut betroffen. Niemand sollte in ärmlichen Verhältnissen leben oder von ihr betroffen sein, doch im Vergleich zu den 30er Jahren geht es auch ihnen vergleichsweise gut - damals gab es kein Bürgergeld, Arbeitsvermittler und Sozialarbeiter. Der Boden, auf dem Parteien gedeihen und sterben, ist also ein anderer als noch vor einhundert Jahren. Das Gedankengut der AfD mit dem der NSDAP gleichzusetzen und in ihr eine ähnliche Gefahr zu wittern wie seinerzeit durch die Nazis, verharmlost den millionenfachen Mord an unschuldigen Menschen, verharmlost Vertreibung und verharmlost einen Weltkrieg, der weitreichende Folgen für die nächsten Generationen hatte.
Das NS-Regime war in unserer Vorstellung die Fleischwerdung des Teufels auf Erden. Deshalb fungiert es auch als Maßstab des Bösen - weltweit. Donald Trump und Wladimir Putin wurden auch mit Hitler verglichen. Diese Vergleiche entbehren jedoch jeglicher rationalen Beobachtung und die Inflationäre Verwendung führt zu einer Bagatellisierung der Nationalsozialisten. Deshalb sollten wir versuchen, Parteien und Politiker gemäß des Zeitgeistes einzuordnen und keine historischen Parallelen zu ziehen, die die Debatte verfälschen oder gar unmöglich machen. Aus diesem Grund funktioniert auch die Auseinandersetzung mit der AfD nur mäßig - bis auf Nazi-Vorwürfe und Vergleiche mit Adolf Hitler findet kaum eine konstruktive Auseinandersetzung mit ihr statt. Sehr wohl ließe sich aber feststellen, dass die Ziele der AfD dem Land mehr schaden als nutzen würden - nur aus anderen Gründen. Lassen Sie uns das ein wenig näher betrachten: Die AfD möchte die D-Mark wieder einführen und präferiert Bargeldzahlungen. Eine eigene Währung wäre nicht nur aufgrund des Umtauschprozesses bei Auslandsreisen nervig, sie wäre auch volkswirtschaftlich schlicht dumm: Zwischen 1987 und 1998 betrug die Inflation unter der Deutschen Mark kumuliert beinahe 30 Prozent, der Euro kämpfte nach seiner Einfuhr bis heute kumuliert nur mit etwa 2 Prozent. Die Rückkehr zur Mark hätte also allenfalls einen nostalgischen, aber keinen wirtschaftlichen Wert. Finanzwirtschaftlich kommen noch andere Fantasieprojekte hinzu: 20.000 Euro Prämie fürs Kinderkriegen, Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren und großzügige Steuersenkungen, welche in Summe ein Defizit von 100 Milliarden Euro bedeuteten. Das gefährdete auf lange Sicht den Staatshaushalt und die Finanzierbarkeit unseres Landes, zumal die Partei bis heute keine nachrechenbaren Antworten darauf liefert, wie all das zu finanzieren sei - außer mit sozialstaatlichen Kürzungen und weniger Entwicklungshilfen, wobei das allein auch nicht zur Finanzierung ausreichte.
Sehen wir uns den Umgang mit der weltweit zunehmenden Digitalisierung an und den Umgang der AfD mit ebendieser, so ist auch hier rückschrittliches Denken vorrangig. Die Partei nämlich möchte die Digitalisierung beschränken und die Privatsphäre der Bürger in den Vordergrund rücken. Einerseits widersprechen sich Digitales und Privates jedoch nicht, andererseits setzen eine zunehmende Anzahl an Unternehmen und Bürgern freiwillig auf moderne Technologien, weil diese das Berufs- und Arbeitsleben vereinfachen. Richtig ist natürlich, dass der Informationsfluss insofern reguliert werden muss, als dass die missbräuchliche Nutzung von Informationen so schwer wie möglich wird. Den Digitalisierungsprozess als solchen als zentraleuropäisches und wirtschaftsstarkes Land aber bremsen zu wollen, würde unser ohnehin schon analoges Deutschland noch weiter zurückwerfen und nicht zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Zur Wettbewerbsfähigkeit tragen auch Schul- und Berufsausbildung bei. Insbesondere für ein rohstoffarmes Land wie das unsere ist Wissen Kapital. Die Alternative für Deutschland ist auch hier eher rückwärtsgewandt: Inklusive Klassen soll es nicht mehr geben, stattdessen sollen Kinder mit Lernbeeinträchtigung in eigenen Schulklassen unterrichtet werden. Viel gravierender als das wäre aber die von der Partei beabsichtigte Abschaffung der allgemeinen Schulpflicht. Der Staat, so die Begründung, könne bereits jetzt Bildung nicht mehr zuverlässig gewährleisten, so dass es die Möglichkeit geben sollte, Kinder Zuhause oder anderweitig unterrichten (lassen) zu können. Dass es gute Gründe für einen verpflichtenden Schulbesuch gibt wird schlichtweg missachtet: Sozialisation, objektivierbare Bildung, Tagesstruktur für Heranwachsende und ja, auch überprüfte Inhalte, die vermittelt werden, sind wichtig. Dass unser Schulsystem reformbedürftig ist, steht außer Frage. Reformen sollten aber progressiv sein und nicht die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zerstören. Das sind bisher zwar allenfalls dumme und rückwärtsgewandte Ideen, von Nationalsozialismus und Hitler ist aber weit und breit keine Spur.
Etwas anders sieht es beim Thema Migrations- und Asylpolitik aus. Vornweg: Auch hier ist an keiner Stelle die offene Rede von Vernichtung und Vertreibung bestimmter Menschengruppen. Wohl macht die AfD aber kein Geheimnis daraus, dass sie Personen aus muslimischen Kulturkreisen eher nicht in Deutschland haben und vor allem straffällig gewordene Asylbewerber und Migranten schnellstmöglich abschieben möchte. Seit der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff sagte, der Islam gehöre zu Deutschland, gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob dem tatsächlich so ist. Die AfD schrieb 2016 in ihr Grundsatzprogramm: ,,Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und positionierte sich so klar gegen Wulff und den Islam als Bestandteil der Bundesrepublik. Jahre später greift sie den Begriff ,,Remigration" auf, der durchaus als Synonym für Deportation gemeint sein könnte - nur nicht in Konzentrationslager, sondern in die Herkunftsländer der (ausreisepflichtigen) Migranten und Asylbewerber. Hier wird es schon schwerer, eine Trennlinie zwischen Rassismus und legitimer Rechtsanwendung zu ziehen, weil eben nicht nüchtern auf die Rechtslage und deren Exekution verwiesen wird, sondern durch die Diffamierung der Migranten als ,,alimentierte Messermänner" und ,,Kopftuchmädchen" Stimmung gegen bestimmte Minderheiten betrieben wird. Verständlich und richtig ist, dass diejenigen Personen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, ebendieses verlassen müssen. Selbstredend muss das auch durchgesetzt werden, ansonsten ist das Asyl- und Bleiberecht eine Farce - wer sowieso bleiben kann, muss schließlich keinen Antrag stellen, wenn das Ergebnis keine Konsequenzen nach sich zieht. Problematisch hierbei ist, dass die Programmatik der AfD offenkundig rassistische Weltvorstellungen aufgreift - nur eben nicht mehr mit derselben harten und offensiven Wortwahl, mit der es Nationalsozialisten dereinst taten, aber ausreichend, um sich regelmäßig dem Vorwurf der Volksverhetzung stellen zu müssen.
So heißt es im AfD-Parteiprogramm, dass sich die Partei zur ,,deutschen Leitkultur" bekennt und die Ideologie des Multikulturalismus als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit begreift. Der deutsche Staat und die Zivilgesellschaften müssten die deutsche kulturelle Identität ,,selbstbewusst verteidigen." Was aber bedeutet das? Zunächst wird hier eine klare Trennlinie zwischen der deutschen und allen anderen Kulturen gezogen. Was unter den Nationalsozialisten der blonde und blauäugige Deutsche war, ist für die AfD also derjenige, der deutsche kulturelle Merkmale aufweisen kann. Der Multikulturalismus stelle eine Gefahr für den Fortbestand der kulturellen ,,nationalen Einheit" dar, heißt es weiter. Mit anderen Worten: Der Deutsche, der sich nun nicht mehr anhand äußerlicher, sondern kultureller Merkmale erkennbar macht, ist innerhalb der Nation Teil einer deutsch-kulturellen Masse, die eine ebensolche bleiben soll. Jedwede anderen kulturellen Einflüsse gefährdeten die Homogenität nicht nur, sie verschlechterten sie auch. Damit verabschiedet sich die Partei von der grundgesetzlichen Vorstellung, dass alle Menschen gleich sind und verstößt somit gegen das Grundgesetz. Anders als die NSDAP definiert sie den Deutschen nicht mehr als Rasse, wohl aber als Kulturnation, die offenkundig über anderen steht; dass sie nach ihrer Ansicht über anderen steht, lässt sich aus der gefürchteten Verschlechterung und Abschaffung der deutschen Nationalkultur durch Multi-Kulti schlussfolgern. Kombiniert mit der scharfen Rhetorik, der expliziten und wiederkehrenden Erwähnung des Islam im Parteiprogramm, der nicht zu Deutschland gehöre und den hetzerischen Auftritten in breiter Öffentlichkeit lässt sich zwar noch immer nicht behaupten, dass Muslime in Deutschland bei einer Regentschaft der AfD unmittelbar um ihr Leben fürchten müssten. Wohl aber ist vorstellbar, dass diese harmlos klingenden Umschreibungen der nationalen Identität und den Angriffen auf ebendiese langfristig den Weg ebnen könnten, um einen entsprechenden ,,Gegenangriff" gegen Muslime respektive andere einflussnehmende Kulturen zu starten, die die AfD als Feind begreift.
Hinsichtlich der deutschen historischen Verantwortung müsste eine solche Partei als nichtwählbar gelten - und zwar selbst dann, wenn all ihre sonstigen Punkte vernünftig und richtig wären. Deutschland ist aufgrund seiner eigenen Geschichte der führende Experte was Völkermord und Rassismus angeht und trotzdem entgeht den Wählerinnen und Wählern die Gefahr, die sowohl offenkundig ist als auch zwischen den Zeilen steckt. Dass sich die meisten Menschen weder mit der Alternative für Deutschland noch mit anderen Parteien tiefer auseinandersetzen ist sicher ein Teil Erklärung ihres Erfolges bei der letzten Bundestagswahl. Vielleicht ist aber auch ein Teil der Wahrheit, dass der Glaube daran, besser, stärker, intelligenter und wertvoller zu als alle anderen Menschen auf der Welt noch immer Teil der deutschen Identität ist. Denn die anderen politischen Vorstellungen der Partei dürften kaum bekannt sein. Nur wenige ihrer Wähler werden sich die Frage gestellt haben, wie die AfD mit lerneingeschränkten Kindern in der Schule umgehen möchte, welche Konsequenzen die Wiedereinfuhr der D-Markt hätte oder wie sie sich die Digitalisierung vorstellt. Die bloße Herausstellung der Herabsetzung Nicht-Deutscher, Nicht-Europäischer und vor allem muslimischer Personen, die sich in Deutschland aufhalten, führte dazu, dass sie zweitstärkste Kraft bei der letzten Bundestagswahl wurde. Das sagt mehr über den ,,Kulturdeutschen" aus als über die Partei selbst.
Unzweifelhaft kommt hinzu, dass Europa tatsächlich ein zunehmendes Problem mit (ausreisepflichtigen) Asylbewerbern aus Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten hat, die gewalttätig werden. Erst vor wenigen Wochen gab es in Spanien Ausschreitungen, nachdem Nordafrikaner einen spanischen Rentner völlig grundlos krankenhausreif geschlagen haben. Als Reaktion darauf versammelten sich Spanier und griffen landesweit nordafrikanisch aussehende Personen an. Kürzlich wurde in Klagenfurt (Österreich) ein Syrer von einem Kenianer niedergestochen. Solche und ähnliche Meldungen häufen sich bereits seit Monaten. Dadurch wächst ein Unsicherheitsgefühl, das sich durch die polizeiliche Kriminalstatistik gar objektivieren lässt. In Deutschland fehlt die Antwort darauf. Wir diskutieren gerne über all das, was nicht funktioniert, statt uns Konzepte zu überlegen, die funktionieren könnten und sie auszuprobieren - das führt zur Erstarkung der AfD, die als einzige Partei nicht nur eine Lösung anbietet, sondern sogar eine, die den Deutschen wohlbekannt ist: Deportation. Oder Neudeutsch: Remigration.
Andere europäische Staaten sind mit ihren Lösungsprozessen bereits weiter. Dänemark löst seine Stadtviertel auf, wenn der Migrationsanteil dort höher als 30 Prozent ist. Ausreisepflichtige Asylbewerber werden in einem Auffanglager nahe Kopenhagen festgehalten. Polen schützt seine und damit auch die europäischen Außengrenzen mit Gewalt. Ungarn zahlt inzwischen täglich eine Strafzahlung in Höhe von 1 Million Euro an die EU, weil es keine Asylbewerber aufnehmen möchte - aber, und das ist traurige Wahrheit, es hat keine Probleme mit steigender Kriminalität. Die Stimmung in der EU dreht sich. Die anfängliche Willkommenskultur, als Europäer mit Teddybären und Welcome-Schildern an Bahnhöfen standen, um Geflüchtete in Empfang zu nehmen, wandelt sich hin zu einer Abschiedskultur. Mit der neuen deutschen Bundesregierung ist der Stimmungswandel allmählich auch in der hiesigen Politiklandschaft spürbar. Unter Friedrich Merz wurden Zahlungen an die Seenotrettung eingestellt und scheinbar wird häufiger abgeschoben, auch nach Afghanistan, was unter Olaf Scholz nicht möglich war. Im Vergleich zu den Maßnahmen unserer EU-Nachbarn sind das Kleinigkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass die Merz-Regierung begriffen hat, welch Ausmaß unzureichendes Handeln langfristig haben kann - nicht nur sicherheitspolitisch, wenn nicht ausreichend gegen die steigende Kriminalitätsrate gearbeitet wird, sondern auch parteipolitisch, wenn Kräfte an die Macht kommen, die keine goldene Mitte, wohl aber Extreme kennen. Das aber bedeutet nicht, dass die AfD in ihrer jetzigen Form den Anschein erweckt, sie würde auch nur annähernd so etwas wie die NSDAP im Hinterkopf haben. Sie vertritt eine rassistische Weltvorstellung, die sie als Kultur verkauft, sie begreift die ,,deutsche Kulturnation" als überlegen und sie hat ein offensichtliches Problem mit Migranten, doch nichts deutet derzeit daraufhin, dass sie einen Völkermord oder ähnliche Grausamkeiten beabsichtigt - wohl aber die massenhafte Abschiebung und die Abschottung des Landes.
Dass die Ampel-Regierung dem der wachsenden Kriminalität und insbesondere dem Unsicherheitsgefühl der Gesellschaft bis zum Schluss tatenlos zugesehen hat gibt nun der AfD inhaltlich recht. Erst vor wenigen Tagen hat sie eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung bezüglich Straftaten an deutschen Hauptbahnhöfen gestellt. Dummerweise beweist auch diese, dass an den von Alice Weidel im Bundestag postulierten ,,alimentierten Messermännern" etwas dran ist: Wie vor Monaten in der PKA sind auch hier Afghanen, Syrer und Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden konnte, überrepräsentiert - was Messerangriffe angeht, aber auch Sexual- und Eigentumsdelikte. Es gibt ein statistisch relevantes Problem bei der Kriminalität durch Nicht-Deutsche, das dringend von denjenigen gelöst werden muss, die rational denken können, deren Programmatik weder Hass, Hetze noch Nationalismus beinhalten und die verstehen, dass Abschottung und Regression allein keine Antwort darauf sein können wird.
Neben den steigenden Straftaten und dem Unsicherheitsgefühl ist noch eines Wasser auf den Mühlen der AfD: Linke. Während die europäische Grundhaltung zunehmend konservativ bis rechts wird, fordern diese unaufhaltsam mehr Migration, weniger Abschiebung, sprechen von Enteignung und anderen undemokratischen Ideen. So war Ines Schwerdtner von der Partei Die Linke Gast bei dem Podcast ,,Jung & Naiv", in dem sie gefragt wurde, ob es denn nicht eine Idee wäre, auch Lebensmittel für alle Menschen frei zugänglich zu machen, was einer Enteignung von Supermärkten gleichkäme. Die Antwort war: Das sei ein spannender Gedanke und vielleicht gar nicht verkehrt. Selbstverständlich ging es auch um die Enteignung von Wohngenossenschaften, eine höhere Reichensteuer und die Einfuhr der ,,sozialistischen Demokratie", was auch immer diese bedeutet. Natürlich ist das auch undemokratischer Nonsens, doch vor allem in Anbetracht dessen, dass Europa gerade mit sich, seinem Selbstverständnis, Kriminalität und Migration kämpft und konservativer wird - wie Deutschland für sich genommen auch - klingt das für viele (einschließlich mir) nach: Am Thema vorbei. Es fehlt am Erkenntnisgewinn. Hinzu kommen ähnlich populistische Zuspitzungen wie sie die AfD auch formuliert. Hält die AfD die ,,deutsche Kulturnation" für Erhaltens- und Verteidigungswert und erhebt sich dadurch über andere Kulturen und Nationen, weigern sich Linke, die Nationalhymne mitzusingen oder können mit Deutschland nichts anfangen. Das eine ist eine Überhöhung der eigenen Herkunft, das andere ist die Gewalt gegen sich selbst. Wie wäre es mit: Ein bisschen mehr Rationalität und ein bisschen mehr Mitte wagen?
18.08.25
©Daniel Nuber
Daniel Nuber, geboren 1990, Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen, ist mitverantwortlich für das operative Tagesgeschäft einer der größten Intensivstationen in Bayern. Privat gilt seine Leidenschaft der Politik, der Geschichte und dem Reisen.
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Und sie alle haben gewarnt. Oh, wie sie gewarnt haben! Öffentlich Rechtliche Sender wurden nicht müde zu betonen, dass die AfD eine gewisse ideologische Nähe zur NSDAP pflege. Politiker der Partei mit dem blauen Logo und dem Roten Pfeil sprachen gerne vom Schuldkult, ging es um die Aufarbeitung des von Nazi-Deutschland durchgeführten Holocausts, um ebendiesen zu bagatellisieren. Ähnlich wie die Nationalsozialisten zu jener Zeit priorisiert die Alternative für Deutschland zudem das traditionelle Frauen- und Rollenbild: Frau, Mutter, Kind, am besten blond und blauäugig. Gefährlich in einer unüberschaubaren Zeit, in der Familienkonstellationen jeglicher Art möglich sind und so manche deutsche Stadt gepflastert ist von LGBTQ-Flaggen, die vieles symbolisieren, aber sich keine konservative, rechte oder gar nationalistische Weltanschauung. Als Medien bemerkten, dass sie mit ihrer vermeintlichen Aufklärungsarbeit über die AfD nicht bewirkten, dass deren Beliebtheitswerte sanken, schlossen sie ihre Vertreter aus öffentlichen Diskursen aus. Keine Talkshows. Keine öffentlichen Veranstaltungen. Wer auch nur ideologisch in der Nähe der AfD war, konnte sogar seinen Arbeitsplatz verlieren und musste ihn sich mühsam vor Gericht wieder erstreiten. Doch kein Moderator, kein Journalist, kein Medienmacher begriff, dass die Werbung für die Partei nicht in politischen Auftritten lag, sondern vielmehr in jeder einzelnen Eilmeldung über einen Messerstecher oder einen Missbrauch. Im Internet fanden sich zudem neue Medien, die den Politikern aus dem rechtskonservativen Spektrum sehr wohl eine Plattform boten und mehr noch: Es fanden sich sogar Menschen, die weder Journalisten, Politiker noch Aktivisten waren, sondern YouTuber, die ihre eigene Meinung zur öffentlichen Debatte darboten und oft die logischeren und schlüssigeren Darstellungen und Argumente hatten als jene aus liberalen, libertären und linken Lagern. Logisch bedeutet jedoch nicht zwangsläufig wahr. Das aber interessiert den Wähler herzlich wenig. Was in den 1930er Jahren der Volksempfänger war, ist jetzt, in den 2020er Jahren, das Internet.
Zudem versuchen die Russen seit 2022 die Ukraine zu erobern. Die Antwort des Westens lag primär in Waffenlieferungen. Die Menschen sind inzwischen müde vom Krieg und noch müder von dem Gefühl, selbst Opfer zu sein. Die westliche Medienmaschinerie bot in den letzten Jahren alles: Angst vor einem Weltkrieg, Angst vor einem Atomkrieg, Angst vor einem Russland, das einen Eroberungskrieg führt. Dass das russische Militär nach einigen Monaten auf Panzer aus Museen zurückgreifen musste - geschenkt. Hauptsache Angst. Da die Europäische Union und die Vereinigten Staaten mit der Lieferung von Waffen nicht vorankamen und die Wirtschaftssanktionen kein Kriegsendete initiierten, schlug die AfD vor: Die Waffen müssen schweigen, damit in der dann eingekehrten Ruhe mit Putin verhandelt werden kann. Gleichzeitig herrschte in Übersee ein vermeintlich Irrer. Trump, ein völlig irrational scheinender Immobilienmogul, dessen Interessen nur ihm selbst dienten, erst dann seinem Land und nur nachrangig der Weltbevölkerung, befeuerte nationalistische Ideen weltweit. Denn Nationalismus ist zunächst wie Watte, in das sich die jeweiligen Länder wiegen, wenn es um sie herum und ihnen selbst unbequem wird; doch es ist leicht entzündlich und brennt schnell, brennt alles nieder. Dennoch kamen sie. Vielleicht nicht die Nationalisten, wie wir sie im Kopf haben, nicht die strengen Männer in grauen Uniformen mit aufgenähten Haken- und Blitzsymbolen, wohl aber die in feinen Anzügen, die meist gemäßigt reden und freundlich lächeln. Sogar die ein oder andere Frau war und ist dabei. Sie alle vereint der Wunsch nach Trennung. Die Auflösung der Europäischen Union, die Schließung von Grenzen, die Zurückweisung von Flüchtlingsbooten und die Reduktion von Migration aus bestimmten Weltregionen. Zum gepflegten Nationalismus gehört auch das Streben nach Verschlingen anderer Staaten. Trump, der Grönland beanspruchen möchte ist ein Beispiel dafür - ebenso beispielhaft die Nichtreaktion europäischer Verbündeter auf solche Allmachtfantasien. All das ist aber gehobene Politik. Dem einfachen Volk geht es um etwas anderes: Um Sicherheit und Stabilität. Bei den letzten Wahlen 2025 lag die AfD nur knapp hinter der Union und war damit zweitstärkste Kraft in Deutschland. Heute, vier Jahre später, wird erneut gewählt - und allem Anschein waren die Bemühungen von Friedrich Merz nur unzureichend, denn die ersten Auszählungen liegen bei weit über 30 Prozent.
10.06.2029. ,,Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Wie bei vielen ihrer Auftritte trug Alice Weidel bei ihrer Vereidigung zur Bundeskanzlerin ein helles Sakko zum strengen Dutt. Die gesellschaftliche und vor allem mediale Empörung ist nach den Wahlergebnissen groß. Die SPD existiert praktisch nicht mehr. Spricht jemand von den Grünen, ist zumeist nur noch die Farbe gemeint. Die CDU/CSU ist mit 25 Prozent immerhin noch vertreten, doch muss sich der AfD unterordnen. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse hat diese eine ,,vollkommene Neuausrichtung der Politik" angekündigt. Das Internet tobt vor Freude, vor allem jene so genannte Alternativmedien, die in den letzten Jahren an jeder Ecke den Teufel sahen und ihn dann in YouTube-Videos skizzierten. Schon in den letzten Wochen geschahen unzählige Anschläge auf Asylbewerberheime. Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften arbeiten, wurden bedroht. Schulen mit hohen Migrationsanteilen brannten lichterloh. Die ersten Deutschen haben das Land verlassen, denn sie befürchten, dass das ,,wie damals mit Hitler" würde. Türkische und arabische Läden werden vermehrt mit dem türkischen Halbmond markiert und anschließend demoliert. An Grenzübergängen formen sich Bürgerwehren, die gezielt auf die Jagd nach Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten gehen. In den sozialen Medien mehren sich Nachrichten, dass Menschen mit dunklen Haaren und brauner Haut Rentner verprügeln, mitteleuropäisch aussehende Männer und Frauen belästigen und töten. Verifizieren lässt sich das nicht. Doch es erfüllt seinen Zweck: Die, die ihre Ausländerfeindlichkeit schon immer gewaltsam ausüben wollten, fühlen sich nun legitimiert dazu.
Weder Weidel noch ihr stellvertretender Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister Thilo Chrupalla äußern sich ernsthaft zu den Vorfällen. Das seien alles vereinfachte Darstellungen, sagen sie, und ob sie im Kern richtig sind, sei fraglich, da die ,,öffentlichen Medien gerne jeden so framen, wie sie es wollen, wenn sie nicht in deren Weltbild passen." Natürlich darf ein Hinweis auf das Versprechen nicht fehlen, dass der Öffentlich Rechtliche Rundfunk ohnehin abgeschafft werden wird. Bei Markus Lanz und Sandra Maischberger wird sofort über Nationalismus gesprochen - nicht aber mit jenen, die ihn vermeintlich verantworten, sondern mit Politikern ausgeschiedener und inzwischen zur Irrelevanz verkommenen Parteien. Ab und zu sitzen dort auch Wissenschaftler mit verwirrenden Thesen, die sie denken, verständlich schreiben, aber unmöglich nachvollziehbar verbal ausformulieren können. ,,Dieses Land ist am Ende", kommentieren das manche User unter den Videos im Internet. ,,ALICE FÜR DEUTSCHLAND!!" steht dann oft darunter. Doch die Straßen sind bereits ein Schlachtfeld. Die AfD hat binnen kürzester Zeit die Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt. Putin redet noch immer nicht, hat aber weite Teile der Ukraine eingenommen und Selenskyi zur Flucht bewegt. Polen und die baltischen Staaten ziehen Truppen an ihren Grenzen zusammen. Trump, der es durch politische Tricksereien geschafft hat, weiterhin an der Macht zu bleiben, erhebt mal 300 Prozent Zölle, mal 20 Prozent Zölle, mal gar keine. Mal mag er Putin, mal mag er Putin nicht. ,,Alice", sagte er gegenüber Fox News, ,,is such a beautiful woman. If you want to calm her down you just have to grab her by the p....". Die Intellektuellen in Deutschland finden keine Worte mehr. In vielen Kellern wird gesoffen, Musik gehört und der Umsturz geplant. Dass Deutschland auf einen eigenen Eroberungsfeldzug gehen wird, glaubt niemand - soweit reichen die gesponnen Fäden zwischen NSDAP und AfD dann doch nicht. Das Wüten faschistischer Kräfte innerhalb der Bundesrepublik aber ist für Linke Motivation genug, sich Widerstandskämpfer zu nennen und ,,was zu machen". ,,Wenn Unrecht zu Recht wird", zitieren so manche im Internet Berthold Brecht, weil sie selbst zu Erkenntnissen und komplexen Denkprozessen nicht in der Lage sind, ,,wird Widerstand zur Pflicht." Bis auf wüste Schlägereien und Auseinandersetzungen mit der Polizei ist vom echten Widerstand jedenfalls noch nichts zu sehen.
Widerstand leistet allenfalls die Wirtschaft. Hochrangige Vertreter der Ihren wehren sich gegen die Wiedereinfuhr von Atom- und Kernenergie. Das seien Technologien, die durch Wind- und Solarenergie überwunden worden seien und es gäbe keinen Anlass, zu ihnen zurückzukehren. Die ersten Vorstandsvorsitzenden sind bereits spurlos verschwunden. In den sozialen Medien finden sich offensichtlich von einer KI generierte Videos von ihnen, die sie unbeschwert im Urlaub zeigen. ,,Wir finden es natürlich schade", sagt der AfD-Pressesprecher dazu, ,,dass manche Unternehmensspitzen den Wirtschaftsstandort Deutschland unentschuldigt verlassen und Urlaub Arbeit vorziehen" und lächelt dabei schelmisch, doch beweisen lässt sich nichts. Indes hält Alice Weidel geradezu hysterisch-pubertäre Zoom-Meetings mit Putin ab, indem sie ihm unverhohlen zur Befriedung des ukrainischen Gebietes beglückwünscht. Die Opposition tobt; selbst die inzwischen auch rechtskonservativ geführten europäischen Nachbarstaaten kritisieren die wohlwollende Haltung der Bundesregierung gegenüber Russland. Schon wenige Wochen nach Amtsantritt ist die Europäische Union ein Trümmerhaufen. Die Erlässe der Kommission werden kaum noch umgesetzt, geschweige denn finden glaubwürdige Absprachen statt - Sitzungen gleichen einem Theaterstück. Die ersten EU-Staaten schließen ihre Grenzen zueinander, vor allem, weil Deutschland Flüchtlinge in alle Richtungen abschiebt und abweist. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht so schnell prozessieren, wie Klagen eingehen.
,,Wir nehmen gerne jeden in Deutschland auf, der bereit ist, sich unserer Kultur und unserer Sprache zu unterwerfen und einen Teil zur deutschen Erfolgsgeschichte beizutragen", heißt es aus dem AfD geführten Außenministerium. ,,Taugenichtse, Messermänner und ähnliches Klientel werden wir aber ohne Erbarmen aus unserem wunderschönen Land verbannen." Auch hier mehrt sich der Widerstand der Wirtschaft, die vor Pauschalisierung warnt und auf fehlende Arbeitskraft hinweist. ,,Jeder Beschäftigte, der geht oder gar nicht erst kommt, schwächt unser Bruttoinlandsprodukt", sagen sie. Das aber interessiert niemanden. Erste YouTuber, die lange schon reichweitenstärker sind als etablierte Journalisten, berichten in ihren Vlogs über Züge, die an einen eingezäunten und überwachten Ort fahren. ,,Ey Leute, das ist hier wie in Area51 oder so", sagt einer von ihnen und filmt sich dabei selbst. ,,Hier sind überall Schilder und so und da ist auch ein Soldat, der hat mich schon ein paar Mal weggeschickt." Zu sehen sind tatsächlich Schilder, die auf ein militärisches Sperrgebiet hinweisen. Einige Meter hinter der Umzäunung beginnen hohe Betonwände. Nicht einsehbar. Nicht überwindbar. Niemand weiß, aber alle ahnen, was hier geschehen könnte. Doch die breite Masse schweigt, denn sie weiß, dass sie später nichts gewusst haben wird.
04.08.2029. Schulen haben sich gravierend verändert. Kinder mit Behinderung werden ausgeschlossen und in eigene Klassen zusammengefasst, um den ,,Lernfortschritt der übrigen Schülerinnen und Schüler nicht zu beeinträchtigen", wie es aus dem Kulturministerium heißt. Selbiges geschieht mit Heranwachsenden, die nur mäßig bis schlecht Deutsch können. Viele gibt es von ihnen nicht mehr. In den Brennpunktschulen sind einige Klassen halbiert oder gänzlich gestrichen worden, weil einige Familien wie vom Erdboden verschluckt sind. Die berühmt berüchtigten Parks, wie etwa der Görlitzer Park in Berlin, werden von der Polizei praktisch belagert. Wer verdächtig ist, wird aufgegriffen, durchsucht und inhaftiert, auch ohne Beweise. Wie lange ist unterschiedlich - 24 Stunden, 72 Stunden, bei aufmüpfigen Verdächtigen auch länger. Gerichte sind in Teilen bereits untergraben von AfD-Juristen, die ein und manchmal auch beide Augen zudrücken. Die Deutschen schweigen, so wie sie immer schon geschwiegen haben. Protest tritt allenfalls im Internet auf und in hitzigen Diskussionen im Fernsehen, die keine politischen Konsequenzen nach sich ziehen. Satiriker versuchen den Ernst der Lage ins Lächerliche zu ziehen, doch auch sie sind gemäßigter als noch vor der AfD-Regentschaft, denn sie wissen, dass sie einer von jenen werden könnten, die plötzlich verschwinden - es ist das Spiel mit dem Henker, der Spaß, aber keine Kritik erlaubt.
Die zerbröselnde Europäische Union und die von einem unberechenbaren Immobilienmogul geführte USA führen dazu, dass Japan Taiwan angreift. Es sei eine Insel, die historisch zu Japan gehöre und an der Zeit, dass wieder zusammenwächst, was zusammengehört, so die Erklärung der japanischen Regierung. Trump liebäugelt nun noch mehr mit Grönland und entsendet U-Boote in die strategische Nähe. Ob es sich um atomar betriebene oder atomar ausgestattete U-Boote handelt, wird nicht näher erläutert. Deutschland diskutiert aufgrund dieser Entwicklungen die eigene atomare Aufrüstung - auch deshalb, weil Frankreich und Großbritannien nicht mehr garantieren, im Falle eines wie auch immer gearteten Krieges die deutsche Region atomar abzuschirmen. ,,Wir betrachten die USA noch immer als unseren Partner", sagt Alice Weidel, ,,müssen aber sehen, dass die zunehmenden Aggressionen gegen europäischen Boden möglicherweise auch uns betreffen." Es gäbe kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung. Wie bereits vor ihrer Wahl stehen Weidel und Chrupalla gemeinsam vor den Kameras. ,,Als Vermittler hoffen wir auf unsere russischen Freunde, die bei Verhandlungen sowohl mit Japan als auch mit den USA behilflich sein können", ergänzt Chrupalla. In den russischen Staatsmedien wird propagiert, dass Russland die Rolle des besten Freundes Europas einnehmen würde. Die USA dankten ab und zeigten nun ihr wahres imperiales Gesicht, das ihnen, Putin und seinen Gefolgsleuten, schon seit Jahrzehnten bekannt gewesen sei. Vorsichtige Glückwünsche kommen von Sarah Wagenknecht und ihrem Bündnis. Endlich habe Deutschland begriffen, wer Freund und Feind sei. Lange schon interessiert sich kaum noch jemand für das BSW. Wie die meisten anderen Parteien ist auch diese im Nirwana verschwunden.
Allmählich verändert sich auch die Medienlandschaft. Die Rundfunkgebühren wurde nicht abgeschafft, aber bis auf weiteres ausgesetzt. Intendanten und Journalisten der Öffentlich Rechtlichen Rundfunksender klagen ihr Leid und weisen auf das Grundgesetz hin. Durch die immer geringer werdenden Angebote des ÖRR überwiegen propagandistische Sender. Menschen weichen zunehmend auch auf Soziale Medien aus, wo der Algorithmus dafür sorgt, dass sie das sehen, was sie sehen wollen und nicht das, was sie sehen müssten. Es fällt nur niemandem auf. Obwohl offen kommuniziert wird, dass Kriminalitätsraten sinken - ob es tatsächlich so ist oder eine Falschmeldung lässt sich nicht unabhängig nachvollziehen -, rufen viele Wählerinnen und Wähler noch immer nach noch mehr Deportation und Härte, denn unzählige Kurzvideos thematisieren noch immer Tötungsdelikte, Messerstechereien und Sexualverbrechen ohne müde zu werden, diese mit Migranten in Verbindung zu bringen. Türkische und arabische Restaurants brennen bundesweit. Vor Shisha-Bars gibt es blutige Auseinandersetzungen zwischen Inhabern, Besuchern, so genannten besorgten Bürgern und Nationalisten. Die Polizei sieht breitwillig weg. Auf Telegram organisieren sich Verschwörungstheoretiker, die die Zustände neu interpretieren: Es seien Afghanistan und Syrien, die mit Absicht Kriminelle nach Deutschland schickten, um das Land zu destabilisieren. Das ließe sich nur lösen, in dem diese Länder dem Erdboden gleich gemacht würden ...
Zurück in das Jahr 2025. So wie beschrieben oder so ähnlich scheinen sich manche Menschen die Regentschaft der Alternative für Deutschland vorzustellen: Schnelle Eskalationsspiralen, eine Freisetzung und Selbstlegitimierung rassistischer und nationalistischer Gewalt, eine neue Russlandfreundlichkeit und natürlich die Vertreibung und Deportation von Muslimen. Allzu gerne werden Analogien zur Machtergreifung der Nationalsozialisten gezogen. Auch wir durchlebten eine Rezession, politische Instabilität und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die AfD bediene sich der NS-Rhetorik und sei gefährlich, weil sie offenkundig die freiheitlich-demokratische Grundordnung stürzen wolle. Erstaunliche Parallelen werden zu den 1930er Jahren aufgebaut, die aufzeigen sollen, wie gefährlich die Partei sei - bis hin zu Gewaltfantasien von pubertären Grünen-Jugendlichen, die in Podcasts über Waffengewalt als Instrument des Widerstands fantasieren. All das und insbesondere der nahezu pathologische Versuch, Analogien zwischen unserer Zeit und der Zeit des (aufkeimenden) Nationalsozialismus aufzuzeigen, bagatellisiert vor allem Nazi-Deutschland und die mit ihm zusammenhängenden Verbrechen, denn Geschichte wiederholt sich nicht.
Der Holocaust und der Zweite Weltkrieg waren keine Ereignisse, die von jetzt auf gleich oder gar spontan stattfanden. Judenhass reicht bis in die Antike - die Massenvernichtung von Juden durch Nationalsozialisten war der traurige Höhepunkt von beinahe zweitausend Jahren Antisemitismus. Auch das NS-Regime war eine Folge der vorausgegangenen Jahre, der Wirtschaftskrisen und des Ersten Weltkrieges. Die Wahl von Hitler war ein Ergebnis des Versailler Vertrages und der instabilen Weimarer Republik gepaart mit einer mit heute nicht zu vergleichenden Arbeitslosenquote von bis zu beinahe 30 Prozent und damit zusammenhängender Armut. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft, die die NSDAP entstehen und erfolgreich werden ließ, ist nicht gleichzusetzen mit der, in der wir heute leben. In Deutschland haben wir derzeit eine Arbeitslosenquote von nur 6,3 Prozent - nicht einmal ein Drittel im Vergleich zu 1929, da betrug sie 29,9 Prozent. Das Ende des Ersten Weltkrieges lag kaum 20 Jahre zurück und der Staat verlor erhebliche Teile seiner Region - wir haben seit 1945 keinen Krieg mehr erlebt. Etwa 21 Prozent der heute in Deutschland lebenden Menschen sind von Armut betroffen. Niemand sollte in ärmlichen Verhältnissen leben oder von ihr betroffen sein, doch im Vergleich zu den 30er Jahren geht es auch ihnen vergleichsweise gut - damals gab es kein Bürgergeld, Arbeitsvermittler und Sozialarbeiter. Der Boden, auf dem Parteien gedeihen und sterben, ist also ein anderer als noch vor einhundert Jahren. Das Gedankengut der AfD mit dem der NSDAP gleichzusetzen und in ihr eine ähnliche Gefahr zu wittern wie seinerzeit durch die Nazis, verharmlost den millionenfachen Mord an unschuldigen Menschen, verharmlost Vertreibung und verharmlost einen Weltkrieg, der weitreichende Folgen für die nächsten Generationen hatte.
Das NS-Regime war in unserer Vorstellung die Fleischwerdung des Teufels auf Erden. Deshalb fungiert es auch als Maßstab des Bösen - weltweit. Donald Trump und Wladimir Putin wurden auch mit Hitler verglichen. Diese Vergleiche entbehren jedoch jeglicher rationalen Beobachtung und die Inflationäre Verwendung führt zu einer Bagatellisierung der Nationalsozialisten. Deshalb sollten wir versuchen, Parteien und Politiker gemäß des Zeitgeistes einzuordnen und keine historischen Parallelen zu ziehen, die die Debatte verfälschen oder gar unmöglich machen. Aus diesem Grund funktioniert auch die Auseinandersetzung mit der AfD nur mäßig - bis auf Nazi-Vorwürfe und Vergleiche mit Adolf Hitler findet kaum eine konstruktive Auseinandersetzung mit ihr statt. Sehr wohl ließe sich aber feststellen, dass die Ziele der AfD dem Land mehr schaden als nutzen würden - nur aus anderen Gründen. Lassen Sie uns das ein wenig näher betrachten: Die AfD möchte die D-Mark wieder einführen und präferiert Bargeldzahlungen. Eine eigene Währung wäre nicht nur aufgrund des Umtauschprozesses bei Auslandsreisen nervig, sie wäre auch volkswirtschaftlich schlicht dumm: Zwischen 1987 und 1998 betrug die Inflation unter der Deutschen Mark kumuliert beinahe 30 Prozent, der Euro kämpfte nach seiner Einfuhr bis heute kumuliert nur mit etwa 2 Prozent. Die Rückkehr zur Mark hätte also allenfalls einen nostalgischen, aber keinen wirtschaftlichen Wert. Finanzwirtschaftlich kommen noch andere Fantasieprojekte hinzu: 20.000 Euro Prämie fürs Kinderkriegen, Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren und großzügige Steuersenkungen, welche in Summe ein Defizit von 100 Milliarden Euro bedeuteten. Das gefährdete auf lange Sicht den Staatshaushalt und die Finanzierbarkeit unseres Landes, zumal die Partei bis heute keine nachrechenbaren Antworten darauf liefert, wie all das zu finanzieren sei - außer mit sozialstaatlichen Kürzungen und weniger Entwicklungshilfen, wobei das allein auch nicht zur Finanzierung ausreichte.
Sehen wir uns den Umgang mit der weltweit zunehmenden Digitalisierung an und den Umgang der AfD mit ebendieser, so ist auch hier rückschrittliches Denken vorrangig. Die Partei nämlich möchte die Digitalisierung beschränken und die Privatsphäre der Bürger in den Vordergrund rücken. Einerseits widersprechen sich Digitales und Privates jedoch nicht, andererseits setzen eine zunehmende Anzahl an Unternehmen und Bürgern freiwillig auf moderne Technologien, weil diese das Berufs- und Arbeitsleben vereinfachen. Richtig ist natürlich, dass der Informationsfluss insofern reguliert werden muss, als dass die missbräuchliche Nutzung von Informationen so schwer wie möglich wird. Den Digitalisierungsprozess als solchen als zentraleuropäisches und wirtschaftsstarkes Land aber bremsen zu wollen, würde unser ohnehin schon analoges Deutschland noch weiter zurückwerfen und nicht zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Zur Wettbewerbsfähigkeit tragen auch Schul- und Berufsausbildung bei. Insbesondere für ein rohstoffarmes Land wie das unsere ist Wissen Kapital. Die Alternative für Deutschland ist auch hier eher rückwärtsgewandt: Inklusive Klassen soll es nicht mehr geben, stattdessen sollen Kinder mit Lernbeeinträchtigung in eigenen Schulklassen unterrichtet werden. Viel gravierender als das wäre aber die von der Partei beabsichtigte Abschaffung der allgemeinen Schulpflicht. Der Staat, so die Begründung, könne bereits jetzt Bildung nicht mehr zuverlässig gewährleisten, so dass es die Möglichkeit geben sollte, Kinder Zuhause oder anderweitig unterrichten (lassen) zu können. Dass es gute Gründe für einen verpflichtenden Schulbesuch gibt wird schlichtweg missachtet: Sozialisation, objektivierbare Bildung, Tagesstruktur für Heranwachsende und ja, auch überprüfte Inhalte, die vermittelt werden, sind wichtig. Dass unser Schulsystem reformbedürftig ist, steht außer Frage. Reformen sollten aber progressiv sein und nicht die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zerstören. Das sind bisher zwar allenfalls dumme und rückwärtsgewandte Ideen, von Nationalsozialismus und Hitler ist aber weit und breit keine Spur.
Etwas anders sieht es beim Thema Migrations- und Asylpolitik aus. Vornweg: Auch hier ist an keiner Stelle die offene Rede von Vernichtung und Vertreibung bestimmter Menschengruppen. Wohl macht die AfD aber kein Geheimnis daraus, dass sie Personen aus muslimischen Kulturkreisen eher nicht in Deutschland haben und vor allem straffällig gewordene Asylbewerber und Migranten schnellstmöglich abschieben möchte. Seit der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff sagte, der Islam gehöre zu Deutschland, gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob dem tatsächlich so ist. Die AfD schrieb 2016 in ihr Grundsatzprogramm: ,,Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und positionierte sich so klar gegen Wulff und den Islam als Bestandteil der Bundesrepublik. Jahre später greift sie den Begriff ,,Remigration" auf, der durchaus als Synonym für Deportation gemeint sein könnte - nur nicht in Konzentrationslager, sondern in die Herkunftsländer der (ausreisepflichtigen) Migranten und Asylbewerber. Hier wird es schon schwerer, eine Trennlinie zwischen Rassismus und legitimer Rechtsanwendung zu ziehen, weil eben nicht nüchtern auf die Rechtslage und deren Exekution verwiesen wird, sondern durch die Diffamierung der Migranten als ,,alimentierte Messermänner" und ,,Kopftuchmädchen" Stimmung gegen bestimmte Minderheiten betrieben wird. Verständlich und richtig ist, dass diejenigen Personen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, ebendieses verlassen müssen. Selbstredend muss das auch durchgesetzt werden, ansonsten ist das Asyl- und Bleiberecht eine Farce - wer sowieso bleiben kann, muss schließlich keinen Antrag stellen, wenn das Ergebnis keine Konsequenzen nach sich zieht. Problematisch hierbei ist, dass die Programmatik der AfD offenkundig rassistische Weltvorstellungen aufgreift - nur eben nicht mehr mit derselben harten und offensiven Wortwahl, mit der es Nationalsozialisten dereinst taten, aber ausreichend, um sich regelmäßig dem Vorwurf der Volksverhetzung stellen zu müssen.
So heißt es im AfD-Parteiprogramm, dass sich die Partei zur ,,deutschen Leitkultur" bekennt und die Ideologie des Multikulturalismus als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit begreift. Der deutsche Staat und die Zivilgesellschaften müssten die deutsche kulturelle Identität ,,selbstbewusst verteidigen." Was aber bedeutet das? Zunächst wird hier eine klare Trennlinie zwischen der deutschen und allen anderen Kulturen gezogen. Was unter den Nationalsozialisten der blonde und blauäugige Deutsche war, ist für die AfD also derjenige, der deutsche kulturelle Merkmale aufweisen kann. Der Multikulturalismus stelle eine Gefahr für den Fortbestand der kulturellen ,,nationalen Einheit" dar, heißt es weiter. Mit anderen Worten: Der Deutsche, der sich nun nicht mehr anhand äußerlicher, sondern kultureller Merkmale erkennbar macht, ist innerhalb der Nation Teil einer deutsch-kulturellen Masse, die eine ebensolche bleiben soll. Jedwede anderen kulturellen Einflüsse gefährdeten die Homogenität nicht nur, sie verschlechterten sie auch. Damit verabschiedet sich die Partei von der grundgesetzlichen Vorstellung, dass alle Menschen gleich sind und verstößt somit gegen das Grundgesetz. Anders als die NSDAP definiert sie den Deutschen nicht mehr als Rasse, wohl aber als Kulturnation, die offenkundig über anderen steht; dass sie nach ihrer Ansicht über anderen steht, lässt sich aus der gefürchteten Verschlechterung und Abschaffung der deutschen Nationalkultur durch Multi-Kulti schlussfolgern. Kombiniert mit der scharfen Rhetorik, der expliziten und wiederkehrenden Erwähnung des Islam im Parteiprogramm, der nicht zu Deutschland gehöre und den hetzerischen Auftritten in breiter Öffentlichkeit lässt sich zwar noch immer nicht behaupten, dass Muslime in Deutschland bei einer Regentschaft der AfD unmittelbar um ihr Leben fürchten müssten. Wohl aber ist vorstellbar, dass diese harmlos klingenden Umschreibungen der nationalen Identität und den Angriffen auf ebendiese langfristig den Weg ebnen könnten, um einen entsprechenden ,,Gegenangriff" gegen Muslime respektive andere einflussnehmende Kulturen zu starten, die die AfD als Feind begreift.
Hinsichtlich der deutschen historischen Verantwortung müsste eine solche Partei als nichtwählbar gelten - und zwar selbst dann, wenn all ihre sonstigen Punkte vernünftig und richtig wären. Deutschland ist aufgrund seiner eigenen Geschichte der führende Experte was Völkermord und Rassismus angeht und trotzdem entgeht den Wählerinnen und Wählern die Gefahr, die sowohl offenkundig ist als auch zwischen den Zeilen steckt. Dass sich die meisten Menschen weder mit der Alternative für Deutschland noch mit anderen Parteien tiefer auseinandersetzen ist sicher ein Teil Erklärung ihres Erfolges bei der letzten Bundestagswahl. Vielleicht ist aber auch ein Teil der Wahrheit, dass der Glaube daran, besser, stärker, intelligenter und wertvoller zu als alle anderen Menschen auf der Welt noch immer Teil der deutschen Identität ist. Denn die anderen politischen Vorstellungen der Partei dürften kaum bekannt sein. Nur wenige ihrer Wähler werden sich die Frage gestellt haben, wie die AfD mit lerneingeschränkten Kindern in der Schule umgehen möchte, welche Konsequenzen die Wiedereinfuhr der D-Markt hätte oder wie sie sich die Digitalisierung vorstellt. Die bloße Herausstellung der Herabsetzung Nicht-Deutscher, Nicht-Europäischer und vor allem muslimischer Personen, die sich in Deutschland aufhalten, führte dazu, dass sie zweitstärkste Kraft bei der letzten Bundestagswahl wurde. Das sagt mehr über den ,,Kulturdeutschen" aus als über die Partei selbst.
Unzweifelhaft kommt hinzu, dass Europa tatsächlich ein zunehmendes Problem mit (ausreisepflichtigen) Asylbewerbern aus Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten hat, die gewalttätig werden. Erst vor wenigen Wochen gab es in Spanien Ausschreitungen, nachdem Nordafrikaner einen spanischen Rentner völlig grundlos krankenhausreif geschlagen haben. Als Reaktion darauf versammelten sich Spanier und griffen landesweit nordafrikanisch aussehende Personen an. Kürzlich wurde in Klagenfurt (Österreich) ein Syrer von einem Kenianer niedergestochen. Solche und ähnliche Meldungen häufen sich bereits seit Monaten. Dadurch wächst ein Unsicherheitsgefühl, das sich durch die polizeiliche Kriminalstatistik gar objektivieren lässt. In Deutschland fehlt die Antwort darauf. Wir diskutieren gerne über all das, was nicht funktioniert, statt uns Konzepte zu überlegen, die funktionieren könnten und sie auszuprobieren - das führt zur Erstarkung der AfD, die als einzige Partei nicht nur eine Lösung anbietet, sondern sogar eine, die den Deutschen wohlbekannt ist: Deportation. Oder Neudeutsch: Remigration.
Andere europäische Staaten sind mit ihren Lösungsprozessen bereits weiter. Dänemark löst seine Stadtviertel auf, wenn der Migrationsanteil dort höher als 30 Prozent ist. Ausreisepflichtige Asylbewerber werden in einem Auffanglager nahe Kopenhagen festgehalten. Polen schützt seine und damit auch die europäischen Außengrenzen mit Gewalt. Ungarn zahlt inzwischen täglich eine Strafzahlung in Höhe von 1 Million Euro an die EU, weil es keine Asylbewerber aufnehmen möchte - aber, und das ist traurige Wahrheit, es hat keine Probleme mit steigender Kriminalität. Die Stimmung in der EU dreht sich. Die anfängliche Willkommenskultur, als Europäer mit Teddybären und Welcome-Schildern an Bahnhöfen standen, um Geflüchtete in Empfang zu nehmen, wandelt sich hin zu einer Abschiedskultur. Mit der neuen deutschen Bundesregierung ist der Stimmungswandel allmählich auch in der hiesigen Politiklandschaft spürbar. Unter Friedrich Merz wurden Zahlungen an die Seenotrettung eingestellt und scheinbar wird häufiger abgeschoben, auch nach Afghanistan, was unter Olaf Scholz nicht möglich war. Im Vergleich zu den Maßnahmen unserer EU-Nachbarn sind das Kleinigkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass die Merz-Regierung begriffen hat, welch Ausmaß unzureichendes Handeln langfristig haben kann - nicht nur sicherheitspolitisch, wenn nicht ausreichend gegen die steigende Kriminalitätsrate gearbeitet wird, sondern auch parteipolitisch, wenn Kräfte an die Macht kommen, die keine goldene Mitte, wohl aber Extreme kennen. Das aber bedeutet nicht, dass die AfD in ihrer jetzigen Form den Anschein erweckt, sie würde auch nur annähernd so etwas wie die NSDAP im Hinterkopf haben. Sie vertritt eine rassistische Weltvorstellung, die sie als Kultur verkauft, sie begreift die ,,deutsche Kulturnation" als überlegen und sie hat ein offensichtliches Problem mit Migranten, doch nichts deutet derzeit daraufhin, dass sie einen Völkermord oder ähnliche Grausamkeiten beabsichtigt - wohl aber die massenhafte Abschiebung und die Abschottung des Landes.
Dass die Ampel-Regierung dem der wachsenden Kriminalität und insbesondere dem Unsicherheitsgefühl der Gesellschaft bis zum Schluss tatenlos zugesehen hat gibt nun der AfD inhaltlich recht. Erst vor wenigen Tagen hat sie eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung bezüglich Straftaten an deutschen Hauptbahnhöfen gestellt. Dummerweise beweist auch diese, dass an den von Alice Weidel im Bundestag postulierten ,,alimentierten Messermännern" etwas dran ist: Wie vor Monaten in der PKA sind auch hier Afghanen, Syrer und Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden konnte, überrepräsentiert - was Messerangriffe angeht, aber auch Sexual- und Eigentumsdelikte. Es gibt ein statistisch relevantes Problem bei der Kriminalität durch Nicht-Deutsche, das dringend von denjenigen gelöst werden muss, die rational denken können, deren Programmatik weder Hass, Hetze noch Nationalismus beinhalten und die verstehen, dass Abschottung und Regression allein keine Antwort darauf sein können wird.
Neben den steigenden Straftaten und dem Unsicherheitsgefühl ist noch eines Wasser auf den Mühlen der AfD: Linke. Während die europäische Grundhaltung zunehmend konservativ bis rechts wird, fordern diese unaufhaltsam mehr Migration, weniger Abschiebung, sprechen von Enteignung und anderen undemokratischen Ideen. So war Ines Schwerdtner von der Partei Die Linke Gast bei dem Podcast ,,Jung & Naiv", in dem sie gefragt wurde, ob es denn nicht eine Idee wäre, auch Lebensmittel für alle Menschen frei zugänglich zu machen, was einer Enteignung von Supermärkten gleichkäme. Die Antwort war: Das sei ein spannender Gedanke und vielleicht gar nicht verkehrt. Selbstverständlich ging es auch um die Enteignung von Wohngenossenschaften, eine höhere Reichensteuer und die Einfuhr der ,,sozialistischen Demokratie", was auch immer diese bedeutet. Natürlich ist das auch undemokratischer Nonsens, doch vor allem in Anbetracht dessen, dass Europa gerade mit sich, seinem Selbstverständnis, Kriminalität und Migration kämpft und konservativer wird - wie Deutschland für sich genommen auch - klingt das für viele (einschließlich mir) nach: Am Thema vorbei. Es fehlt am Erkenntnisgewinn. Hinzu kommen ähnlich populistische Zuspitzungen wie sie die AfD auch formuliert. Hält die AfD die ,,deutsche Kulturnation" für Erhaltens- und Verteidigungswert und erhebt sich dadurch über andere Kulturen und Nationen, weigern sich Linke, die Nationalhymne mitzusingen oder können mit Deutschland nichts anfangen. Das eine ist eine Überhöhung der eigenen Herkunft, das andere ist die Gewalt gegen sich selbst. Wie wäre es mit: Ein bisschen mehr Rationalität und ein bisschen mehr Mitte wagen?
18.08.25
©Daniel Nuber
Daniel Nuber, geboren 1990, Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen, ist mitverantwortlich für das operative Tagesgeschäft einer der größten Intensivstationen in Bayern. Privat gilt seine Leidenschaft der Politik, der Geschichte und dem Reisen.
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