Wie die Ideologie der leeren Kassen unser Land ruiniert - Meine Antwort an Offensiv!

Wie die Ideologie der leeren Kassen unser Land ruiniert - Meine Antwort an Offensiv!

Das rechte Onlineportal Offensiv! hat sich vor kurzem mit meiner Forderung, jedes Jahr zusätzliche Staatsschulden in Höhe von 200 bis 300 Milliarden Euro aufzunehmen, auseinandergesetzt, oder besser gesagt, an den wichtigsten Punkten vorbeiargumentiert. Doch bevor ich zur inhaltlichen Behandlung der Kritik komme, sollte ich erst einmal erklären, wie ich auf diese Summe gekommen bin.

Von Konstantin Schink
Eine Volkswirtschaft besteht aus vier verschiedenen Sektoren: dem Staat, den Unternehmen, den privaten Haushalten und dem Ausland. Die Nettoverschuldung eines Sektors entspricht dem Nettosparen der anderen Sektoren. Die privaten Haushalte sparen zu fast allen Zeiten in fast allen Gesellschaften immer einen gewissen Teil ihres Einkommens, um auf schlechte Zeiten vorbereitet zu sein. In der Zeit des Wirtschaftswunders von den 50ern bis in die 70er Jahre waren in allen westlichen Industrieländern die Unternehmen Schuldner, und die Staatsdefizite blieben gering, da die Verschuldung der Unternehmen ausreichte, um das Sparen der privaten Haushalte auszugleichen.

Doch dies änderte sich grundlegend mit den Ölkrisen, in deren Folge die Zentralbanken die Zinsen deutlich nach oben schraubten, und so die Investitionstätigkeit der Unternehmen abwürgten. Über einige Jahrzehnte hinweg lag der Leitzins in den meisten Industrieländern über der nominalen Wachstumsrate, was prohibitiv für Investitionen wirkte. Die Unternehmen wechselten bis zur Weltfinanzkrise 2008 in den meisten Ländern auf die Sparerseite.

Was aber passiert, wenn alle Sektoren zu sparen versuchen? Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen, was bedeutet, dass nicht alle gleichzeitig sparen können. Wird dies dennoch versucht, sinkt die Nachfrage und damit die volkswirtschaftliche Produktion. Die Ersparnisse liegen nicht als Geld, sondern in Form von Anleihen, Aktien und Immobilien vor, deren Wert entsprechend der geringeren Produktion sinkt. Dieser Umstand, dass eine Erhöhung der Ersparnisse ihren Wert so stark senkt, dass unterm Strich weniger gespart wird, wird Sparparadoxon genannt.

Sparen bedeutet immer einen Ausfall von Nachfrage, der, wenn er nicht durch zusätzliche Ausgaben an anderer Stelle ausgeglichen wird, die Einnahmen der Unternehmen verringert, welche nun weniger Produkte absetzen können oder den Preis ihrer Produkte senken müssen. Auf sinkende Gewinne reagieren die Unternehmen mit einer Senkung der Produktion, für die sie nun wiederum weniger Arbeiter benötigen. Sparen ist gesamtwirtschaftlich also nur möglich, wenn sich jemand anderes verschuldet.

Die privaten Haushalte sparen mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen ein paar dutzend Milliarden Euro, die die Unternehmen, welche seit 2003 Nettosparer sind, sparen. Die deutsche Lösung dieses Nachfrageausfalls besteht darin, das Ausland die notwendigen Schulden machen zu lassen. Da eine detaillierte Beschreibung der Strategie des Lohndumpings zur Förderung der Exportindustrie an dieser Stelle zu weit führen würde, sei hier ein Vortrag von Heiner Flassbeck empfohlen, wo Deutschlands merkantilistische Strategie genauer erklärt wird:
Link
Diese Strategie, unsere europäischen Handelspartner die Schulden machen zu lassen, die notwendig sind, damit die deutsche Wirtschaft überhaupt noch wächst, kam spätestens Ende der 2010er an ihre Grenzen. Die Nachfrage aus dem europäischen Ausland sank wegen der von der EU verordneten Sparprogramme und erste außereuropäische Handelspartner wie die USA unter ihrem damaligen Präsidenten Donald Trump begannen, sich gegen den deutschen Merkantilismus zu wehren. 2015 erreichte der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sein Maximum, 2018 peakte die Industrieproduktion und seit 2022 schrumpft auch die deutsche Gesamtwirtschaft.

Deutschland hat sich auf Kosten von Italien, Spanien und Frankreich über Wasser gehalten und es verpasst, als auch das ausgereizt war, seine Wirtschaftspolitik grundlegend zu ändern, was in erster Linie staatliche Investitionsprogramme und deutliche Lohnsteigerungen zur Belebung der Binnenwirtschaft bedeutet hätte. Diese Untätigkeit brachte unserem Land zehn verlorene Jahre ein, in denen es gegenüber Konkurrenten wie den USA oder China, wo sich fleißig verschuldet wurde und das Wachstum durchgehend höher war, weiter zurückfiel.

In diese Kerbe schlägt nun mein Vorschlag, dass der deutsche Staat sich in der Größenordnung verschulden sollte, die von Unternehmen und Haushalten jedes Jahr gespart wird, was ungefähr 200 bis 300 Milliarden Euro wären. Also steigen wir in den Artikel von Offensiv! ein, wo mein Vorschlag auf wenig Gegenliebe stieß.

,,Jüngst fiel der Youtuber ,,Agitator der sozialen Marktwirtschaft", der sich zwar selbst als parteilosen Sozialdemokraten bezeichnet, sich aber inzwischen im Dunstkreis der politischen Rechten bewegt, auf X mit der Forderung auf, der Staat solle jährlich 200 bis 300 Milliarden Euro Schulden aufnehmen, um so die Nachfrage zu beleben, sowie um Steuern zu senken, Renten zu erhöhen und die Infrastruktur zu sanieren. Was auf den ersten Blick nach der ultimativen Lösung der wirtschaftlichen Probleme der BRD aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch schnell als utopischer, wenn nicht sogar gefährlichen Gedankengang, der in nahezu jedem Bereich das Gegenteil der erhofften Folgen herbeiführen würde."

Ok, jetzt bin ich gespannt, was genau an der Forderung, eine ähnliche Finanzpolitik wie die USA zu verfolgen, gefährlich sein soll.
,,Ein zentraler Fehler dieser Argumentation und zugleich ein weit verbreiteter Denkfehler generell ist die Annahme, dass Geld gleich Wohlstand sei."

Nein, das ist ein Strohmann. Diese Annahme ist weder explizit noch implizit in meinen Überlegungen enthalten.
,,Folgt man dieser Logik zu Ende, könnte man leicht auf die Idee kommen einfach Geld zu drucken, um so den Wohlstand eines Landes zu erhöhen. Dass genau dies nicht funktioniert, mussten unsere Vorfahren im Rahmen der Hyperinflation im Jahr 1923 am eigenen Leib erfahren. Wenn also mehr Schulden aufgenommen werden, ohne dass zeitgleich die Produktion steigt, sinkt lediglich die Kaufkraft des Geldes."

Das Problem der Weimarer Republik waren nicht die hohen Schulden in Eigenwährung, die das Deutsche Reich während des Ersten Weltkrieges aufnahm, sondern die in Naturalien und Goldmark zu zahlenden Schulden aus dem Versailler Vertrag. Reichsmark konnte die Zentralbank ohne Probleme drucken, Gold und Kohle dagegen nicht. Dazu kam noch ein Angebotsschock nach der Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen.Weder die Erhöhung der Geldmenge noch die der Staatsverschuldung bedingt automatisch eine Steigerung der Inflation.

Die Erfahrung der Weltkriege zeigt, dass selbst eine starke Ausweitung der Staatsverschuldung und der Geldmenge in Eigenwährung nicht zu Kapitalflucht und Hyperinflation führt. Die USA erhöhten ihre Schulden in Relation zur Wirtschaftsleistung während des Ersten Weltkrieges von 6% (1916) auf 35% (1918) und während des Zweiten Weltkrieges von 43% (1940) auf 112% (1945). Die Geldmenge M2 veranderthalbfachte sich während des Ersten und verzweieinhalbfachte sich während des Zweiten Weltkrieges. Eine Hyperinflation blieb in beiden Fällen aus, da die Schulden genutzt wurden, um die Produktion von militärischen Gütern zu steigern, ohne die Preise für Konsumgüter in die Höhe zu treiben. Nach dem Ersten Weltkrieg durchlebten die USA sogar eine heftige Deflation mit einer Inflationsrate von -10% im Jahr 1921. Schulden in Eigenwährung können problemlos bezahlt werden.

Vollkommen anders sieht es dagegen mit Schulden in Fremdwährung oder Rohstoffen aus. Wenn die Zentralbank Geld druckt, um diese Dinge auf dem Markt zu kaufen, schickt sie den Wechselkurs auf Talfahrt und löst einen Teufelskreis aus. Die gestiegenen Importpreise werden fast sofort auf die Güterpreise umgeschlagen. Auf diese Preissteigerungen reagieren Unternehmen mit Lohnerhöhungen, um die Reallöhne konstant zu halten, was zu einer sich selbst treibenden Spirale aus steigenden Löhnen und Preisen führt, was wiederum die Kapitalflucht weiter anheizt, da die Leute das Vertrauen in die Währung verlieren und Sachwerte und Devisen nutzen.
Hyperinflationen sind ein seltenes Phänomen, das fast immer in Verbindung mit einem Angebotsschock und hoher Fremdwährungsverschuldung auftritt. Schulden in Eigenwährung können die eben beschriebene Spirale nicht auslösen, da sie von der Zentralbank jederzeit bedient werden können, ohne dass das Drucken von Geld für diesen Zweck einen Einfluss auf den Wechselkurs oder die Inflation hat.

,,Die Produktion steigt durch Staatsschulden aber nur, wenn profitable Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden. Rentenerhöhungen, oder das bloße Ankurbeln der Nachfrage zählen nicht dazu."
Das ist ein grundlegender Denkfehler vieler ökonomischer Schulen, einschließlich der an den Universitäten tonangebenden Neoklassik. Die Unternehmen erhöhen ihre Produktion an Gütern bei jeder Steigerung der Nachfrage, die sie bedienen können. Wenn die Renten schuldenfinanziert erhöht werden, dann steigt der Konsum der Rentner entsprechend ihrer Konsumquote. Die Unternehmen reagieren auf die steigende Nachfrage nun einerseits durch Preiserhöhungen und andererseits durch eine Ausweitung des Angebots.
Die gestiegenen Preise müssen aber kein Dauerphänomen sein. Sie machen eine dauerhafte Steigerung der Produktion profitabler und bei unveränderten Preisen von Rohstoffen und Arbeitskräften kehren die Güterpreise wieder auf das alte, niedrigere Niveau zurück. Erst wenn Arbeitskräfte oder Rohstoffe knapp werden, führt die gestiegene Nachfrage zu einer dauerhaften Güterpreisinflation. Dass die Rohstoffpreise, welche auf einem globalen Markt gebildet und stark von Finanzspekulationen verzerrt werden, von einer etwas höheren Nachfrage aus einem Land, das gerade einmal ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, stark beeinflusst werden, darf man als unwahrscheinlich ansehen.

Zu starke Lohnerhöhungen als Ergebnis einer boomenden Konjunktur sind dagegen schon ein möglicher Inflationstreiber, weshalb die Wirtschaftspolitik immer aufpassen muss, dass die Löhne langfristig nicht stärker als die Summe aus Zielinflation und Produktivitätswachstum steigen. Daraus folgt nicht, dass man die Wirtschaft aus Angst vor Inflation in einem dauerhaften Zustand von Unterauslastung halten sollte. Das Ergebnis dieser falschen Politik können wir nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU bestaunen - geringe Wachstumsraten und ein Zurückfallen hinter Konkurrenten mit einer pragmatischeren Wirtschaftspolitik.
Es ist ein typisches Merkmal liberaler Politik, aus Angst vor unerwünschten Folgen oder zu großer Handlungsfähigkeit und damit Machtkonzentration lieber nicht in das freie Spiel der Kräfte einzugreifen, und so Probleme zu verwalten, die ziemlich einfach gelöst werden könnten. Diese Beobachtung trifft in genau dieser Form auf den wirtschaftlichen Niedergang zu, den Deutschland gerade erlebt. Der Staat könnte ihn beenden, tut dies aber aus Sorge um Inflation, zu hohe Staatsschulden oder Regeln wie die Schuldenbremse, die er sich selbst gesetzt hat, nicht.

,,Inflation ist dann die unvermeidliche Folge, sei diese nun eine Wareninflation, wie die, die wir heute an der Supermarktkasse spüren, oder einer Inflation der Anlagenwerte. Letzteres nennt man ,,Assetinflation"."
Eine Assetinflation tritt dann auf, wenn die Nachfrage nach Assets steigt. Dafür reicht es nicht, dass Geld gedruckt wird oder der Staat mehr Geld ausgibt, sondern es muss mehr Geld bei denjenigen ankommen, die damit Immobilien und Aktien kaufen. Wenn die Rente von Leuten erhöht wird, die den Großteil ihres Geldes verkonsumieren oder an Kinder und Enkel verschenken, dann besteht wie vorhin erklärt zwar die Gefahr einer Güterinflation, aber nicht die Gefahr einer Assetinflation. Um letztere auslösen, müsste Leuten mit hoher Sparquote, also den Reichen, mehr Geld gegeben werden, was die neoliberalen Regierungen der letzten Jahrzehnte durch Steuersenkungen und Lohndumping zur Genüge getan haben.

,,Auch heute folgen noch viele Ökonomen, aber auch Laien der Annahme, dass staatliche Investitionen zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage, einer höheren Produktion und schlussendlich zu einem höheren Wohlstand führen würden. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Produktion nicht einfach der Nachfrage folgt, sondern vielmehr den Preissignalen. Unternehmer investiert stets dort, wo sie sich einen möglichst hohen Gewinn versprechen. Jenseits des Infrastrukturbaus, sofern er sinnvoll ist, verzerren Staatliche Eingriffe diese Preissignale, indem sie Projekte fördern, die unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht tragfähig wären."
Beim Lesen dieses Abschnittes stellen sich mir zahlreiche Fragen. Was sind normale marktwirtschaftliche Bedingungen? Wie sehen nicht verzerrte Preissignale aus? Was ist überhaupt so eine Verzerrung? Wenn die Renten erhöht werden, dann fragen Rentner beispielsweise mehr Zeitschriften und Cafebesuche nach. Wieso ist das eine Verzerrung, aber die steigende Nachfrage nach Stahl durch den Schienenbau ist keine Verzerrung? Das Einzige, was aus dieser wirren Tirade spricht, ist das grundsätzliche Ressentiment gegen einen handlungsfähigen Staat an sich.

,,Noch gravierender wird die Problematik dadurch, dass viele Politiker Investitionen nicht nach ökonomischer Vernunft, sondern entweder nach ideologischen Zielen steuern, oder danach welcher Lobbyist sie wie stark bearbeitet hat. Die deutsche Klimapolitik ist Paradebeispiel für beides: Deutschland hat hunderte von Milliarden ausgegeben bei dem Versuchen den Klimawandel durch die Subventionierung erneuerbarer Energien zu bekämpfen. Dabei ist ein ganzes Biotop an undurchsichtigen Lobbyverbänden, NGOs und Unternehmen, deren Branche ohne Subvention nicht lebensfähig ist, entstanden. Das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck war da nur die Spitze des Eisberges."

Selbstverständlich tätigt die aktuelle Regierung zahlreiche unnötige oder gar schädliche Ausgaben, aber das tut sie trotz Schuldenbremse und den Maastrichter Defizitgrenzen. Der ideologische Vorsatz die Staatsausgaben zu verringern verhindert keine Korruption. Die Annahme, dass dem nicht so wäre und ein sparsamerer Staat automatisch effizienter und weniger korrupt wäre, entspringt einer ideologisch begründeten Staatsfeindlichkeit, die einer Überprüfung an der Realität nicht standhält. Weder eine hohe Staatsschuldenquote noch hohe Staatsquote lassen sich mit einem überdurchschnittlichen Maß an Korruption in Verbindung bringen. Ist Somalia mit einer Staatsquote von 7% weniger korrupt als Jordanien mit einer Staatsquote von 34% oder Frankreich mit einer Staatsquote von 58%? Werden der Libanon mit einer Staatsquote von 11% oder Haiti mit einer Staatsquote von 8% so viel effizienter regiert als Länder wie Japan, Schweden, Deutschland oder Ungarn, wo der Staat ungefähr die Hälfte der Wirtschaftsleistung umverteilt oder selbst verwendet?

Auch hier zeigt sich wieder eine grundsätzliche Staatsfeindlichkeit, die nach der Losung verfährt: Wenn der Staat nichts macht, kann er auch nichts falsch machen! Dabei gäbe es es eine ganz einfache Lösung für die beschriebenen Probleme, für die es keiner neoliberalen und wachstumsschädigenden Sparpolitik bedürfte. Falls man nicht will, dass grüne Vorfeld-NGOs mit Staatsgeld finanziert werden, dann gibt man ihnen einfach kein Geld. Sollte irgendwann einmal das herrschende Kartell entmachtet werden, dann kann auch sein Patronagesystem vollkommen unabhängig vom Umfang der Staatsausgaben oder der Staatsverschuldung abgeräumt werden.
,,Hohe Staatsschulden sind nichts anderes als ein Raubbau an der Zukunft. Jeder Euro, den der Staat heute auf Pump verteilt, muss morgen von Steuerzahlern zurückgezahlt werden - mit Zinsen."

Staatsschulden, die für Ausgaben im Inland gemacht werden, erhöhen automatisch die Einkommen der Bevölkerung. Die kumulierten Sparquoten ergeben ihren Vermögenszuwachs. Wenn der Euro, den der Staat verteilt, nicht gerade an die Ukraine oder Israel verschenkt wird, sondern den Rentnern zugute kommt, dann erhöht er sehr wohl das Vermögen der Bevölkerung.
,,Kurzfristig mag die Verschuldung zwar einen positiven wirtschaftlichen Effekt haben, langfristig wächst jedoch die Schuldenlast der zukünftigen Generationen."

Wenn eine Handlung kurzfristig das Wachstum erhöht, dann muss sie, auch wenn sie hundert Mal hintereinander durchgeführt wird, auch das Wachstum erhöhen. Sollte das nicht der Fall sein, dann muss sehr gut begründet werden, warum das so sein soll. Warum sollen in der langen Frist andere ökonomische Gesetze gelten als in der kurzen Frist? Und wie sieht der Transmissionsmechanismus zwischen diesen Fristen aus? Der Artikel lässt diese Fragen ebenso wie die Neoklassik unbeantwortet.

Und das hat einen einfachen Grund. Es gibt keine zufriedenstellende Antwort. Da man für die grundsätzliche Ablehnung der Aufnahme von staatlichen Schulden gegen alle Erfahrungen der letzten einhundert Jahre argumentieren müsste, da fast jede Rezession durch schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme beendet wurde, erfindet man einfach neue Zusammenhänge, die aber nur in der langen Frist gelten. So kann man für eine Begrenzung der Staatsverschuldung plädieren, ohne sich mit lästigen Gegenbeispielen, die man einfach alle der kurzen Frist zuordnet, auseinandersetzen zu müssen.

,,Letztlich bedeutet dies nichts anderes als eine Verschiebung der Steuerlast in die Zukunft. Es stimmt natürlich dass, wie Agitator der sozialen Marktwirtschaft sagt, ein Staat in seiner eigenen Währung technisch nicht bankrott gehen kann, weil er sie beliebig drucken kann. Aber für das Geld, welches dadurch in Umlauf kommt, wollen die Schuldner des Staates ja auch etwas kaufen. Irgendwo im System entsteht dadurch eine versteckte Steuer, die erst später erhoben wird, sie dies nun durch Wareninflation, Assetinflation, oder auf andere Art."

Welcher Mechanismus dafür sorgt, dass zusätzliche Schulden zu Steuererhöhungen führen oder was eine versteckte Steuer sein soll, wird leider nicht erklärt. Was für ökonomische Folgen die zusätzlichen Ausgaben von Rentnern haben, die von einer höheren Rente profitieren, hatte ich ja schon erklärt. Die Schuldner des Staates sind aber Banken, die sich von dem zusätzlichen Zentralbankgeld, welches in Umlauf kommt, nichts kaufen können. Dieses Zentralbankgeld liegt bei der EZB und wirft Zinsen für die Banken ab. Mehr passiert damit in unserem zweistufigen Geldsystem nicht. Wer ein Problem damit hat, dass das Finanzkapital an der Staatsfinanzierung mitverdient, der sollte sich dafür einsetzen, dass die Zentralbank der Regierung ihr Geld ohne Umweg über das Bankensystem direkt zur Verfügung stellt, anstatt vom Staat grundsätzlich Enthaltsamkeit einzufordern.

,,Besonders fatal ist dies für die jungen Generationen, die schon heute unter hohen Abgaben leiden und die Fehler früherer Politik, wie etwa die gescheiterte Rentenpolitik, ausgleichen müssen. Oft können sie kaum Vermögen aufbauen und der Hauskauf ist für sie meist ein unerfüllbarer Traum."

Wenn man an diesen Verhältnissen etwas ändern will, sollte man den Aufbau von privatem Immobilienbesitz unterstützen, aber um dies zu tun, bräuchte der Staat vor allem eine Sache: Geld. Förderprogramme zur Steigerung der Eigenheimquote können viel leichter finanziert werden, wenn man sich nicht durch eine Ideologie der leeren Kassen seiner eigenen Handlungsfähigkeit beraubt.
,,Dies soll nur eine skizzenhafte Kritik an den Forderungen des Agitators der sozialen Marktwirtschaft und ähnlichen weltfremden Aussagen sein. Dabei soll keineswegs der Eindruck entstehen, dass ein dogmatischer Fokus allein auf die Wirtschaft, wie er gerade in liberalkonservativen Kreisen verbreitet ist, die Lösung all unserer Probleme sein könnte. Eine gesunde rechte Position im Bereich der Wirtschaftspolitik muss stets betonen, dass die Wirtschaft dem Volk zu dienen hat und nicht umgekehrt."

Und die Wirtschaft kann dem Volk am besten dienen, wenn der Staat möglichst wenig eingreift, möchte man hinzufügen. Wenn es eine Sache gibt, die man als weltfremd und gefährlich einstufen sollte, dann ist das nicht die Forderung nach einer pragmatischen Fiskalpolitik, die der Realität sparender Unternehmen Rechnung trägt, sondern eine liberale Staatsfeindlichkeit, die aus einem Ressentiment heraus die eigene Handlungsfähigkeit unterminiert.

Wenn Deutschland eine Zukunft haben soll, dann muss der Liberalismus vollständig abgeräumt werden. Das gilt besonders in Fragen der Wirtschaftspolitik.

Quellen

Staatsquote verschiedener Länder im Jahr 2022
Staatsverschuldung der USA:

28.08.25
Konstantin Schink (geboren am 8. November 2001) machte 2021 in Niedersachsen Abitur. Aktuell studiert er VWL und Politik im 2-Fach-Bachelor und betreibt die YouTubekanäle ,,Agitator der sozialen Marktwirtschaft" und ,,Die sekundäre Agitation"."

TICKET´S ZUR SHOW "ER IST WIEDER DA"
Kommentare
  • Risp
    29.08.2025 01:32
    Ehre.

    PS.Die Rentner sind gerade in Deutschland DIE MACHT weil hier so viele boomer in rente gehen wie nirgendwo
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