Compact ins Verderben

Compact ins Verderben

Die Revolution frisst ihre Kinder. Die Regierung versucht auf den letzten Metern ihre Gegner auszuschalten. Das Compact-Verbot ist ein verzweifelter Versuch, sich von unangenehmen Elementen zu befreien und staatsrechtliche Mittel als Waffe gegen unliebsame Gegner einzusetzen. Ob sie sich damit einen Gefallen tut, ist eine andere Frage.

Von Serdar Somuncu
Das Magazin "Compact" des rechten Publizisten Jürgen Elsässer ist vielen schon seit langem ein Dorn im Auge. Elsässer, der eigentlich aus dem extrem linken Umfeld um den Konkret-Herausgeber Hermann Gremlitza stammt, hat sich seit dem Jugoslawien-Krieg, in dem er sich auf die proserbische Seite um den österreichischen Dramatiker Peter Handke stellte, radikalisiert. 
Spätestens zu Coronazeiten wusste Elsässer zudem die Wirkung der regierungskritischen Maßnahmengegner mit der neuen Rechten zu verbinden und damit eine Front gegen die bestehenden Machtverhältnisse zu bilden. Zu diesen Kreisen, in denen auch immer mehr bürgerliche Intellektuelle auftauchen, zählen zunehmend aber auch diejenigen, die sich in ihrem Widerstand gegen die ,,Corona-Diktatur" selbst zu Kämpfern gegen ein tyrannisches Regime stilisiert haben und nun Rechenschaft für die Versäumnisse der Mächtigen verlangen. Eine brisante Mischung also aus berechtigter Kritik und verschrobener Verschwörungsideologie, die sich bis zuletzt in den Magazinen und der Internetpräsenz um Elsässer finden ließ.

Nun könnte man denken, dass hinter dem Verbot der Organisation so etwas wie eine Machtdemonstration des Staates gegen subversive Elemente steckt, die auch den letzten Aufmüpfigen zeigen soll, dass diese Regierung auf den letzten Metern ihrer Legislatur handlungsfähig ist und Entscheidungen treffen kann. Aber in Wirklichkeit stellt sie mit ihrem Gebaren nur das Gegenteil unter Beweis. Denn jeder weiß, dass man vielleicht eine Zeitung verbieten kann, aber nicht eine Gesinnung. 

Dafür bedarf es anderer Mittel. Argumentation, Glaubwürdigkeit und politisches Geschick, statt autoritäres Gehabe. Das Ergebnis steht jetzt schon fest. Je mehr die Regierung versucht, ihre Gegner über Umwege und Verbote zu eliminieren, desto stärker macht sie damit die oppositionellen Kräfte um AfD und Co. Der große Showdown wird erst kommen, wenn Björn Höcke die Wahl in Thüringen gewinnt und damit zum ersten Mal keine Option mehr außer der AfD möglich sein wird. Ob dann noch die Kraft der Macht ausreichen wird, um die Brandmauer gegen die Extremisten zu stützen, oder ob die ersten Abweichler aus der CDU und vor allem der CSU ihre Chance in der Zuwendung zum Radikalismus sehen, ist eine Frage, die entscheiden wird, ob Deutschland dem europäischen Trend nach Abspaltung und Neonationalismus folgen wird oder ob wir einen eigenen Weg finden, mit unseren politischen Gegnern auf Augenhöhe umzugehen. 

Es stehen uns schwierige Zeiten bevor.

17.07.24
©Serdar Somuncu
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*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
Kommentare
  • Ha6En2
    05.08.2024 03:41
    Die AfD ist nicht das Problem, es sind die frustrierten Wähler die ihre Sinne jedem geben würde, der ihnen suggeriert es ginge um sie. Und diese Wähler sind vor Jahren verloren gegangen und jetzt längst nicht mehr zurück zu gewinnen. Alle bisherigen Regierungen dachten, die alten sterben schon irgendwann weg und damit ist das Problem gelöst. Aber die Stimmung ist mies und färbt auf alles und jeden ab. Die wenigen großen Thüringer Städte sind stabil demokratisch und können den Anteil des dumpfen Protest aushhalten. Aber außerhalb der Städte wird es bitter braunblau.
  • Volker
    17.07.2024 21:24
    Ist nicht die medial inszenierte „Brandmauer“ genau dieser durchschaubare Versuch, sich machtpolitisch über demokratische Prinzipien hinwegzusetzen? Und führen nicht genau diese offenkundig undemokratischen Methoden, gepaart mit einer ständigen dämonisierung auf allen bürgernahen Kanälen, letztendlich zu einer Stärkung der AFD (und den extremen Rechten)?
  • Benjamin Flamm
    17.07.2024 19:15
    Sehr geehrter Herr Somuncu,

    sehr gut und treffend geschrieben. Ich glaube leider nicht, dass die Regierung und die ganzen Behörden (egal auf welcher Ebene, ob Kommunal bis Bund) es irgendwann noch verstehen werden. Die Arroganz trübt die Sicht auf notwendige Veränderungen, um den Wandel zu AfD und co. zu unterbinden.

    Finde es aber toll, dass wenigstens Sie die kritischen Dinge ansprechen. Auch wenn bei sowas immer die Gefahr besteht, selbst in eine Ecke gestellt zu werden.

    Alles Gute und viele Grüße aus Weisweil (der Ort an dem Sie anscheinend mal im „s‘Fenster“ aufgetreten sind)

    Benjamin
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