Stolz-Nein Danke! Sei froh.

Stolz-Nein Danke! Sei froh.

Der moderne Mensch scheint auf dem Rückmarsch. Zurück in die alte Welt der Enge, der Egoismen und der Ressentiments. Immer mal wieder und immer wieder öfter taucht dabei der Stolz auf. Stolz auf die Nation, den Sportverein, die eigenen Kinder oder einfach nur so. Das ist giftig und klein. Denkt der große Kai Blasberg.
Ich bin nicht eifersüchtig. Das ist irritierend, aber es war noch nie anders. Der große Bruder Neid ist mir auch nicht gegenwärtig. Ich war mir immer selbst genug. Natürlich stimmt das so eindeutig nicht, aber das hier ist nicht der Platz, um über meine Macken und Meisen zu fabulieren. In letzter Zeit fällt mir sehr viel Kleines auf, das die Menschen wieder unverhohlener als früher vor sich hertragen. Bei großen nationalen Ereignissen kommt so etwas besonders ans Licht. Bei Wahlen zum Beispiel. Oder wie jüngst bei Sportereignissen. Heute soll es um den Stolz gehen, der vielen wieder allzu oft und allzu unpassend auf der Seele brennend den Weg über die Lippen findet. Unter Aussparung der Umleitung Hirn, wie mir scheint. Um es vorwegzunehmen: Stolz ist klein. Und Stolz hat Millionen von Menschen das Leben gekostet. Stolz ist das Gefühl, das Menschen benötigen, die sonst nur über eine magere charakterliche Grundausstattung verfügen. Stolz wird oft von Mächtigen proklamiert und instrumentalisiert und führt so immer ins Verderben. Im Grunde gibt es für Stolz keinerlei Anlass. Kann man ihn doch real nur empfinden, wenn man sich auf ureigene Leistungen berufen kann. Der sehr junge spanische Fußballer Jamal hätte es sein können, als er unlängst in einem sehr wichtigen Spiel ein unglaublich schönes und technisch hervorstechendes Tor erzielte. Doch war er stolz? Nein. Er war ein Ausbund von Freude und danach sogar ob des ungewöhnlich großen Zuspruchs der Öffentlichkeit ein wenig peinlich berührt und schien aufrichtig demütig. Eltern sind gerne stolz auf ihre Leibesfrucht, wenn diese zum Beispiel das Abitur geschafft haben. Während die, die es sein könnten, weil sie es erbrachten, meist nur erleichtert und froh sind. Und Vati platzt fast das Hemd, bis er merkt, dass der kleine Flüchtlingsjunge aus der Nachbarklasse einen besseren Notenschnitt hat als die eigene Brut. Unvergessen die Werbung der Sparkasse, wo der Stolz ins Lächerliche gezogen wurde. Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot. Meist rechte Parteien versuchen den Bürgern Stolz als Gefühl für Ihr Land zu vermitteln. ,,Ich bin stolz, Deutscher zu sein".

Haben Sie bestimmt schon gehört. Das ist recht schwachen Sinnes, denn man kann glücklich sein, es zu sein, aber es entzieht sich jeglicher Eigenleistung. Und es ist gefährlich, soll es scheinbar verbinden und grenzt doch vor allem aus. Das berühmte ,,Mia san Mia" ist auch so eine Stolzes-Formel, die zusammenschweißen will, damit die anderen, also fast alle, außen vor bleiben. ,,Wir können wieder stolz sein auf unsere Nationalmannschaft", las ich dieser Tage aus dem Munde einer hohen SPD-Politikerin. Herr im Himmel. Wie soll das gehen? Wir? Wer soll das sein. Und warum. Wem nutzt das und was triggert es. Nein: Stolz ist unglaublich gefährlich. Vladimir Putin ist stolz. So übermäßig stolz auf sein Russland, dass die aus diesem Stolz notwendigerweise entstehenden Erwartungen immer enttäuscht werden müssen. Dann wandelt es sich in Windeseile in verletzten Stolz und Wut. Denn Stolz und Wut gehen Hand in Hand. Der Wolfsgruß der Türken ist ein Symbol des Stolzes und der Wut. Denn alles, was nicht türkisch ist, ist weniger wert. Da das aber glücklicherweise nicht stimmt, kommt bei denen, die das glauben, kalte und heiße Wut auf. Ausdruck des Stolzes ist auch, so seltsam es klingt, die Faust des Donald Trump. Er, der Fahnenträger aller gekränkter Narzissten, reckt im Angesicht des Todes eben jene, die geballte, um seinem Stolz Ausdruck zu verleihen, dass Nichts und Niemand ihn stoppen kann. Vereint im Stolz mit seinen blinden Jüngern. Jetzt denken sie an die AfD. Kein Text von mir ohne die. Wir müssen Stolz überwinden. Weil es unser Mindset neu bestimmt. Das geht ganz leicht. Weil es das Wort ,,Froh" gibt. Und weil Froh ein ganz anderes Gefühl ist. Froh macht Sinn. Ist sinnlich. Und Sinnreich. Deswegen gibt es den Frohsinn. Und den Stolzsinn eben nicht.

,,Ich bin froh, Deutscher zu sein" klingt doch ganz anders. Und meint auch etwas. Ich bin froh, dass meine Tochter das geschafft hat! Das ist es doch, was Sie eigentlich sagen wollen über Ihr Gefühl. Oder denken Sie an den jungen Spanier Jamal. Der war froh. Richtig froh. Einige, die jetzt noch nicht überfordert sind, denken vielleicht, das sei Wortklauberei. Doch das ist es sicher nicht. Es ist Gefühlsjustierung. Und unsere Gefühle beherrschen uns als Mensch gewordene Tiere viel mehr, als wir wahrhaben wollen. Unser Verstand funktioniert nun mal nicht so gut ohne diese Unterstützung. Lassen wir den Stolz weg. Er steht an erster Stelle aller Todsünden. Da ich agnostischer Mensch aber derlei nicht herleiten kann, sei dies nur erwähnt. Man wusste schon immer, wie gefährlich all das ist. Es gibt eine Welt ohne Stolz. Sie ist friedlicher und freudvoller. Sie nimmt den anderen wahr und gönnt. Sie ist mütterlich und verbindend. Wenn jetzt selbst Trump versöhnen will, sollten wir das auch können. Zumindest aber versuchen.
Jetzt fehlt nur noch Konfuzius: ,,Der sittliche Mensch hat Würde, aber keinen Stolz. Der gewöhnliche hat Stolz, aber keine Würde".
In diesem Sinne setze ich ihnen, eifersuchts-und neidlos, den Kanon unserer Kindheit ins Ohr:
,,Froh zu sein bedarf es wenig, doch wer froh ist, ist ein König".
Schöne Woche.

16.07.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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