El Hotzo - Cancel Culture oder Konsequenz?

El Hotzo - Cancel Culture oder Konsequenz?

Impulsive Gedanken sind oft nieder. Das wissen El Hotzo und ich mittlerweile sehr genau. Als Sebastian Hotz den Attentatsversuch auf Donald Trump wahrnahm, war sein Impuls, auf seinem X-Profil zu posten, die Gemeinsamkeit von Trump und dem letzten Bus sei, man habe beides ,,leider knapp verpasst" - und komplettierte mit der Aussage ,,Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben." Dafür hat er nun seine Sendung ,,Theoretisch cool" beim RBB-Radiosender Fritz verloren. Als ich von dieser Kündigung mitbekam, war mein impulsiver Gedanke: ,,Richtig so, das hat der moralistische Saftsack verdient!"

Von Bent Erik Scholz
Als ich jedoch überdachte, was da eigentlich passierte, kam ich nicht umhin, die Absurdität in der Reaktion auf den verfehlten Gag zu erkennen. Als nämlich Elon Musk höchstpersönlich sich einschaltete und den Bundeskanzler auf einem Post markierte, um zu hinterfragen, was das denn solle - als sei Olaf Scholz der Chef des Öffentlich Rechtlichen oder gar der Erziehungsberechtigte von El Hotzo - da musste auch ich herzlich lachen. Seit Musk X gekauft hat, haben nämlich rechte Verschwörungsmythen Hochkonjunktur auf der Plattform. Einmal meldete ich einen Post, der besagte, man ,,müsse" deshalb an den Holocaust ,,glauben", weil man sonst feststellen würde, dass die Nazis ,,ähnliche Probleme hatten" wie wir heute, und man dann ,,Gemeinsamkeiten" darin finden würde, ,,wer diese Probleme verursacht". Dieser Post darf bis heute völlig frei und offen auf der Plattform stehen. Dass der Inhaber dieser Plattform, ein US-amerikanischer Milliardär, sich derart über den Post von Hotz erhitzt, dass er den Lumpensatiriker bei seinem Staatschef denunziert, ist zum Totlachen angesichts der Shoa-Leugnung und Judenfeindlichkeit auf der Plattform.

Über die Kündigung El Hotzos beim RBB gab es, nebst einer Welle der Zustimmung jener, die über diesen Umstand Genugtuung empfanden, schließlich jedoch eine interessante Metadebatte. Der X-Nutzer Martin Alge schreibt: ,,Was @elhotzo hier gepostet hat, war völlig unangemessen. Aber seinen Job zu verlieren, weil man hier Scheiße gepostet hat, ist falsch." Die Autorin Veronika Kracher schrieb ,,Einen linken Satiriker wegen eines Tweets feuern, aber Menschen wie Dieter Nuhr oder Lisa Eckhard (sic!) und deren rechten Positionen weiter Raum geben - das ist diese Diskursverschiebung, vor der übrigens immer wieder gewarnt wird."

Letztere Aussage ist natürlich stark überzeichnet - erstmal deshalb, weil die Aussage auf einer Bühne mit einer politischen Position gleichgesetzt wird, wobei ich zunächst behaupten würde, dass die Figur Lisa Eckhart sich gerade durch die Abwesenheit einer tatsächlichen Haltung auszeichnet. Dann natürlich ist der Vergleich zwischen den liberalkonservativen Aussagen Nuhrs, die tatsächlich oft intellektuell dürftig bleiben, und der Verherrlichung eines tatsächlich geschehenen Mordversuchs sehr gewagt. Das ist ein ganz anderes Niveau.

Trotzdem habe ich mir auf Basis dieser Diskussion Fragen gestellt, die meine ursprüngliche, impulsive Schadenfreude etwas abgefedert haben. Was ist nun zu halten von der Kündigung El Hotzos nach seinem absurden Tweet?

Betrachten wir Verbrechen und Strafe separat und klären wir, ob das überhaupt Verbrechen und Strafe sind: Die Aussage von Sebastian Hotz ist vor allem angesichts ihrer unmittelbaren Nähe zum tatsächlichen Anschlag geschmacklos, schlimmer wird es dadurch, dass durch die Kugel, die für Trump bestimmt war, tatsächlich ein völlig unschuldiger Feuerwehrmann gestorben ist. Wer hier zuallererst auf die Idee kommt, eine laue Twitter-Pointe rauszuhauen, entlarvt sich selbst vor allem als Zyniker. Der zweite Teil der Aussage - ,,Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben" - ist jedoch nicht minder interessant.

Die Zuschreibung ,,Faschismus" ist interessant: diese Herrschaftsform wird immer ausschließlich durch ihre Gegner definiert, und dies zudem sehr unterschiedlich. Dass Björn Höcke gerichtlich als Faschist bezeichnet werden darf, hängt auch damit zusammen, dass die Definition für ,,Faschismus" biegsam ist. Die verschiedenen Definitionen aus der Faschismustheorie nennen als Erkennungsmerkmal faschistischer Systeme aber übereinstimmend eines: die Demokratiefeindlichkeit. Nun kann man infrage stellen, inwiefern es demokratiefreundlich ist, dem politischen Gegner ein Mordattentat zu wünschen. Die Frage, ob Donald Trump tatsächlich ein Faschist ist, oder doch nur ein opportunistischer und somit nicht ideologiegesteuerter Autoritärer, beschäftigt in den Vereinigten Staaten führende Faschismusforscher. De facto verwenden wir die Bezeichnung ,,Faschist" oft synonym mit Populisten, Autoritären oder Gewaltherrschern - das sind Gruppen, die sich nicht zwangsläufig überschneiden müssen.

Meinte Hotz mit der Aussage, der Tod von Faschisten sei aus seiner Sicht ,,fantastisch", auch den tatsächlich verstorbenen Corey Comperatore, den ,,Kollateralschaden" des Trump-Schützen? Wenn sich Befürworter zu Mittätern machen, wäre das womöglich zwangsläufig. Oder ist der Faschismusbegriff hier nurmehr eine austauschbare Phrase, um den Gemeinten zu desavouieren und zu beschimpfen? Hätte El Hotzo auch schreiben können, ,,Ich finde es absolut fantastisch, wenn Arschlöcher sterben", und damit vielleicht sogar das inhaltlich exakt Selbe gemeint?

Der Vergleich mit Lisa Eckhart ist häufig gezogen worden in diesen Tagen. Lisa Eckhart hatte einen Witz über jüdische Klischees im Kontext von #metoo gemacht, da einige der mutmaßlichen bzw. mittlerweile verurteilten Täter - Harvey Weinstein, Roman Polanski - ausgerechnet Juden sind und somit einer Gruppe angehören, die üblicherweise besonders geschützt werde. ,,Am meisten enttäuscht es von den Juden", sagte sie, ,,da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht's wirklich nicht ums Geld, denen geht's um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld." Es ist der doppelte Bruch mit dem Klischee, komplettiert dadurch, dass dieser Satz aus dem Mund einer Bühnenfigur kommt, die in ihrem gesamten Auftreten als platinblonde Stalin-Barbie und in ihrem von jeder Emotionalität befreiten, aufsagenden Vortragston pure Künstlichkeit ausstrahlt. El Hotzo hingegen wird es wohl kaum ironisch meinen, wenn er sagt, er fände den Tod von Faschisten fantastisch.

,,Cancel Culture von rechts" wurde laut gerufen, als die Aufforderungen online aufflammten, Sebastian Hotz für seine X-Posts zu sanktionieren. Hier mischten sich prominente Speaker ein, die durchaus zu Recht anmerkten, dass nur kurz vorher der Kabarettist Dieter Nuhr für eine andere Aussage nicht vom RBB infrage gestellt wurde. Dieser hatte in einer seiner letzten Sendungen gesagt: ,,Was sind das für Menschen, die mit einem Messer aus dem Haus gehen, sollte man solche Leute nicht besser einschläfern lassen?" - Zweifelsohne keine sonderlich gelungene Aussage, die zudem mit ziemlicher Sicherheit vor Publikation durch mehrere Hände gegangen sein wird.

Hier beginnt auch mein Zwiespalt. Einerseits halte ich den mutmaßlichen Witz von El Hotzo für völlig missraten und gleichzeitig entlarvend: der mutmaßliche Moralist entpuppt sich als Dogmatiker. Ich finde auch, Sebastian Hotz muss sich an seinen eigenen Prinzipien bemessen lassen. Am 24. Mai postete er: ,,man kann sehr einfach verhindern, dass einem die berufliche Karriere durch Veröffentlichung eines Urlaubsvideos, in dem man ,Ausländer raus' singt, ruiniert wird, indem man sich zB darum bemüht nicht im Urlaub ,Ausländer raus' zu singen." Wer so argumentiert, kann sich danach nur bedingt beschweren, selbst im Zweifel mit den eigenen Fehltritten unterzugehen.

Andererseits widerstrebt es auch meinem Prinzip, jemanden für einen unredigierten, hastig veröffentlichten Tweet zu feuern. Die Hemmschwelle zur Veröffentlichung ist so gering geworden, dass der niedere Impuls durchaus obsiegen kann, und dann postet man eben den Schwachsinn, der einem im ersten Moment durch den Kopf geht, ohne nachzudenken. In seiner Reaktion auf den Shitstorm ließ Sebastian Hotz allerdings eher wenig Verständnis dafür blicken, dass seine Aussagen derart kontrovers diskutiert werden. Möge man davon halten, was man wolle.

Der RBB hingegen sieht sich mit dem Problem konfrontiert, stark unter Beobachtung durch die Öffentlichkeit zu stehen und in einem besonderen Maße rechenschaftspflichtig zu sein, so vergleichsweise kurz nach dem Skandal um Patricia Schlesinger. Wer Medienberichte über Vorkommnisse im RBB-Programm liest, an denen sich irgendwelche Blätter entzünden, wird immer wieder Rückgriffe auf die Krise finden - ,,Neuer Eklat beim RBB", ,,Skandal-Sender", schon wieder ist alles kaputt in Berlin und Brandenburg. Davon kann ich ein Liedchen singen. Wenn also plötzlich die Medienhäuser der Welt an der Tür klingeln, muss man sich irgendwie verhalten.

El Hotzos Aussagen entspringen seinem Privataccount. Sie sind nicht in einer Sendung des RBB gefallen, noch spricht er als öffentlicher Vertreter des RBB. Natürlich hat er für den Sender gearbeitet, aber Sebastian Hotz ist vom Beruf her in erster Linie Satiriker, der nebenbei noch zwischendurch bei Radio Fritz moderiert. ,,Theoretisch cool" läuft einmal monatlich. Wer den Namen El Hotzo liest, denkt nicht zuerst: ,,Ah, RBB!", sondern: ,,Ah, der Typ von Twitter!" - Insofern hätte der RBB sich auch einfach darauf berufen können, mit den Aussagen des Moderators nichts zu tun zu haben, sie seien schließlich woanders erschienen. Dann hätte sich der Sender Faulheit, Toleranz gegenüber solchen Äußerungen oder gar Komplizenschaft vorwerfen lassen müssen. Mit seinem öffentlichen Auftreten, aber auch durch das Framing der Medien (nicht wenige Schlagzeilen nannten Hotz einen ,,RBB-Moderator") war das Ansehen des Senders gefährdet.

Also wurde El Hotzo der Not gehorchend von seiner Nebentätigkeit abberufen, und der Streit ließ nicht lange auf sich warten: Wie ungerecht das sei, wie typisch, dass die Cancel Culture viel häufiger von rechts käme als von links (was faktisch Unsinn ist). Hingegen muss man aber mal konstatieren: eine Sendung, die einmal alle paar Wochen läuft, wird El Hotzo nicht das Genick brechen. Sebastian Hotz ist nicht arbeitslos und dem Jobcenter ausgeliefert worden, er wird nicht in unüberwindbare finanzielle Schwierigkeiten kommen, wenn er nicht mehr einmal monatlich zwei Stunden lang als Co-Host einer Sendung auftritt. Zuletzt wurde ,,Theoretisch cool" von Ilona Hartmann allein moderiert. Auf der Website von Fritz wird Hotz in Text und Bild nach wie vor erwähnt.

Während ich also üblicherweise immer dafür plädieren würde, die schützende Hand über jemanden, der im Internet etwas Unkluges sagt, zu halten, bin ich hier anderer Ansicht. Zuerst einmal hat Sebastian Hotz seinen definitiv übers Ziel hinausschießenden Witz nicht nochmal eingenordet, sondern im Gegenteil durch seinen ergänzenden Kommentar nur noch hämischer erscheinen lassen. Es war keine kleine Dummheit, die ihm hier passierte. Die man mit einmal Drüberlesen hätte vermeiden können. Schließlich hat er nicht nur drübergelesen, sondern einen weiteren Tweet über die Schönheit des Todes von Faschisten ergänzt. Es ist zudem etwas anderes, da die Arbeit von Hotz beim RBB nicht privatwirtschaftlich funktioniert, sondern über den Rundfunkbeitrag gezahlt wird. Wenn Hotz also beim RBB arbeitet, bezahlen wir alle für ihn. Bei den Sylt-Kids in ihren Privatfirmen war das anders - da sind die Konzernbosse nur sich selbst Rechenschaft schuldig.

Und von Cancel Culture kann keine Rede sein. El Hotzo hat nach wie vor viele Follower, die sich nicht schockiert abgewandt haben. Sein Roman dürfte sich gut verkauft haben, sein Podcast mit Salwa Houmsi befindet sich in der Sommerpause, wird aber wahrscheinlich regulär weitergehen, sobald diese Pause vorüber ist und zwanzig andere Säue durchs Dorf getrieben worden sind. El Hotzo ist um eine wahrscheinlich nur mittelfürstlich honorierte Nebenbaustelle ärmer - einmal im Monat zwei Stunden Sendung nicht mehr vollzuquatschen, ist durchaus erträglich, und dürfte monetär im Hause Hotz nicht allzu sehr zu Buche schlagen. Im Zweifelsfall kommt ihm dieses spontane Ende seines Moderatordaseins beim RBB also sogar gelegen.

In diesem speziellen Fall, angesichts des Drucks und der Beteiligung der Öffentlichkeit auch finanziell, finde ich die Entscheidung des RBB aus prinzipiellen Gründen schmerzhaft, aber im Kern berechtigt. Dass El Hotzo es zur Not hinnehmen muss, dass Menschen seiner Position derart widersprechen, dass dies spürbar Teile seiner Arbeit beeinflusst, sollte er wissen.

Entschuldigt halt El Hotzo sich bisher jedenfalls nicht. Das war weder zu erwarten, noch ist es notwendig - stattdessen versucht er ein interessant anzusehendes Meta-Spiel und inszeniert sich überspitzt als Ausgestoßener, der sofort nebst seiner Sendung auch noch Frau und Familie verliert und schließlich für Selfies im Feinripp-Unterhemd mit Kippe im Maul und Bier in der Hand posiert. Es ist eine Parodie dessen, was Cancel Culture angeblich mit den Betroffenen anrichtet. Die Metaebene ist: El Hotzo möchte uns wissen lassen, dass ihn diese Reaktion auf seine verfehlte Pointe nicht die Bohne interessiert. Je länger er dieses Spiel jedoch spielt, je länger er einen ausgestoßenen Künstler parodiert, der über die eigene Bedrängnis hinwegtäuschen möchte, desto eher bekommt man ein gegenteiliges Gefühl: Es scheint Sebastian Hotz sehr zu ärgern, dass der RBB ihn gekündigt hat. Wer das Bedürfnis hat, so oft zu betonen, dass ihm ein Umstand nichts ausmache, ist aller Wahrscheinlichkeit nach doch angefasster, als er zuzugeben bereit ist.

25.07.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
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