Deep State, Schläger und Trojaner

Deep State, Schläger und Trojaner

Karl Lauterbach entpuppt sich als Meisterstratege des politischen Berlins. Nur durch Zufall ist sein bisher genialster Zug aufgeflogen: Wer hätte gedacht, dass er den Deep-State so ernst nimmt, dass er tief im Keller des Gesundheitsministeriums als sportlicher Tischtennisspieler weiter ein- und ausgeht?

von Alexander Kira
,,Ich hab´ noch einen Koffer in Berlin" sang einmal die aus unerfindlichen Gründen mit einer Hassliebe vom Bürgertum der Bonner Republik belegte Hildegard Knef. Was wie ein harmloser Schlager klingt, ist in Wirklichkeit die Blaupause für politischen Machterhalt nach Ende der Amtszeit. Karl Lauterbach nahm das Lied fast wörtlich, nur heißt es bei ihm: ,,Ich hab´ noch eine Tischtennisplatte im Gesundheitsministerium."

Brillanter geht es nicht. Da lässt man rein zufällig in der Kaffeepause fallen, dass man nur einen einzigen Wunsch tief im Ministerherzen trägt: Wieder dem beruhigenden, maßvoll belastenden und dennoch kardiotechnisch hochwirksamen Ping-Ping frönen. Macht man dies häufig genug kann man sich sicher sein, dass das entsprechende Zubehör früher als später auf der Geschenkliste landet. Was sich am Hofe von Versailles bewährt hat, funktioniert auch in Berlin.
Doch erst als das Geschenk ausgepackt und praktischerweise im Ministeriumskeller aufgestellt war (Gibt es dort einen Hobbykeller?), offenbarte sich die wahre Funktion des Sportgeräts. Es war eine Trojanische Platte. Denn was ist, wenn das Ministeramt endet? Kann man etwa dem Minister den Zugang zu ,,seiner" Platte verwehren? Wenn ehemalige Kanzler und Bundespräsidenten noch alimentierte Büros mit Mitarbeitern haben - dann muss es doch erst recht ein Recht an der Platte für ehemalige Minister geben! Sie wollend doch nur spielen.

Jedenfalls ist nunmehr das Rätsel des typisch Lauterbachschen Sprachduktus gelöst: Der Mann war außer Atem, musste er doch spannendste Matches unterbrechen und nach oben zu Pressekonferenzen zu hetzen! Viele seiner Aussagen müssen nun unter dem Gesichtspunkt des Ping-Pong neu ausgelegt werden: ,,Ich habe die Vorlage nicht gesehen!", ,,wir schlagen zurück", ,,der Ball liegt bei anderen". Was für ein Aufschlag. Auch sein Hang zu Fliegen ist nun erklärt - oder haben Sie schon einmal mit einer Krawatte Ping-Pong gespielt?

Die Platten-Affäre hat dabei nicht nur tief im Keller des Gesundheitsministeriums einen wahren Deep-State aufgedeckt: Gerhard Schröder wurde letztens wieder im Kanzleramt gesehen - er musste nur mal kurz zu ,,seinem" Humidor, nirgendswo bleiben seine lieblings Cohibas frischer. Monika Hohlmeier ist regelmäßig in der Bayerischen Staatskanzlei, weil da noch ihre Dartschreibe aus Kindertagen hängt. Joachim Gauck ist quasi Dauergast im Park des Schlosses Bellevue. Er muss seinen ausgesprochen langlebigen Koi füttern, der ihm vormals in Kyoto geschenkt wurde. Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass Joschka Fischer ständig im Außenministerium anzutreffen ist, da dort noch sein Laufband steht. Angeblichen lassen ihn altgediente Mitarbeiter auch schnell mal Vorlagen unterzeichnen, wenn weder Minister noch Staatssekretäre im Hause sind. Es ist halt so praktisch. Unter der Hand erzählt man sich, dass er auch in der Küche mitredet - und sowohl die Diätbowl als auch das Schnitzel mit Bratkartoffeln geschmacklich maßgeblich verbessert habe.

Viele der neuen Ministerinnen und Minister der Regierung Merz haben bereits Vorhängeschlösser an ihren Bürotüren angebracht. Es ist schier unüberschaubar, wer eigentlich alles so in den Kellern und Büros herumstreunt. Verständlicherweise wird der Anbau des Kanzleramtes auch mit 777 Millionen Euro um satte 409 Millionen Euro teurer als geplant - mehr als das Kanzleramt damals als Ganzes gekostet hatte (368 Millionen). Stauraum muss her. Kanzler Merz hat längst von Karl Lauterbach gelernt und übertrifft mittlerweile den Meister: Angeblich verbreitet er schon seinen Traum von einer - naturgemäß fest verbauten - Bowlingbahn zu seinem ersten Dienstjubiläum. Sein Hausausweis dürfte ihm damit für Jahrzehnte sicher sein.
Am Ende bleibt ein schönes Bild, das des wahren Deep-State: Während oben der politische Wahnsinn tobt, spielt ein einsamer Mann mit Fliege und zwei Schlägern gleichzeitig gegen sich Tischtennis an einer von BKA-Beamten umstellten, halb-hochgeklappten Platte. Tja, man ist sich selbst doch der schwerste Gegner. Außer die neue Gesundheitsministerin heißt Nina Warken.


16.06.2025
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.

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