Der Nahostkonflikt und seine Opfer

Der Nahostkonflikt und seine Opfer

Am Nahen Osten entzündet sich ein sprachlicher und ideeller Krieg in westlichen Gesellschaften, der den Missbrauch des Solidaritätsbegriffs offenlegt und alle Seiten dazu einlädt, im Rahmen des vorgeschobenen Kampfes für das Gute die eigenen Ressentiments auszubreiten. Sei es eine unverhohlene Islamfeindlichkeit oder latent antisemitische Erzählungen - Vernichtungsrhetorik und selektive Empörung stehen jeglichem angeblichen Interesse für das Schicksal der Zivilisten diametral entgegen.

Von Bent Erik Scholz
Die Mechanismen sind immer die gleichen: mit dem ersten Schuss, der abgefeuert wird, beginnt das internationale Propagandaspektakel, und alsbald geht jeglicher Sinn dafür verloren, was das, was man da so laut von sich gibt, eigentlich im Klartext heißt. Beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 wurden über 1.100 Menschen ermordet, davon 695 Zivilisten, sowie 36 Kinder und Jugendliche. Das jüngste Todesopfer war zum Zeitpunkt des Massakers zehn Monate alt. Neben den Morden kam es zu massenhaften Vergewaltigungen, Videos und Fotos zeigen die Leichen junger Frauen, teilweise im Intimbereich verstümmelt. 250 Geiseln wurden in den Gazastreifen entführt.

In Berlin wird an diesem Tag der Befreiungsschlag gefeiert, in Neukölln wird Baklava auf der Straße verschenkt. Nicht wenigen fiel es als erstes ein, ,,Free Palestine" zu plakatieren und zu skandieren, bevor sie einen Moment innehielten und darüber nachdachten, dass sie gerade das feierten, was sie dem Staat Israel nur Stunden später vorwerfen würden: die systematische Ermordung völlig unschuldiger Menschen aufgrund ihrer Nationalität oder Religion. Auf vielen der ,,Free Palestine"-Poster oder T-Shirts, Profilbildern und Sharepics wird eine Landkarte des Gebiets Palästina gezeigt, von dem der Staat Israel völlig getilgt ist.

Teile der Angriffe vom 7. Oktober fanden in eher linken Kibuzzim statt, in denen propalästinensische Positionen nicht unüblich sind. Selbst Angehörige der Geiseln haben laut und öffentlich schärfste Kritik an Netanjahu geübt. Regelmäßig kommt es in Israel zu riesigen Demonstrationen gegen die Politik der Regierung von Netanjahu, mit vierstelligen Teilnehmerzahlen. Netanjahus Rolle in der Erstarkung der Hamas ist hierbei ein Hauptthema: er ist maßgeblich daran beteiligt, dass die Terrororganisation sich als politische Kraft im Gazastreifen etablieren konnte. Selbst monetäre Unterstützung für die Hamas, beispielsweise aus Katar, ließ Netanjahu zu - laut eigener Aussage im Sinne eines höheren Lebensstandards im Gazastreifen, vor allem jedoch aus Gründen der Disruption: mit der Hamas sollte ein Gegengewicht zur Palästinensischen Autonomiebehörde entstehen, auch um mögliche Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung hinauszuzögern.

Schon davor war der als Hardliner bekannte Netanjahu politisch vor allem damit beschäftigt, eine Unabhängigkeit Palästinas zu verhindern, das Gebiet unter israelischer Kontrolle zu halten, und partiell gar Friedensbemühungen seiner Amtsvorgänger zu torpedieren. Dass der 7. Oktober stattfinden konnte, hängt auch mit einem Versagen von Netanjahus Sicherheits- und Geheimdienstpolitik zusammen, wie mittlerweile relativ offensichtlich scheint.

Die Rolle dieses Ministerpräsidenten und seiner Regierung, an der auch mehrere Mitglieder rechtsextremer Parteien beteiligt sind, ist also mindestens ambivalent. Fakt ist jedoch: Kritik an dieser Regierung findet statt und hat vor allem in Israel selbst immer stattgefunden. Wer zu Recht moniert, dass im Gazastreifen in diesem Moment unzählige Zivilisten durch Kriegsgewalt und Hunger sterben, darunter viele Minderjährige, die an der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2007 überhaupt nicht beteiligt waren (das Durchschnittsalter im Gazastreifen liegt bei 17,7 Jahren) - der muss auch anerkennen, dass ein grausamer Terroranschlag auf israelische Zivilisten nichts mit einem ,,Freiheitskampf" zu tun hat.

Häufig liest man, wenn man sich öffentlich in gewisse Debatten einbringt, in Kommentarspalten die oftmals extrem emotionalisierte Aufforderung dazu, sich zum Nahostkonflikt und zum ,,Völkermord" in Gaza zu äußern - man habe eine Verantwortung dazu, das Schweigen sei unerträglich und im Zweifelsfall Zustimmung. Was hier eigentlich gefordert wird: man soll sich klar erkennbar auf eine Seite in diesem Konflikt stellen, und zumeist ist dies nicht die Seite Israels. Es ist durchaus bemerkenswert, dass diese Forderungen und Positionen nicht selten dem linken Lager entspringen. Ist man dort sonst mit Fug und Recht sehr genau, was historisch gewachsene ,,Schuld" angeht, scheint hier die Geschichte bei einigen erst am 8. Oktober 2023 zu beginnen. Dabei reden wir hier von einem Konflikt, dessen Hintergrund sich je nach Definition über Jahrhunderte erstreckt. Die Geschichte des Nahostkonflikts nämlich ist auch die Geschichte des westlichen Antisemitismus mindestens seit dem 19. Jahrhundert, und die Geschichte vieler jüdischer Völkerwanderungen in das ,,gelobte Land" Palästina, auf der Flucht vor Unterdrückung und Mord.

Der Staat Israel selbst wurde aus dem britischen Mandat für das Gebiet Palästina gegründet, faktisch mit Ende der Besatzung durch Großbritannien am 14. Mai 1948 war der jüdische Staat geboren. Hierin liegt wohl eines der Kernprobleme dieses Konflikts, denn eine Koexistenz verschiedener Religionen gab es in Palästina über Jahrhunderte hinweg. Auch im israelischen Staat selbst gibt es diese Koexistenz teilweise nach wie vor - etwa 20% der Bevölkerung ist muslimischer Konfession, und israelische Muslime genießen dieselben Rechte wie jeder andere Bürger Israels auch, und auch in ihrer Religionsausübung sind sie weitgehend ungehindert. Gleichwohl gibt es auch in Israel Rassismus und Diskriminierung, worüber ebenfalls immer wieder berichtet wird.

Praktisch von Tag eins seiner Existenz an befand Israel sich unter Beschuss und schließlich im Krieg, immer wieder kam es zu Angriffen durch die Nachbarländer, des Öfteren holte auch Israel zu Präventivschlägen aus. Die meisten dieser Kriege gewann der jüdische Staat. Dies führt bis heute zu einem Verhältnis zum eigenen Militär, das aus deutscher Perspektive schwer nachzuvollziehen ist. Traditionell wird mit der IDF innerhalb Israels viel Stolz und Vertrauen verbunden, wenn auch dieses Vertrauen an einigen Stellen bereits bröckelte. Ergebnis dieser Kriege war die Ausdehnung des israelischen Staatsgebiets und auch - ja - eine umfangreiche Siedlungspolitik, die auch die Unterdrückung der im Gazastreifen oder im Westjordanland lebenden Menschen, vor allem der Araber, beinhaltete. Auch im aktuellen Krieg könnte man, vor allem im Vergleich zu den hochpräzisen Angriffen im Iran, im Gazastreifen seitens der IDF eine gewisse Zerstörungswut konstatieren.

Ist das alleinig die Boshaftigkeit der Israelis? Oder gehört nicht auch zur Wahrheit dazu, dass das Terrorregime im Gazastreifen, die Hamas, im Zweifel kein Problem damit hat, zivile Opfer in Kauf zu nehmen? Die IDF kündigt Raketenangriffe traditionell vorher an, um ein Fenster für die Evakuierung offen zu lassen. Dass dies nicht gelingt, liegt auch an der Rolle der Nachbarländer. Ägypten oder Jordanien haben bisher wenig Interesse daran gezeigt, palästinensische Zivilisten als Geflüchtete aufzunehmen. Der Grenzzaun von Ägypten hin zum Gazastreifen ist höher als jener Israels. Der ägyptische Präsident al-Sisi begründet dies unter anderem damit, einer Überforderung der ägyptischen Sozialsysteme vorbeugen zu wollen, aber es besteht auch Sorge, dass geflüchtete palästinensische Terroristen eine Bedrohung für Ägypten werden könnten. Jordanien indes hat Frieden mit Israel geschlossen und bemüht sich, nicht in regionale Konflikte verwickelt zu werden. Partiell unterstützte das Land Israel sogar bei Angriffen durch den Iran im letzten Jahr.

Inmitten dessen stehen die palästinensischen Zivilisten, ein Großteil von ihnen hineingeboren in diese verzwickte Situation, und zumeist Opfer der Umstände. Wie die israelischen Zivilisten, die dem 7. Oktober zum Opfer fielen und darüber hinaus seit Jahrzehnten regelmäßigen Attacken ausgesetzt sind, so sind auch die Einwohner des Gaza-Streifens qua Aufenthaltsort einerseits gebeutelt durch die Herrschaft einer Terror-Organisation, andererseits durch militärische Reaktionen Israels, deren Verhältnismäßigkeit, eineinhalb Jahre nach dem Massenmord, mindestens fragwürdig ist. Auch die Palästinensische Autonomiebehörde, berüchtigt für ihre Korruption und ebenfalls nicht ausschließlich beliebt in der Bevölkerung, hat hier eine problematische Rolle. Ähnlich wie bei der Hamas regiert auch der Präsident der PA seit 2005 durch, ohne dass es zwischendurch zu Wahlen gekommen wäre. Zur Verteidigung Israels wird stetig zu Recht ins Feld geführt, dass es sich um die einzige Demokratie im Nahen Osten handelt. Die Frage jedoch muss auch gestellt werden: wie verantwortlich kann die heutige palästinensische Bevölkerung für die Diktatur gemacht werden, in der sie lebt? Vor allem stellt sich jedoch die Frage: Wäre es nicht angebracht, gerade bei einer Demokratie Verstöße gegen die Menschenrechte besonders zu monieren?

Probleme in der Wasserverteilung, die Zerstörung von Infrastruktur, die Geschichte des israelischen Siedlungsbaus - all dies sind Maßnahmen, die eben nicht nur Terroristen betreffen, die diese Infrastruktur gegebenenfalls auch als Schutzschild oder Lagerstätten benutzt. Sie tangieren auch unschuldige Menschen, und die deshalb auch in der israelischen Zivilbevölkerung auf massive Kritik stoßen. Die Blockade von Hilfsgütern, trotz aller rationalen Erklärungsversuche, hat eben doch zwangsläufig schaurige Konsequenzen für unbeteiligte Zivilisten. Wie in jedem anderen Krieg auch ist es dies, was unterm Strich immer stehen bleibt: Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen ganz normale Menschen, die kein inhärentes Interesse an Expansion oder Vernichtung hegen, sondern nur am eigenen Überleben interessiert sind, finden sich einer Staatsführung ausgeliefert, die andere Interessen vertritt. In Palästina wie in Israel, in Russland wie in der Ukraine.

Die letzten Friedensbemühungen um eine Zweistaatenlösung, auf die international weiterhin gedrängt wird, sind lange her. Weder die Hamas, in deren Satzung die Vernichtung Israels steht, noch Netanjahu, der bereits ankündigte, dass die Freilassung der Geiseln längst keine Voraussetzung mehr für das Ende des Krieges ist. Donald Trump liebäugelte bereits mit der Errichtung der ,,Riviera des Nahen Osten" im Gazastreifen. Die Konfliktregion einmal planieren und als eine Art Disney Land wieder aufbauen, und was dann mit den dort vielleicht noch lebenden Menschen passiert, soll anderer Leute Sorge sein.

Die Rolle internationaler Partner Israels ist eine schwierige. Deutschland bekennt sich in seiner Staatsräson zu einer bedingungslosen Unterstützung des Existenzrechts Israels. Ein historisch gut begründeter und wichtiger Wert, der jedoch nicht bedeuten muss, sämtliche Handlungen der Regierung mitzutragen. Die Reaktionen aus der deutschen Politik fallen demnach teilweise unterkomplex, teilweise merkwürdig schmerzverzerrt aus. Waffen werden auch von deutschen Rüstungskonzernen wie Rheinmetall nach Israel verkauft - die Frage stellt sich, wie notwendig dies angesichts der relativen Stärke des israelischen Militärs überhaupt ist. Im Global Firepower Index sowie bei der Liste der Zahl der Streitkräfte liegt Israel exakt hinter Deutschland, obwohl Deutschland achtmal so viele Einwohner hat.

Auch wird differenzierter Kritik an der israelischen Staatsführung in Deutschland teils mit vorauseilendem Gehorsam begegnet. So grotesk das Verteilen von Süßgebäck auf der Sonnenallee oder Plakate mit einem ausradierten Israel auch sind, so sind dies lediglich extreme Ausprägungen einer im Kleineren viel diversifizierteren Debatte auch innerhalb des linken Spektrums. Unter anderem im Zuge der polizeilichen Reaktionen auf Universitätsbesetzungen in Berlin ist es auch zu Szenen gekommen, die Kritik verdienen. Auch wenn nicht wenige in ihrer Kritik an Israel die Grenze zu latent antisemitischen Theorien mindestens tangieren, muss auch gesagt werden: viele der Kritiker tun gerade dies eben nicht. Der Fehler, der spätestens seit der Corona-Zeit immer wieder in Debatten gemacht wird, jegliche Tendenz einer Meinung in eines von zwei Lagern einordnen und somit auch mit radikalen Positionen gleichmachen zu wollen, darf auch hier nicht weiter passieren.

Richtig ist: Netanjahu ist an einer schnellen Befriedung des Nahostkonflikts offenkundig nicht interessiert. Die israelische Tageszeitung Ha?aretz schreibt seit eineinhalb Jahren regelmäßig darüber, wie die israelische Regierung Abmachungen über die Rückführung der Geiseln unterminiert. Es ist eben nicht so einfach, als dass ,,die Hamas" den Krieg einfach ,,jederzeit beenden" könnte, ebenso wenig wie Russland jederzeit den Ukrainekrieg beenden könnte. Es ist nicht notwendig, Holocaust-Vergleiche zu ziehen oder den Völkermordbegriff möglicherweise zu inflationieren, um Menschenrechtsverstöße in diesem Krieg anzuerkennen. Genauso wenig ist es richtig, jeden Kritiker der israelischen Politik gleichzusetzen mit antisemitischen Querfrontlern, die den Judenstaat am liebsten von der Landkarte getilgt sehen würden. Jegliches Parteiergreifen für diese oder jene Seite müsste sich in einer vernunftbegabten Gesellschaft von selbst verbieten.

Die einzige Partei, die es zu ergreifen gilt, ist die gegen den Krieg und für die Menschlichkeit, für eine Welt, in der Menschen unabhängig von ihrer Geschichte, Herkunft und Konfession miteinander leben und einander leben lassen können. Dies verhindern derzeit gleichsam die Hamas, aber auch Netanjahu, sowie weitere Nachbarstaaten im Nahen Osten, die, wie Ägypten, offensichtlich kein Problem damit haben, den Bewohnern des Gazastreifens beim Sterben zuzuschauen, oder die, wie der Iran oder der Libanon, genauso mit der Vernichtung Israels kokettieren.

20.06.25
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB

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Kommentare
  • Mina G.
    27.06.2025 19:10
    Ich habe kürzlich einen Aphorismus kreiert: Die Guten dürfen alles.
    Ich bin zufrieden mit mir, ich finde ihn fast so gut wie: „Alle Kreter sind Lügner, sagt der Kreter.“

    Nach dem zu urteilen, was ich bisher von Bent-Erik Scholz gehört und gesehen habe, ist der Autor ein liebenswerter und kluger Zeitgenosse. Dieser Text ist aber leider eine Verirrung, weil zum einen nicht gründlich recherchiert wurde und zum anderen der Autor sich fürchtet, in die Antisemitismus-Ecke gestellt zu werden.

    Wir haben das Glück, auf die großartige Arbeit von Menschen zurückgreifen zu können, die jüdisch sind, die man bewundern und lieben kann, auch weil sie sich gegen diese monströsen Verbrechen wenden. So gut wie alle Quellen, die ich hier zitiere, stammen von Juden.

    Vermutlich haben die meisten Menschen in Deutschland noch nie wirklich Berichte gesehen, die das Geschehen in Gaza und jetzt auch im Westjordanland realistisch zeigen, so auch ganz offensichtlich der Autor nicht.

    Um sich einen Eindruck zu verschaffen, worüber wir hier sprechen, zwei kurze Beiträge:

    Jews Speak Out: Israel’s Genocide “Worse Than Nazis”

    https://youtu.be/MzjiwDmKQtA?feature=shared
    Ein Rapper mit Herz und Verstand, wow:

    Lowkey DESTROYS Media Coverage of Greta Thunberg Gaza Flotilla

    https://youtu.be/ytSe5vZpyWI?feature=shared
    Mit aller Medienmacht hat man durchgesetzt, dass jede Diskussion der Gaza-Thematik mit den Verbrechen des 7. Oktober 2023 zu beginnen hat. Nur: Eine Rechtsnorm, die die Ermordung zehntausender Zivilisten erlaubt, darunter viele Frauen und Kinder, gibt es nicht, weder als Kollektivstrafe noch aus sonstigen vorgeschobenen Gründen. Die Menschen müssen auch nicht ihre Unschuld beweisen und worin sollte Ihre Schuld auch bestehen?
    Genauso, wie der Angriff von Teilen der Hamas auf die Festivalbesucher und die Entführung vieler von ihnen ein Kriegsverbrechen ist, ist der Massenmord an den Einwohnern Gazas eines, und zwar ein monströses.

    Wir wissen schon länger darüber Bescheid (sofern wir es wissen wollen), dass die behaupteten Gräueltaten des 7. Oktobers nicht der Wahrheit entsprechen. Es gab keine enthaupteten Babys und auch keine Massenvergewaltigung mit Genitalverstümmelung. Der Investigativjournalist Max Blumenthal, der seit 2014 über Gaza recherchiert und schreibt, ist unter Anwendung kriminalistischer Prinzipien einem Skandal auf die Spur gekommen. Nicht nur wurden keinerlei forensische Beweise erhoben und der einzige Zeuge stellte sich als absolut unglaubwürdig heraus, sondern geschätzt die Hälfte der jungen Menschen wurden unter Einsatz von Panzern und Hubschraubern durch Beschuss der israelischen Armee getötet.{1}

    Die sogenannte Hannibal-Direktive besagt, dass Soldaten besser getötet werden sollten, wenn man anders nicht verhindern kann, dass sie als Geiseln genommen werden. Am 7.10. 23 wurde „Friendly Fire“ angeordnet und die Hannibal-Direktive auf Zivilisten ausgedehnt.{2}

    Ist der Massenmord auch als Völkermord zu qualifizieren?
    Wir müssen hier nicht raten, wir haben eine Ermittlung des IGH und einen Haftbefehl gegen Netanjahu. Entscheidendes Kriterium der Qualifizierung als Völkermord ist die Vernichtungsabsicht. Südafrika sieht ein starkes Indiz für das Vorliegen dieses Merkmals in Netanjahus Amalek-Rede. Sie bezieht sich auf eine Bibelstelle, die von der Auslöschung der Amalektiter handelt. Auch andere israelische Politiker machen keinen Hehl daraus, was mit den Palestinensern geschehen soll. Das frühere Knesset-Mitglied Moshe Feiglin etwa fordert, man müsse die Gazer gleich im Babyalter töten. {3}

    Zwei Monate vor dem 7. Oktober zeigt ein Foto Bibi, wie er ein Bild von Großisrael in die Kamera hält. Smotrich wiederum spricht davon, dass die israelische Fahne in Damaskus wehen soll. Immer wieder dringen jüdische Extremisten in die al-Aqsa-Moschee ein und sprechen von ihren Plänen, die Moschee zu schleifen, um den Dritten Tempel zu errichten.

    Die Israelis demonstrieren, aber leider nicht gegen das, was in Gaza passiert. 82 % unterstützen laut aktueller Umfrage Nethanjahus Politik. Das mag damit zusammenhängen, dass mindestens eine halbe Million Israelis das Land verlassen haben.
    „Ist das alleinig die Boshaftigkeit der Israelis?“ fragt Herr Scholz.
    Ich persönlich habe in meiner Lebenszeit noch nicht etwas so Böses gesehen.

    Bereits ein Artikel im Guardian vom 20. Juli 2014 zeigt Israelis, die sich an der Grenze von Gaza auf einer Anhöhe versammeln und das Fallen der Bomben mit Jubel, Sekt und Snacks feiern. Die IDF verüben Gräueltaten und in den Gefängnissen wird gefoltert. Ein israelischer Journalist fordert im Fernsehen, dass die Vergewaltigung von Palästinensern in Gefängnissen institutionalisiert werden soll. {4}

    Hunger wird als Waffe eingesetzt, neuerdings ersetzt eine private Firma die Hilfsorganisation und statt Helfern verteilen Söldner die Nahrung. Was man mit den Bildern von den aufgestellten Gitterzäunen assoziiert, soll jeder selbst für sich herausfinden. Man sollte sich den Bildern nicht entziehen.{5}

    Wichtig wäre auch zu wissen, dass Israel nicht nur eine Heimat in Palästina ist, 1948 durch ethnische Säuberungen zionistischer Freischärler, in der so genannten Nakba, gewaltsam geräumt, sondern auch der US-Proxy, der für die Machterhaltung des Hegemons im Mittleren Osten sorgt. Auch hier gibt es wieder ein aufschlussreiches Strategiepapier, diesmal des Brookings Institute: „Which Path to Persia?“ Unter Teil II, Militäroptionen, findet sich Kapitel 5: Leave it to Bibi. Allowing or Encouraging an Israeli Military Strike.{6}

    Ich denke, wer sich den Bildern aussetzt und die Hintergründe kennt, wird sich gezwungen sehen, für die Palestinenser Partei zu ergreifen.


    {1} NY Times October 7 hoax exposed

    https://youtu.be/BXdCd8VPo4g?feature=shared
    {2} Blockbuster Israeli report exposes Oct 7 friendly fire orders

    https://youtu.be/4Lrytl33_2s?feature=shared
    https://www.ynet.co.il/news/article/yokra13754368
    {3} https://youtube.com/shorts/gr9X0bDmi-Q?feature=shared
    {4} Israelis gather on hillsides to watch and cheer as military drops bombs on Gaza

    https://share.google/teO1xvEvN9qgMrj1k
    {5} Shady Gaza aid org is key instrument of genocide

    https://youtu.be/W02YhTEr7xU?feature=shared
    {6} Which Path to Persia? Options for a New American Strategy toward Iran

    https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/06/06_iran_strategy.pdf
    Beste Grüße


  • Skai
    26.06.2025 18:50
    Antwort an Pa:
    Ich denke was Bent damit sagen will, ist, dass Russland nicht einfach mit Aufhören zu Bekriegen den Krieg beenden könnte. Es müsste einen Rückzug Russlands in Gänze geben, die Rückgabe einzelner eingenommener Gebiete inkl. Krim, sowie eine Anerkennung der ukrainischen Staatsgrenzen ohne dabei davon zu sprechen, dass es eigentlich russisches Gebiet sei, weil dort (ohne die genaue Zahl zu kennen) viele Russen leben.
  • Lukas Abraham
    24.06.2025 21:42
    Ich habe den folgenden Text gestern verfasst – aus Wut, aus Enttäuschung, aber auch aus dem Bedürfnis heraus, Haltung zu zeigen. Als ich heute den Beitrag von Bent Erik Scholz gelesen habe, hatte ich das Gefühl: Das passt zusammen. Darum möchte ich meinen Text hier als Kommentar stehen lassen – nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung.

    Danke für deinen differenzierten Beitrag, Bent.
    Hier mein Text:

    In Deutschland kann man heute für fast alles demonstrieren. Für höhere Löhne, für Klimaschutz, gegen Rassismus, für queere Rechte, für den Frieden im Nahen Osten – und genau darin liegt eine der größten Errungenschaften unseres Landes: die Meinungsfreiheit. Doch was passiert, wenn diese Freiheit dazu genutzt wird, sich mit Kräften zu solidarisieren, die sie selbst verachten?
    Genau das erleben wir seit dem 7. Oktober 2023. Während Israel um seine ermordeten, vergewaltigten und verschleppten Bürger trauert – viele davon Zivilisten, Kinder, Frauen, Jugendliche auf einem Festival – gehen hierzulande Menschen auf die Straße, die Hamas-Fahnen schwenken, „Intifada bis zum Sieg“ rufen und den Staat Israel dämonisieren. Sie nennen es „Solidarität mit Palästina“. Was sie verschweigen: Diese Solidarität gilt auch einer Terrororganisation, die gezielt Zivilisten tötet, Frauen als Kriegsbeute verschleppt, Kinder als Schutzschilde benutzt.
    Noch perfider wird es, wenn ausgerechnet Gruppen, die in Gaza keine Woche überleben würden – etwa queere Aktivist*innen oder feministische Initiativen – gemeinsam mit Islamisten marschieren, die in ihrer Ideologie Homosexuelle an Baukränen aufhängen und Frauen entrechten. In den Straßen Berlins oder Düsseldorfs vereinen sich dann Menschen unter Regenbogenflaggen und palästinensischen Kufiyas, als sei das kein Widerspruch. Als gäbe es keine Gefängnisse im Iran, keine Folter, keine öffentlichen Hinrichtungen. Als wäre der Aufruf zur „Befreiung Palästinas“ nicht gleichzeitig ein Ruf zur Zerstörung Israels – des einzigen jüdischen und zugleich demokratischen Staates im Nahen Osten.
    Wie kann es sein, dass diese Doppelmoral nicht mehr auffällt? Dass Menschen, die sich für Vielfalt und Gleichberechtigung stark machen, ausgerechnet jene glorifizieren, die das Gegenteil davon predigen? Dass das Schicksal von Geiseln wie Ziv und Gali – zwei Brüder, entführt aus einem Musikfestival, verschleppt in Tunnel der Hölle – nicht einmal Erwähnung findet in diesen Kreisen? Wo bleibt das Mitgefühl für die Opfer? Für die 120 Menschen, die noch immer in Hamas-Gefangenschaft sind, während ihre Namen auf Gedenktafeln in israelischen Kibbuzim stehen, aber nicht in deutschen Schlagzeilen?
    Ich bin wütend. Nicht weil Menschen Kritik an israelischer Politik äußern – das ist legitim, notwendig und Teil jeder Demokratie. Ich bin wütend, weil Menschen die Hamas verharmlosen. Weil sie Opfer ignorieren, wenn sie Juden sind. Weil sie ihre Freiheit dazu nutzen, an der Seite derer zu stehen, die anderen jede Freiheit verweigern würden.
    Wer für Gerechtigkeit kämpft, muss konsequent sein. Wer gegen Unterdrückung demonstriert, darf sich nicht mit den Unterdrückern solidarisieren. Und wer glaubt, im Iran, in Gaza oder in Afghanistan dieselben Rechte zu haben wie in Israel oder Deutschland – der hat entweder nichts verstanden oder verschließt bewusst die Augen.
    Wir sollten nicht zulassen, dass diese gefährliche Doppelmoral zur gesellschaftlichen Norm wird. Denn wer im Namen der Gerechtigkeit mit Terror marschiert, verrät am Ende genau das, was er vorgibt zu verteidigen.
  • David Goliath
    23.06.2025 21:58
    Ein Punkt der mir in dem Beitrag meiner Auffassung nach fehlt, ist die sogenannte Nakbar dh. die Vertreibung der Palästinenser aus dem Autonomiegebiet kurz vor Gründung des Staates Israel.
    Dies war für viele Palästinenser traumatisch was eben den Antisemitismus dort befeuert hat und zur Ablehnung Israels innerhalb der arabischen Welt beigetragen hat. Das "Staatskonstrukt" Gaza ist bis heute kein besonders Menschenfreundliches. Es kommt kaum jemand dort von außen rein, geschweige dort raus. Die Grenzen werden bis heute von Israel bewacht, nicht selten kommt es zu gängelungen ähnlich wie zu DDR-Zeiten zur/von der Transitstrecke.
    All dass trug bei den Palästinensern zur Wut bei und somit zur Radikalisierung inform der Hamas.
    Und trotzdem gestehe ich Israel aufgrund der Geschichte ein Existenzrecht zu, auch wenn nur auf Grundlage einer Zweistaatenlösung. Ebenso bin ich der Auffasung dass man Gewalt nicht mit Gegengewalt lösen sollte und schon garnicht mit ismen.
    Das eher Linke Mitmenschen im Zweifelsfall auf der Seite Palästinas stehen, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass Linke die Natur haben sich für den vergleichsweise schwächeren einzusetzen, was wohl im direkten Vergleich eher die Palästinenser, ins besondere die Menschen in Gaza sein dürften.
    Ein "Free Palastine" zu skandieren ist dennoch so sinnfrei wie Herrn Netanjahus "Expansionskurs" zu folgen.
    Es ist vollkommen richtig was Bent geschrieben hat, dass wenn man im interesse des Friedens handeln will man nicht Partei ergreifen sollte.
    Dem will ich auch nicht widersprechen, nur muss ich mir selbst auch eingestehen nicht völlig frei von Tendenzen sein zu können. "David gegen Goliath"
  • Marco
    22.06.2025 10:23
    In der internationalen Sicherheitspolitik gibt es nicht die eine Wahrheit. Nur die Zeitgeschichte mag offenlegen ob die Optionen Ihrer Epoche weise gewählt wurden.
  • Pa
    21.06.2025 04:29
    "Es ist eben nicht so einfach, als dass ,,die Hamas" den Krieg einfach ,,jederzeit beenden" könnte, ebenso wenig wie Russland jederzeit den Ukrainekrieg beenden könnte"

    Dass die Hamas den Konflikt nicht beenden kann verstehe ich,den Vergleich zu Russland verstehe ich aber leider nicht und wäre froh über eine Erklärung.

    MfG
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