Der Abschieds-Terror

Der Abschieds-Terror

Leider vergeht kein Tag, an dem ein ehemals bedeutendes Amt im Ordnungsgefüge unserer Republik Stückchen für Stückchen Schaden nimmt. Der Amtsinhaber will es so. Er demontiert sich selbst und er demontiert auch, jeden Tag, Stückchen für Stückchen, den Glauben ans Gelingen. Weil ihm, kurz vor seinem Ende, nichts anderes einfällt. Erschütternd, findet Kai Blasberg

,,Der Politiker sollte ein Mensch sein, der sich über seine Moral und seine sittliche Verantwortung im Klaren ist. Er sollte seine Ziele und deren Rechtfertigung kennen und das, was er anpackt, auch zustande bringen." *Helmut Schmidt
Und jetzt Du, lieber Leser.
Lesen und verstehen.
Die Sätze von Helmut Schmidt sind verständlich und klar. Und im Grunde kann man dagegen nicht vernünftig das Wort erheben. Und jetzt, lieber Leser, denke im Sinne dieser Sätze Helmut Schmidts an Markus Söder.
,,Der Politiker sollte ein Mensch sein, der sich über seine Moral und seine sittliche Verantwortung im Klaren ist. Er sollte seine Ziele und deren Rechtfertigung kennen und das, was er anpackt, auch zustande bringen"
Ich gebe Dir eine Minute, dann müsste der Lachflash vorbei sein.
Vielleicht liegt es daran, dass ein Mittelfranke in Oberbayern nicht heimisch werden kann. Vielleicht, dass er sich seit der Kindheit als einen Auserwählten sah. Der nun, im Herbst der Karriere merkt, dass alles umsonst war. So wie sein großes Vorbild FJS dies auch tat und kümmerlich, von eigener Allmachtphantasie niedergerungen, spurenlos verschied.

Ich kenne ihn, den ,,frängischn Maggus", seit 20 Jahren. Da begegnete er mir in Nürnberg auf einem Wahlplakat und hieß fortan ,,Frozen Markus". Wahlplakate pflege ich gemeinhin nicht zu erinnern. Also auch nicht die mir bis dahin unbekannt Abgebildeten. Das hier war aber besonders. Ich merkte mir den Namen Markus Söder. Nicht wegen einer etwaigen Aussage auf dem Plakat. Nein. Auch nicht wegen seines lieblichen Antlitzes. Es war wegen seiner eiskalten Augen. Sein Markenzeichen. Achte einmal darauf, lieber Leser. Markus Söder hat eiskalte Augen. Wenn er lacht, oder, wie meistens, wenn er was anderes tut als lachen, also höhnt, grummelt, krakeelt. Oder spottet. Oder wie Horst Seehofer einmal beklagte, schmutzelt. Immer und überall tat Markus Söder das mit eiskalten Augen. In Bayern bekleidete er vom Generalsekretär der Regionalpartei CSU, über den Europaminister zum Umweltminister und Finanzminister in Bayern nahezu jedes Amt, dem er sich gleichsam gnädig zuwandte. Politischer Erfolg ist ihm in keiner dieser Positionen nachzusagen, erheblichen Schaden richtete er jedoch regelmäßig an. Auch jetzt als Ministerpräsident, dem ,,schönsten Amt der Welt", welches uns die weißblau-Klerikalen immer weißblau machen wollten, was als Absicht aber immer leicht zu dekodieren war. Der große Junge aus, nomen est omen, Schweinau hing in seinem Jugendzimmer Poster auf. Das tat man so in unserer Generation. Auch ich tat das. Von der Nationalmannschaft 1974. Oder von Abba. Ich erinnere auch noch, etwas später, The Police.

Markus, zwei Jahre jünger als ich, hängte sich einen dicken alten Mann übers Bett. Den Franz Josef Strauß, den man in der Politik über Jahrzehnte ans Ufer gehen sah, der aber nie sprang. Den man guten Gewissens einen von krimineller Energie geküssten Fahrensmann nennen durfte und der das große Vorbild des jungen Maggus war. Dann ging der zur Bundeswehr. Dann zum öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk. Hieran kann sich freilich kaum jemand erinnern. Maggus studierte Jura und promovierte über ein sonderbares Thema höchst mittelmäßig. Mit 27 saß er dann schon für die Christen im Landtag in Bayern. Sie merken schon: von eigner Hände Arbeit in der angeblich so geliebten Marktwirtschaft mochte Markus nicht leben. Als er dann Vater wurde, ließ er die werdende Mutter alleine, die das mit den Worten quittierte: ,,Ich war ihm nicht reich genug". Eine Karin war es, die ihm gefiel. Und nicht nur der Name war's, hießen doch die Gattinnen seiner Vorgänger im Amte des Präsidenten genau so, nein, es war wohl auch das millionenschwere Erbe, um das sich Karin kümmern durfte. Die Welt des Söder aber blieb klein. München. Nürnberg. Das war's. Mit nun bald 60. Laut eigener Worte schippert er in seiner letzten Legislatur, was natürlich wegen der mäandernden Treue zum selbstgesprochenen Wort zunächst mal gar nichts gilt. Denn auch das ist ein Unterschied zum Amtsethos eines Helmut Schmidt. Markus Söder hat alle Meinungen, die ein Mensch haben kann, schon auf den Lippen geführt. Gedacht, gespürt oder gemeint aber war nur das Allerwenigste. Tatsächlich erinnert man sich bei ihm trotz der vielen Dekaden medialem Dauerbeschuss an nicht einen Gedanken, der ihn über den eines Straßenbahnfahrers der heimischen Verkehrsbetriebe stellt. Womit man dieser Zunft so pauschal sogar mit Sicherheit Unrecht tut. Er pöbelt am liebsten im Stile eines Westentaschenrebellen mit den Worten ,,des kann ja net sei". Und was dann ,,net sei" kann, ist allen inklusive ihm selbst wenig später schon nicht mehr erinnerlich. Er umarmt Bäume, wenn er die gehassten Grünen umschwärmt. Er verkauft Wohnungen, wenn die am meisten fehlen und baut dann, wenn er verspricht, es tun zu lassen, keine mehr. Wenn ein staatliches Filmfest im Budget im nächsten Jahr wegen der Konkurrenz zum verachteten Berlin verdoppelt werden soll, streicht er im Jahr drauf den sowieso schon kärglichen Sold erneut. Die eine Schlagzeile zu Beginn reichte ihm. Er verbietet Bürgern das Sitzen im winterlichen Park. Einfach nur, weil er meint, es zu können. Wenn ein Parteifreund an seiner statt Kanzler werden will, macht er ihm, nicht der Konkurrent, einen Strich durch die Rechnung. Siehe schmutzeln. Obgleich er zweimal die jeweils schlechtesten Wahlergebnisse in der Geschichte seines Bundeslandes für seine Partei einfuhr, rüttelt niemand an seinem Thron. Nach so vielen Jahren des Krieges gegeneinander sind alle nur mehr erschöpft und mental wie intellektuell blank. Sein ganzes Kabinett im Peter-Prinzip. Doch nun scheint die Zielgrade erreicht. Markus gibt auf. Er hat Instagram entdeckt. Hier bettet er sich zu Ruhe. Alles Sittliche, alles Vernünftige, alles Seriöse geht dahin. Meistens beim Essen.

Ja. Er ist in dem Alter, wo er aufpassen muss. Die vielen Volksfeste, Jubiläen, Sommertreffen. Überall gibt es was zu futtern. Das sieht man dem 1,95-Klops in der bei ihm traditionell schlechtsitzenden Billigkleidung sehr schnell an. Neu aber ist diese intellektuelle Abdankung. Dieses: ,,ich-hielt-Euch-immer-für-blöde-und-jetzt-zeig-ich-das-mal" der letzten Monate. Obgleich nie einer großen Ideensammlung verpflichtet, findet Söder nun auch für seine Verhältnisse wahrhaft kümmerliche Niedergänge. Er spricht mit seinem Volk wie mit sehr dummen kleinen Äffchen. Dabei macht er sich schlicht zur Witzfigur. Bei vollem Lohnausgleich. Natürlich prangert er währenddessen alles bei anderen an, was er selber tut. Markus Söder arbeitet aber auch nicht mehr. Denn immer, wenn der Murks fabriziert wird, den er fortan unters digitale Volk streut, läuft ja die Kostenuhr des Steuerzahlers. Er, der nie einen Cent je selbst verdiente, produziert im Akkord Bildermüll ohne Sinn und Verstand. Aber ach: er lässt es natürlich produzieren. Es kostet ihn ja nichts. Warum er das tut? Warum leckt der Hund sich den Schwanz? Warum tritt Söder als Monroe oder Bismarck auf? Warum als Ghandi, als Rassismus noch en vogue war? Die Antwort ist immer dieselbe: es ist ihm wurscht.
Er hat sich verabschiedet. Selbst wenn er bleibt: er ist weg.
Seine letzten Worte klängen wohl so:

,,Der Politiker sollte ein Mensch sein, der sich über seinen Weltekel und seine nicht gegebene Verantwortung im Klaren ist. Er sollte seine Ziele vernebeln und deren Rechtfertigung leugnen. Und nichts wollen. Ganz wichtig. Nichts wollen!"

01.08.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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