Die FDP verdient den Niedergang
Am Vormittag des 25. Septembers 2024 trat die Parteispitze der Grünen um Omid Nouripour und Ricarda Lang zurück. Es ist die richtige Konsequenz nach mehreren desaströsen Ergebnissen bei den Landtagswahlen. Wo bleibt die entsprechende Konsequenz bei der FDP?
Von Bent Erik Scholz
Von Bent Erik Scholz
In Brandenburg sind zuletzt zwei von drei Regierungsparteien krachend aus dem Landtag herausgeflogen - dass die dritte zum Wahlsieger wurde, ist weniger der Arbeit der Bundes-SPD zu verdanken, sondern eher der Tatsache geschuldet, dass Dietmar Woidke klugerweise im Wahlkampf auf Distanz zu Scholz und Konsorten ging. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: viele Wähler gaben an, ihre Stimme deshalb SPD und CDU gegeben zu haben, um den Wahlsieg der AfD zu verhindern. Eine Wahl zum kleineren Übel ist nur bedingt als Erfolg zu verbuchen.
Die Grünen haben in Sachsen, Thüringen und Brandenburg herbe Verluste eingefahren. Lediglich in Sachsen gelang ihnen auf Biegen und Brechen der Einzug in den Landtag. Es ist die Quittung für eine Politik, die zum Machterhalt die eigenen Prinzipien über Bord geworfen hat, sich zunehmend an die Klientel richtete, und bewies, dass - anders als gern von rechten Sprücheklopfern behauptet - die Politik der Grünen eben doch nichts Linkes an sich hat. Sie ist nicht sozial, sie orientiert sich nicht an einer breiten Masse, sie agiert aus einer gut situierten Blase für dieselbige. Sie ist realitätsfern.
Und was ist mit der FDP? Seit Jahren treibt insbesondere Christian Lindner als Finanzminister den Rest der Ampelregierung vor sich her und erlaubt sich, ausgerechnet als schwächstes Glied der Dreierkoalition, mächtig viel Hybris. Er blockiert Investitionen, hetzt gegen die untere Mittelschicht, um die oberen 10% zu pampern. Das Geschrei über das Bürgergeld ist unehrlich angesichts der Tatsache, dass dem Fiskus jährlich schätzungsweise zwischen 80 und 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und Steuervorteile primär für Superreiche entgehen. Die Quittung dafür zahlen die mittleren Einkommensschichten. Zum Vergleich: das Bürgergeld kostet den Steuerzahler jährlich gerade einmal die Hälfte dieser verschleppten 80 bis 100 Milliarden. Wer als Arbeitsloser 600 Euro monatlich erhält, muss sich als Schmarotzer beleidigen lassen. Wer Millionen erbt, die er nicht versteuert, und nicht eine einzige Sekunde mehr arbeitet als ein Bürgergeldempfänger, wird mit diesem Vorwurf wohl nie konfrontiert sein.
In allen drei Landtagswahlen der letzten Wochen ist die FDP nicht nur an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, vielmehr noch: in zwei der drei Landtage hat sie Ergebnisse im nicht mehr messbaren Bereich erzielt. Doch sie reagiert nicht, indem auch sie ihre internen Strukturen überdenkt. Stattdessen gibt sie ihren Koalitionspartnern die Schuld, stampft bockig auf, und lässt Wolfgang Kubicki aus der Mottenkiste heraus ein Ultimatum nach dem anderen stellen. Wie ein Chihuahua, der sich in der Wade verbeißt, ringt die FDP um den letzten Rest Kredibilität. Selbstkritik sucht man jedoch nach diesen horrenden Debakeln vergeblich. Das Problem an der FDP ist nämlich nicht, dass sie nicht richtig zum Zug kommen darf. Das Problem an ihr ist, dass sie jegliches Bemühen um eine ausgeglichenere Sozialpolitik, jegliche Unterstützung ärmerer Menschen blockiert, mit einer Argumentation, die im Kern besagt, dass man doch auf weniger Vermögende keine Rücksicht nehmen könnte, weil das sonst nur die Reichen vergraulen würde.
Christian Lindner, dessen politische Karriere mit 21 begann, hat in seinem Leben nie einen Beruf bestritten, der die Gesellschaft weitergebracht hätte. Als Unternehmensberater hat er ohnehin wohlhabenden Firmen Ratschläge an die Hand gegeben, wie sie ihren Reichtum noch vermehren können. Ausgestattet mit den nahezu klischeehaft archetypischen Insignien des bessergestellten Yuppies - Rennfahrlizenz, Sportbootführerschein, Privatjets - inszeniert er sich als Volksvertreter, obwohl aus seiner Politik eine Verachtung für den überwältigenden Großteil der Bevölkerung spricht. Das unter anderem von ihm gegründete Unternehmen Moomax ging nach einem Jahr bankrott.
Wolfgang Kubicki, der 2017 während der Jamaika-Verhandlungen mit dem Amt des Finanzministers liebäugelte, vertritt als Rechtsanwalt den Finanzbeamten Hanno Berger, einen Wirtschaftskriminellen, der als führender Initiator von ,,Cum-Ex"-Geschäften gilt. Hanno Berger allein ist wegen Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe angeklagt. Durch Cum-Ex verlor der deutsche Staat etwa 10 Milliarden Euro. Mit diesem Geld allein hätte man sechs Jahre lang das 49-Euro-Ticket finanzieren können.
Die FDP vertritt eine beispiellos elitäre, tendenziell asoziale Politik. Wann immer sie in diesem Jahrtausend an einer Regierung beteiligt war, flog sie in der nächsten Legislaturperiode im hohen Bogen wieder aus dem Bundestag raus. Die Schuld dafür nur bei den Koalitionspartnern zu suchen, ist förmlich pathologisch. Die Wahrheit ist: die FDP ist immer auch durch ihre Beliebtheit bei Jungwählern zu politscher Macht gekommen, die nicht auf Basis ihres Interesses, sondern auf Basis ihrer Wunschvorstellungen für das eigene Leben gewählt haben. Junge Menschen, die, für den Fall, dass sie es nach oben schaffen, eine Partei mit an der Regierung wissen können, die in ihrem Sinne agiert. Vier Jahre später sind diese Wähler zur Vernunft gekommen, angesichts des Desasters, welches die neoliberale Politik in der Realität bedeutet. Manch verlorene Seele wartet bis heute sehnsüchtig, aber vergebens auf den Trickle-Down-Effekt.
Das neoliberale Märchen ist auserzählt. Die unsinnig als ,,Freiheit" titulierte Raffgier nach immer mehr Wachstum stirbt einen qualvollen, aber folgerichtigen Tod. Denn wer die Regulierung des Marktes dem Markt selbst überlässt, erlebt am eigenen Leib, wie das Recht des Stärkeren eine Diktatur der Monopole herbeiführt, in der nichts mehr wächst oder gedeiht - sozialer Aufstieg ist heute ein Fiebertraum, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich mehr und mehr, und niemand schafft es mehr von ganz unten nach ganz oben, wenn er nicht reich geerbt oder deutlich mehr Glück als Verstand besitzt. Die Lügengeschichte, dass wer fleißig arbeitet auch vorankommt, ist entlarvt. Konsequent neoliberale Politik bedeutet in ihrer Vollendung amerikanische Verhältnisse: Menschen müssen zwei bis drei Jobs parallel haben, um sich ihren Lebensunterhalt bezahlen zu können - und wehe, sie werden krank, denn dann kommt über sie die unheilvolle Allianz aus Verdienstausfällen und absurd hohen Krankenhausrechnungen. In den Vereinigten Staaten bangen Menschen um ihre Existenz, weil sie einen Studienkredit aufgenommen haben, um sich weiterzubilden.
Es sind Ansätze einer ebensolchen Politik, die die FDP auf der Regierungsbank propagiert. Entscheidungen, zu denen sie ihre Koalitionspartner unter Androhung der Regierungsauflösung nötigt. Ganz zu schweigen von der stets verklärten oder verleugneten Nähe zu Lobbyisten, die dazu führt, dass Regierungspolitiker das Gewicht ihrer Worte in öffentlichen Debatten missbrauchen, um Unternehmen zu pampern. Wenn ein FDP-Politiker in einer Talkshow von seinen Überzeugungen spricht, erzählt er damit lediglich durch die Blume, mit welchen Interessensvertretern er am Vorabend essen gegangen ist oder an welchem Unternehmen er Aktienanteile besitzt.
Wenn die FDP bei einer Landtagswahl einen Prozent der Stimmen erhält, dann erreicht sie genau die Klientel, für die sie da ist. Denn sie vertritt die Interessen von 99% der Bevölkerung nicht. Und da mögen Lindner, Kemmerich, Kubicki und ihre Spießgesellen drohen und zetern wie sie wollen: Konsequent von der FDP wäre nicht die Auflösung der Regierungskoalition, sondern die Auflösung der Partei. Es ist besser, gar keine Politik zu machen, als falsche Politik.
26.09.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
Die Grünen haben in Sachsen, Thüringen und Brandenburg herbe Verluste eingefahren. Lediglich in Sachsen gelang ihnen auf Biegen und Brechen der Einzug in den Landtag. Es ist die Quittung für eine Politik, die zum Machterhalt die eigenen Prinzipien über Bord geworfen hat, sich zunehmend an die Klientel richtete, und bewies, dass - anders als gern von rechten Sprücheklopfern behauptet - die Politik der Grünen eben doch nichts Linkes an sich hat. Sie ist nicht sozial, sie orientiert sich nicht an einer breiten Masse, sie agiert aus einer gut situierten Blase für dieselbige. Sie ist realitätsfern.
Und was ist mit der FDP? Seit Jahren treibt insbesondere Christian Lindner als Finanzminister den Rest der Ampelregierung vor sich her und erlaubt sich, ausgerechnet als schwächstes Glied der Dreierkoalition, mächtig viel Hybris. Er blockiert Investitionen, hetzt gegen die untere Mittelschicht, um die oberen 10% zu pampern. Das Geschrei über das Bürgergeld ist unehrlich angesichts der Tatsache, dass dem Fiskus jährlich schätzungsweise zwischen 80 und 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und Steuervorteile primär für Superreiche entgehen. Die Quittung dafür zahlen die mittleren Einkommensschichten. Zum Vergleich: das Bürgergeld kostet den Steuerzahler jährlich gerade einmal die Hälfte dieser verschleppten 80 bis 100 Milliarden. Wer als Arbeitsloser 600 Euro monatlich erhält, muss sich als Schmarotzer beleidigen lassen. Wer Millionen erbt, die er nicht versteuert, und nicht eine einzige Sekunde mehr arbeitet als ein Bürgergeldempfänger, wird mit diesem Vorwurf wohl nie konfrontiert sein.
In allen drei Landtagswahlen der letzten Wochen ist die FDP nicht nur an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, vielmehr noch: in zwei der drei Landtage hat sie Ergebnisse im nicht mehr messbaren Bereich erzielt. Doch sie reagiert nicht, indem auch sie ihre internen Strukturen überdenkt. Stattdessen gibt sie ihren Koalitionspartnern die Schuld, stampft bockig auf, und lässt Wolfgang Kubicki aus der Mottenkiste heraus ein Ultimatum nach dem anderen stellen. Wie ein Chihuahua, der sich in der Wade verbeißt, ringt die FDP um den letzten Rest Kredibilität. Selbstkritik sucht man jedoch nach diesen horrenden Debakeln vergeblich. Das Problem an der FDP ist nämlich nicht, dass sie nicht richtig zum Zug kommen darf. Das Problem an ihr ist, dass sie jegliches Bemühen um eine ausgeglichenere Sozialpolitik, jegliche Unterstützung ärmerer Menschen blockiert, mit einer Argumentation, die im Kern besagt, dass man doch auf weniger Vermögende keine Rücksicht nehmen könnte, weil das sonst nur die Reichen vergraulen würde.
Christian Lindner, dessen politische Karriere mit 21 begann, hat in seinem Leben nie einen Beruf bestritten, der die Gesellschaft weitergebracht hätte. Als Unternehmensberater hat er ohnehin wohlhabenden Firmen Ratschläge an die Hand gegeben, wie sie ihren Reichtum noch vermehren können. Ausgestattet mit den nahezu klischeehaft archetypischen Insignien des bessergestellten Yuppies - Rennfahrlizenz, Sportbootführerschein, Privatjets - inszeniert er sich als Volksvertreter, obwohl aus seiner Politik eine Verachtung für den überwältigenden Großteil der Bevölkerung spricht. Das unter anderem von ihm gegründete Unternehmen Moomax ging nach einem Jahr bankrott.
Wolfgang Kubicki, der 2017 während der Jamaika-Verhandlungen mit dem Amt des Finanzministers liebäugelte, vertritt als Rechtsanwalt den Finanzbeamten Hanno Berger, einen Wirtschaftskriminellen, der als führender Initiator von ,,Cum-Ex"-Geschäften gilt. Hanno Berger allein ist wegen Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe angeklagt. Durch Cum-Ex verlor der deutsche Staat etwa 10 Milliarden Euro. Mit diesem Geld allein hätte man sechs Jahre lang das 49-Euro-Ticket finanzieren können.
Die FDP vertritt eine beispiellos elitäre, tendenziell asoziale Politik. Wann immer sie in diesem Jahrtausend an einer Regierung beteiligt war, flog sie in der nächsten Legislaturperiode im hohen Bogen wieder aus dem Bundestag raus. Die Schuld dafür nur bei den Koalitionspartnern zu suchen, ist förmlich pathologisch. Die Wahrheit ist: die FDP ist immer auch durch ihre Beliebtheit bei Jungwählern zu politscher Macht gekommen, die nicht auf Basis ihres Interesses, sondern auf Basis ihrer Wunschvorstellungen für das eigene Leben gewählt haben. Junge Menschen, die, für den Fall, dass sie es nach oben schaffen, eine Partei mit an der Regierung wissen können, die in ihrem Sinne agiert. Vier Jahre später sind diese Wähler zur Vernunft gekommen, angesichts des Desasters, welches die neoliberale Politik in der Realität bedeutet. Manch verlorene Seele wartet bis heute sehnsüchtig, aber vergebens auf den Trickle-Down-Effekt.
Das neoliberale Märchen ist auserzählt. Die unsinnig als ,,Freiheit" titulierte Raffgier nach immer mehr Wachstum stirbt einen qualvollen, aber folgerichtigen Tod. Denn wer die Regulierung des Marktes dem Markt selbst überlässt, erlebt am eigenen Leib, wie das Recht des Stärkeren eine Diktatur der Monopole herbeiführt, in der nichts mehr wächst oder gedeiht - sozialer Aufstieg ist heute ein Fiebertraum, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich mehr und mehr, und niemand schafft es mehr von ganz unten nach ganz oben, wenn er nicht reich geerbt oder deutlich mehr Glück als Verstand besitzt. Die Lügengeschichte, dass wer fleißig arbeitet auch vorankommt, ist entlarvt. Konsequent neoliberale Politik bedeutet in ihrer Vollendung amerikanische Verhältnisse: Menschen müssen zwei bis drei Jobs parallel haben, um sich ihren Lebensunterhalt bezahlen zu können - und wehe, sie werden krank, denn dann kommt über sie die unheilvolle Allianz aus Verdienstausfällen und absurd hohen Krankenhausrechnungen. In den Vereinigten Staaten bangen Menschen um ihre Existenz, weil sie einen Studienkredit aufgenommen haben, um sich weiterzubilden.
Es sind Ansätze einer ebensolchen Politik, die die FDP auf der Regierungsbank propagiert. Entscheidungen, zu denen sie ihre Koalitionspartner unter Androhung der Regierungsauflösung nötigt. Ganz zu schweigen von der stets verklärten oder verleugneten Nähe zu Lobbyisten, die dazu führt, dass Regierungspolitiker das Gewicht ihrer Worte in öffentlichen Debatten missbrauchen, um Unternehmen zu pampern. Wenn ein FDP-Politiker in einer Talkshow von seinen Überzeugungen spricht, erzählt er damit lediglich durch die Blume, mit welchen Interessensvertretern er am Vorabend essen gegangen ist oder an welchem Unternehmen er Aktienanteile besitzt.
Wenn die FDP bei einer Landtagswahl einen Prozent der Stimmen erhält, dann erreicht sie genau die Klientel, für die sie da ist. Denn sie vertritt die Interessen von 99% der Bevölkerung nicht. Und da mögen Lindner, Kemmerich, Kubicki und ihre Spießgesellen drohen und zetern wie sie wollen: Konsequent von der FDP wäre nicht die Auflösung der Regierungskoalition, sondern die Auflösung der Partei. Es ist besser, gar keine Politik zu machen, als falsche Politik.
26.09.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
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Das erkenbt man natürlich eher als älterer Selbstständiger als als junger Gehaltsempfänger, denn man hat auch den Vergleich.