Keiner kann Kanzler: Robert Habeck und das Ende der Grünen
Es ist wieder Wahlkampf - insgesamt fünf Parteien schicken Bewerber für das höchste wählbare Amt ins Rennen, und einer ist lächerlicher als der andere. Während sich also mit Kampagnen, Slogans und gegenseitigen Unterstellungen bekriegt wird und die Nation sich fragt, welche dieser fünf Optionen nun die beste oder am wenigsten schlimme ist, behauptet Bent-Erik Scholz: niemand von ihnen ist überhaupt eine Option. Keiner kann Kanzler.
Von Bent Erik Scholz
Von Bent Erik Scholz
Ich schäme mich fast, es zuzugeben, aber: es gab eine Zeit in meinem Leben, als ich etwa 17 Jahre alt war, in der ich dachte, dass eine Regierung unter grüner Beteiligung aus linker Perspektive vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre. Es war ein kurzer Anflug jugendlicher Dummheit, weil ich reingefallen war auf die Bekenntnisse zu Fortschritt. Auf das Beteuern, sozial benachteiligten Menschen nicht immer wieder die verleumderische Vokabel ,,Schmarotzer" um die Ohren zu hauen, während Menschen, die Milliarden erben, mindestens genauso wenig arbeiten, sich aber nebenbei Berater-Schoßhunde zur Steuervermeidung halten, als deutlich schützenswerter angesehen werden. Mit diesem Kapital, hört man immer, müsse man in Deutschland doch pfleglich umgehen, damit wir weiter wachsen können! Nur bringt herumliegendes Kapital, das nicht zurück in den Kreislauf gerät, die Wirtschaft auch nicht weiter.
Zu meiner Schande muss ich auch eingestehen, dass ich zwischendurch auch das Märchen für richtig hielt, eine Stimme für eine kleinere Partei sei angesichts der Fünf-Prozent-Hürde eine verschwendete Stimme, die im Zweifelsfall der AfD zugute käme. Taktisches Wählen ist bereits an sich nicht im Sinne der Demokratie, aber das eigene politische Denken dann auch noch ausschließlich über die maximale Schädlichkeit für den Gegner zu definieren, ist von allen absurden Taktiken die dümmstmögliche.
Unter den Wählern der Grünen gibt es indes auch einige, die argumentieren, die Grünen seien die bessere Option, wenn die Alternative lautete, überhaupt keine linken Stimmen in die Nähe der Regierungsfähigkeit zu bringen, geschweige denn generell in die Nähe des Parlaments. Gewiss: die Stimmen mögen zwar potenziell linken Sound haben, doch die Stimme nutzt wenig, wenn nicht entsprechende Politik gemacht wird.
Mit der völlig verfehlten Kanzlerkandidatur des gescheiterten Wirtschaftsministers wird das Kernproblem der Grünen für alle unwidersprechlich erkennbar: seit jeher waren die Grünen ein Auffangbecken für elitäre, sich selbst intellektualisierende Schein-Feingeister, die sich als glorreiche Sieger einer Moralschlacht begreifen, ohne diese Schlacht je ausgefochten zu haben. Die vergangenen drei Jahre zeigten zudem: die Behauptung, es handle sich bei den Grünen um eine linke Partei, ist völlig an den Haaren herbeigezogen, war diese Zeit doch geprägt von einer Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Mittelschicht. Den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, hat nichts mit Fortschritt zu tun.
Den Grünen ist ein Kunststück gelungen, das dem politischen Beobachter auf krude Weise Respekt abnötigen muss: sie haben ihre Prinzipien vollends über Bord geworfen, ohne dabei ihre Haltung zu ändern. Das Selbstverständnis der Grünen ist nach wie vor das der personifizierten Vernunft, nach wie vor sehen sie sich als Vertreter der einzig wahren Moral - und das, obwohl sie von relevanten Teilen ihrer Kernidee vollends abgerückt ist. Dem Pazifismus hat sie den Rücken gekehrt, das Bemühen um soziale Gerechtigkeit hat sie in den Wind geschossen, im Zweifelsfall scheint sie hinzunehmen, dass für das Streben nach dem ,,Richtigen" einige eben auf der Strecke bleiben müssen. Für globale Probleme, die nur in einer Solidargemeinschaft aller Völker der Welt gelöst werden können, finden die Grünen angebliche Antworten, die sich ganz fest an das bestehende System klammern und bloß nicht infrage stellen, was die Basis für die politische Macht der Partei ist: der Staat ist gut und richtig, der Westen ist überlegen, manche führen, manche folgen. Mittlerweile bauen einstige Volksparteien ihren gesamten Wahlkampf darauf auf, sich von der grünen Partei abzugrenzen, selbst wenn die Positionen dieser angeblichen Volksparteien für die Allgemeinheit noch verheerendere Folgen hätten.
Und Robert Habeck? Ein als Realpolitiker offensichtlich ungeeigneter ,,Realo-Grüner" mit einem Hang zur Weinerlichkeit, der feuchte Traum jeder Witwe oder gealterten Schwiegermutter? Er inszeniert sich wider seiner offensichtlichen politischen Wurschtigkeit als Kanzler der Herzen. Als Robert Habeck - dieser Typ, der wahrscheinlich immer erleichtert seufzt, wenn er sich hinsetzt - in einem Popkultur sein wollenden Augenblick verkündete, seine ,,Kanzler Era" einzuläuten, hielt ich das im ersten Moment für große Satire. Er könnte doch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass er, der jeden zweiten seiner Sätze so veratmet, als würde ihn die kleinste Denkübung schon ungeheuer anstrengen, wirklich eine Chance hätte.
Aber gut, die Leute haben vor vier Jahren auch mit großer Inbrunst und wider besseres Wissen ,,Aaaarmin Laaaaschet wird Kaaanzler" intoniert, Wunder soll es ja bekanntlich geben - und wenn schon nicht Wunder, dann doch zumindest sture Überzeugung an der Grenze zum Selbstbetrug. Habeck geht also auf große Wahlkampftour, beschreibt sich selbst als Bündniskanzler. Unklar ist nur, welches Bündnis er damit meint: das Bündnis 90 oder das Verteidigungsbündnis. Seine Wahlkampftournee führt ihn an die Küchentische der Nation, denn unser schnuckeliger kleiner Struwwelpeter ist so dermaßen volksnah, dass die Filterkaffeemaschinen in den deutschen Haushalten nachts vor Angst klappern, in der Befürchtung, Robert könnte am nächsten Morgen mitsamt Kamerateam vor der Haustür stehen.
Wer also unartig ist, muss damit rechnen, dass eines Tages der Robert vor der Tür steht, um sich mit dem ,,gemeinen Bürger" zu unterhalten wie ein Sozialpädagoge. Man sitzt dazu vor ausnahmslos piekfeinen Küchenzeilen, die Heimgesuchten haben aufgeräumt, es kommt ja schließlich ein Kanzlerkandidat vorbei, und dann parliert man, und Robert Habeck hört artig zu, hat wahnsinnig viel Verständnis, und erfreut sich an Stehrumchen und dekorativem Geschirr. Ein netter Kerl sitzt da, der mit seinen Golden-Retriever-Augen im Gespräch ganz beim Gegenüber ist, den Kopf leicht nach vorn geneigt immerzu leicht nickend, mit gefalteten Händen, Demut und Verständnis ausdrückend. Nach Ende dieser Gespräche fährt er wahrscheinlich in sein Büro zurück, um Strafanzeige zu erstatten gegen jemanden, der ihn im Internet mit irgendeiner drittklassigen Schulhofbeleidigung bedacht hat.
Habeck mimt den Nachdenklichen, er besitzt genug schauspielerisches Talent, um den Anschein zu erwecken, er gehe gern den Leidensweg der tagelangen Abwägung, er zermartere sich nahezu lustvoll, um am Ende die beste Lösung für sein Volk zu finden. Das ist eine Plastik, die nur so lange funktioniert, wie die Lösungen dann auch wirklich gut sind. Da kann er so viel schluffen und so viel leiden wie er will, so oft vor der Kamera atemlos den sterbenden Schwan der Ambivalenz vornuscheln. Es gilt Helmut Kohl: ,,Entscheidend ist, was hinten rauskommt."
Im Falle von Habeck weiß das keiner: er formuliert mit Verve große Zukunftsentwürfe, zum Beispiel zu Sozialabgaben auf Kapitalerträge, und auf Nachfrage, wie das denn zu bewerkstelligen sei, verkündet er, Details kläre man später. Natürlich kann ich mich als Kanzlerkandidat aufstellen und verkünden, nach meiner Wahl bekäme jeder Deutsche auf Kosten der Regierung ein Jahr lang wöchentlich ein kostenloses Schnitzel, auf Wunsch auch aus Soja, um dann auf die Frage nach der logistischen Bewerkstelligung mit ,,Schaun wa mal, wird schon!" zu antworten. Irgendwie passt das ja auch - laut eigener Aussage gedenkt Habeck, das Vakuum zu füllen, das Merkel hinterlassen hat, und der Satz ,,Details klären wir später" ist im Grunde auch nur die Floskel ,,Wir schaffen das" mit Abitur. Fraglich ist dann nur, ob mich auch jemand wählen würde. Obwohl, die Leute wählen ja offenbar noch ganz andere Spießgesellen - aber dazu in den nächsten Wochen mehr.
Ich für meinen Teil bin von meiner kurzen mentalen Verwirrung längst geheilt. Die Idee, dass eine Partei, die verlogenerweise behauptet, links zu sein, um dann genauso abzuschieben, einen höheren Wehretat zu fordern oder antisoziale Politik zu machen, immer noch besser sei als gar keine linke Stimme, ist intellektuelle Selbstverletzung. In den sozialen Medien gibt es sie noch, die Menschen, die die kognitive Dissonanz nicht aushalten und durch übermütige Bekenntnisse so sehr selbst zu überzeugen versuchen, dass sie wie Bots aus Fleisch und Blut klingen: Anhänger der Habeck-Kanzlerschaft bauen sich gerade munter ihre eigene Filterblase, in der sie einander mit gegenseitiger Bestätigung locken - man verspricht sich, gegenseitig Follower zu werden, um numerische Stärke zu suggerieren. Eine Verkündigung der Gefolgschaft befriedigt den eitlen Wunsch nach einer schönen Zahl auf dem Profil, das Gefühl von Reichweite und Einfluss.
Neulich las ich einen Post von einer dieser grünen Parteisoldatinnen, bei der die Blase ganz kurz davor ist, zu platzen: ,,Ich folge etwa 1000 Leuten, die nicht zurück folgen. Vielleicht seid ihr so lieb und schaut nochmal nach." Es wäre ausgesprochen lustig und der heutigen Zeit sehr angemessen, wenn das Ausbleiben eines solchen oberflächlichen Solidaritätsbekenntnisses diese angebliche ,,Bewegung" der analytisch Behäbigen tatsächlich unterminieren würde. Hast du Follower, bist du was. We're only in it for the clicks - die Grünen sind die FDP mit vorgeheucheltem schlechten Gewissen für die junge Generation, die nicht mehr nach oben will, weil sie dort längst angekommen ist.
27.01.25
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
TICKET´S ZUR SHOW "SONGS & STORIES" TICKET´S ZUR SHOW "ER IST WIEDER DA"
Zu meiner Schande muss ich auch eingestehen, dass ich zwischendurch auch das Märchen für richtig hielt, eine Stimme für eine kleinere Partei sei angesichts der Fünf-Prozent-Hürde eine verschwendete Stimme, die im Zweifelsfall der AfD zugute käme. Taktisches Wählen ist bereits an sich nicht im Sinne der Demokratie, aber das eigene politische Denken dann auch noch ausschließlich über die maximale Schädlichkeit für den Gegner zu definieren, ist von allen absurden Taktiken die dümmstmögliche.
Unter den Wählern der Grünen gibt es indes auch einige, die argumentieren, die Grünen seien die bessere Option, wenn die Alternative lautete, überhaupt keine linken Stimmen in die Nähe der Regierungsfähigkeit zu bringen, geschweige denn generell in die Nähe des Parlaments. Gewiss: die Stimmen mögen zwar potenziell linken Sound haben, doch die Stimme nutzt wenig, wenn nicht entsprechende Politik gemacht wird.
Mit der völlig verfehlten Kanzlerkandidatur des gescheiterten Wirtschaftsministers wird das Kernproblem der Grünen für alle unwidersprechlich erkennbar: seit jeher waren die Grünen ein Auffangbecken für elitäre, sich selbst intellektualisierende Schein-Feingeister, die sich als glorreiche Sieger einer Moralschlacht begreifen, ohne diese Schlacht je ausgefochten zu haben. Die vergangenen drei Jahre zeigten zudem: die Behauptung, es handle sich bei den Grünen um eine linke Partei, ist völlig an den Haaren herbeigezogen, war diese Zeit doch geprägt von einer Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Mittelschicht. Den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, hat nichts mit Fortschritt zu tun.
Den Grünen ist ein Kunststück gelungen, das dem politischen Beobachter auf krude Weise Respekt abnötigen muss: sie haben ihre Prinzipien vollends über Bord geworfen, ohne dabei ihre Haltung zu ändern. Das Selbstverständnis der Grünen ist nach wie vor das der personifizierten Vernunft, nach wie vor sehen sie sich als Vertreter der einzig wahren Moral - und das, obwohl sie von relevanten Teilen ihrer Kernidee vollends abgerückt ist. Dem Pazifismus hat sie den Rücken gekehrt, das Bemühen um soziale Gerechtigkeit hat sie in den Wind geschossen, im Zweifelsfall scheint sie hinzunehmen, dass für das Streben nach dem ,,Richtigen" einige eben auf der Strecke bleiben müssen. Für globale Probleme, die nur in einer Solidargemeinschaft aller Völker der Welt gelöst werden können, finden die Grünen angebliche Antworten, die sich ganz fest an das bestehende System klammern und bloß nicht infrage stellen, was die Basis für die politische Macht der Partei ist: der Staat ist gut und richtig, der Westen ist überlegen, manche führen, manche folgen. Mittlerweile bauen einstige Volksparteien ihren gesamten Wahlkampf darauf auf, sich von der grünen Partei abzugrenzen, selbst wenn die Positionen dieser angeblichen Volksparteien für die Allgemeinheit noch verheerendere Folgen hätten.
Und Robert Habeck? Ein als Realpolitiker offensichtlich ungeeigneter ,,Realo-Grüner" mit einem Hang zur Weinerlichkeit, der feuchte Traum jeder Witwe oder gealterten Schwiegermutter? Er inszeniert sich wider seiner offensichtlichen politischen Wurschtigkeit als Kanzler der Herzen. Als Robert Habeck - dieser Typ, der wahrscheinlich immer erleichtert seufzt, wenn er sich hinsetzt - in einem Popkultur sein wollenden Augenblick verkündete, seine ,,Kanzler Era" einzuläuten, hielt ich das im ersten Moment für große Satire. Er könnte doch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass er, der jeden zweiten seiner Sätze so veratmet, als würde ihn die kleinste Denkübung schon ungeheuer anstrengen, wirklich eine Chance hätte.
Aber gut, die Leute haben vor vier Jahren auch mit großer Inbrunst und wider besseres Wissen ,,Aaaarmin Laaaaschet wird Kaaanzler" intoniert, Wunder soll es ja bekanntlich geben - und wenn schon nicht Wunder, dann doch zumindest sture Überzeugung an der Grenze zum Selbstbetrug. Habeck geht also auf große Wahlkampftour, beschreibt sich selbst als Bündniskanzler. Unklar ist nur, welches Bündnis er damit meint: das Bündnis 90 oder das Verteidigungsbündnis. Seine Wahlkampftournee führt ihn an die Küchentische der Nation, denn unser schnuckeliger kleiner Struwwelpeter ist so dermaßen volksnah, dass die Filterkaffeemaschinen in den deutschen Haushalten nachts vor Angst klappern, in der Befürchtung, Robert könnte am nächsten Morgen mitsamt Kamerateam vor der Haustür stehen.
Wer also unartig ist, muss damit rechnen, dass eines Tages der Robert vor der Tür steht, um sich mit dem ,,gemeinen Bürger" zu unterhalten wie ein Sozialpädagoge. Man sitzt dazu vor ausnahmslos piekfeinen Küchenzeilen, die Heimgesuchten haben aufgeräumt, es kommt ja schließlich ein Kanzlerkandidat vorbei, und dann parliert man, und Robert Habeck hört artig zu, hat wahnsinnig viel Verständnis, und erfreut sich an Stehrumchen und dekorativem Geschirr. Ein netter Kerl sitzt da, der mit seinen Golden-Retriever-Augen im Gespräch ganz beim Gegenüber ist, den Kopf leicht nach vorn geneigt immerzu leicht nickend, mit gefalteten Händen, Demut und Verständnis ausdrückend. Nach Ende dieser Gespräche fährt er wahrscheinlich in sein Büro zurück, um Strafanzeige zu erstatten gegen jemanden, der ihn im Internet mit irgendeiner drittklassigen Schulhofbeleidigung bedacht hat.
Habeck mimt den Nachdenklichen, er besitzt genug schauspielerisches Talent, um den Anschein zu erwecken, er gehe gern den Leidensweg der tagelangen Abwägung, er zermartere sich nahezu lustvoll, um am Ende die beste Lösung für sein Volk zu finden. Das ist eine Plastik, die nur so lange funktioniert, wie die Lösungen dann auch wirklich gut sind. Da kann er so viel schluffen und so viel leiden wie er will, so oft vor der Kamera atemlos den sterbenden Schwan der Ambivalenz vornuscheln. Es gilt Helmut Kohl: ,,Entscheidend ist, was hinten rauskommt."
Im Falle von Habeck weiß das keiner: er formuliert mit Verve große Zukunftsentwürfe, zum Beispiel zu Sozialabgaben auf Kapitalerträge, und auf Nachfrage, wie das denn zu bewerkstelligen sei, verkündet er, Details kläre man später. Natürlich kann ich mich als Kanzlerkandidat aufstellen und verkünden, nach meiner Wahl bekäme jeder Deutsche auf Kosten der Regierung ein Jahr lang wöchentlich ein kostenloses Schnitzel, auf Wunsch auch aus Soja, um dann auf die Frage nach der logistischen Bewerkstelligung mit ,,Schaun wa mal, wird schon!" zu antworten. Irgendwie passt das ja auch - laut eigener Aussage gedenkt Habeck, das Vakuum zu füllen, das Merkel hinterlassen hat, und der Satz ,,Details klären wir später" ist im Grunde auch nur die Floskel ,,Wir schaffen das" mit Abitur. Fraglich ist dann nur, ob mich auch jemand wählen würde. Obwohl, die Leute wählen ja offenbar noch ganz andere Spießgesellen - aber dazu in den nächsten Wochen mehr.
Ich für meinen Teil bin von meiner kurzen mentalen Verwirrung längst geheilt. Die Idee, dass eine Partei, die verlogenerweise behauptet, links zu sein, um dann genauso abzuschieben, einen höheren Wehretat zu fordern oder antisoziale Politik zu machen, immer noch besser sei als gar keine linke Stimme, ist intellektuelle Selbstverletzung. In den sozialen Medien gibt es sie noch, die Menschen, die die kognitive Dissonanz nicht aushalten und durch übermütige Bekenntnisse so sehr selbst zu überzeugen versuchen, dass sie wie Bots aus Fleisch und Blut klingen: Anhänger der Habeck-Kanzlerschaft bauen sich gerade munter ihre eigene Filterblase, in der sie einander mit gegenseitiger Bestätigung locken - man verspricht sich, gegenseitig Follower zu werden, um numerische Stärke zu suggerieren. Eine Verkündigung der Gefolgschaft befriedigt den eitlen Wunsch nach einer schönen Zahl auf dem Profil, das Gefühl von Reichweite und Einfluss.
Neulich las ich einen Post von einer dieser grünen Parteisoldatinnen, bei der die Blase ganz kurz davor ist, zu platzen: ,,Ich folge etwa 1000 Leuten, die nicht zurück folgen. Vielleicht seid ihr so lieb und schaut nochmal nach." Es wäre ausgesprochen lustig und der heutigen Zeit sehr angemessen, wenn das Ausbleiben eines solchen oberflächlichen Solidaritätsbekenntnisses diese angebliche ,,Bewegung" der analytisch Behäbigen tatsächlich unterminieren würde. Hast du Follower, bist du was. We're only in it for the clicks - die Grünen sind die FDP mit vorgeheucheltem schlechten Gewissen für die junge Generation, die nicht mehr nach oben will, weil sie dort längst angekommen ist.
27.01.25
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
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Danke – Sie beschreiben pointiert, was derzeit in sehr vielen Deutschen vorgeht. Keine Partei bietet ein vernünftiges Gesamtbild, sondern jede Partei ist in irgendeiner Hinsicht extrem.
Aber wenn das viele Menschen so erleben, dann heißt das doch: Da ist plötzlich eine Lücke! Es gäbe wieder den Raum für eine Partei, die z.B. folgendes zusammenfasst:
1. Ja zu einem Menschenrecht auf Asyl, Nein zu Auffanglagern an den EU-Außengrenzen. Eine einmal erlangte Staatsbürgerschaft ist nicht verhandelbar, usw.
2. Ja zu einem selbstbewussten Europa, das weder "dem Westen", noch "dem Osten" zuzurechnen ist, und deshalb wieder zwischen beiden vermitteln kann.
3. Keine Militärausgaben auf Kosten von Sozialstaat und Solidaritätsprinzip.
Und so weiter. Also quasi eine rot-grün-links-liberal-konservative Abspaltung, die sich als einzige Partei traut, einmal NICHT mit dem vermeintlichen Bauchgefühl der Massen zu rechnen, sondern nur mit menschlicher Vernunft.
Ich behaupte: 50% der Deutschen sind nicht damit einverstanden, dass Aschaffenburg für den Wahlkampf ausgeschlachtet wird, und wollen jetzt gerade nicht "endlich mal richtig abschieben". Und so weiter …
Aber diese Stimmen haben keine Lobby, weil alle auf sichere Stimmen "rechnen" und sich deshalb schon lange keiner mehr traut, den "Wählerwillen" einmal ganz grundsätzlich anders zu deuten als die AFD. Wie von Kubitchek und Sellner proklamiert: Rechts gewinnt, indem sie den "vorpolitischen" Raum besetzen, und somit selbst nicht Partei sind, sondern alle Parteien nach rechts bewegen. Gratuliere!
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Mosmann