Kollektiv schief
Deutschland an Ostern.
Sieht man die Bilder der Statiker des Vergangenen, ob im Vatikan oder der teilnehmerlosen Märsche in allerlei Städtchen, glaubt man nicht mehr, dass wir das längst Erkanntes in neue Handlung überleiten können.
Zu lange halten wir Alle an zu Überkommenem fest.
Aber aufgeben?
Nein, sagt Kai Blasberg
Sieht man die Bilder der Statiker des Vergangenen, ob im Vatikan oder der teilnehmerlosen Märsche in allerlei Städtchen, glaubt man nicht mehr, dass wir das längst Erkanntes in neue Handlung überleiten können.
Zu lange halten wir Alle an zu Überkommenem fest.
Aber aufgeben?
Nein, sagt Kai Blasberg
Wisst Ihr überhaupt, wie schön die Welt ist?
Nichts wisst Ihr; gar nichts wisst Ihr.
Ihr wisst etwas von Atombomben und internationalen Konflikten, von Völkern wisst Ihr, die um Heim und Leben zu schützen sich Regierungen wählten und dann ihr Heim verlassen mussten, um ihr Leben zu geben, um diese Regierungen zu schützen.
Millionen junger Menschen, die nicht kämpfen wollen, bekämpfen Millionen junger Menschen, die auch nicht kämpfen wollen und die Errungenschaften der Wissenschaft scheinen zu keinem anderen Zweck errungen zu sein, um all das Errungene wieder zu zerstören. Das ist die Welt von heute. Aber kann das Morgen nicht anders sein?
Leeuwenhoek entdeckte die Mikrobe im Wassertropfen, Pasteur den Erreger der Tollwut, Robert Koch den Bazillus der Tuberkulose. Und nach dem Gesetz, dass ein Mittel gegen den Erreger einer Krankheit immer dann gefunden wird, wenn diese Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hat, wenn sie schier unerträglich geworden ist, muss der Erreger der menschlichen Dummheit unmittelbar vor seiner Entdeckung stehen. Und wenn es uns gelingt, ein Serum gegen die Dummheit zu finden, die entsetzlichste aller ansteckenden Krankheiten, dann wird es im Nu' keinen Hass und keine Kriege mehr geben und an die Stelle der internationalen Diplomatie wird der gesunde Menschenverstand treten.
Die Dummheit tot?
Welch fantastische Perspektive.
Nur in der Liebe, wo die Dummheit jedes Maß übersteigt, da ist sie entzückend und liebenswert.
Die Liebe schenkt Freude. Was wir brauchen, ist Hoffnung. Was uns guttut ist Zuversicht. Wonach wir uns sehnen ist Frohsinn.
Ein schöner Text, oder?
Nicht von mir. Aber aus meinem Geburtsjahr 1965.
Da spielte Heinz Rühmann den Wissenschaftsprofessor Hiob Prätorius, der diese Worte im Film coram Hörsaal aussprach.
60 Jahre sind diese Zeilen alt und, mit Wissen von heute, stark geprägt von den Folgen des zweiten Weltkriegs, der unsere Existenz als deutsches Volk zurecht und bis heute in den Grundfesten erschütterte.
Und so schlicht die Worte und die Gedanken dahinter sind, so einfach ist der Weg, den sie weisen.
Wir sollten uns wieder einigen, was nötig ist.
Danach sollten wir besprechen und auch verhandeln, was gewünscht wird.
Dann erst, was davon möglich ist und dann ganz stark daran arbeiten, was maximal erreicht werden kann. Maximal ist dabei das Wort, das wichtig ist.
Wir, unsere Gesellschaft, fällt auseinander.
Daran haben vor allem wir selbst maximalen Anteil. Das Individuum, der Einzelne, war über Dekaden der Fetisch, das Maß aller Dinger.
Der Kapitalismus bedient sich dem Individuum gegenüber dem Mittel der Verheißung. Diese Verheißung zu kontrollieren, ist die Aufgabe, die an uns gerichtet wird. Was aber der Kapitalismus in seiner immer reineren Form bewusst verschweigt. Trotzdem ist nicht der Kapitalismus schuld, sondern der in Freiheit einzeln handelnde, also wir. Sie und ich.
Die Verheißung bedient sich im Kapitalismus des Marketing. Der Bearbeitung der Märkte. Das Marketing hat die Aufgabe, Anliegen zu adressieren.
Wenn der Schokoriegel Mars in den Siebzigern behauptete, er mache mobil, bei Arbeit, Sport und Spiel, war dies mindestens irrsinnig, wahrscheinlich aber schwachsinnig. Menschen, die glauben, hochreinen Industriezucker zur Steigerung der eigenen physischen Mobilität einsetzen zu können, in dem sie diesen Dickmacher ihrem Körper zuführen, haben die Kontrolle über die Verheißung verloren. Das will Mars maximal. Aber nicht der Adressat.
Die Automobilfirma Audi reklamierte den Allgemeinbegriff Fortschritt für sich, indem sie die Technikversessenheit vieler männlicher Deutscher für sich nutzte und die Begriffe kombinierte. ,,Fortschritt durch Technik" war von da an die sehr kühle Positionierung im scheinbaren Ratio. Botschaft: Wer vernünftig und deswegen überlegen ist, fährt Audi. Der Konkurrent BMW etablierte eine ganz andere Strategie. Er markierte die Freude für sich. Die am Fahren nämlich, eine Tätigkeit, die beim Betrieb eines KFZ maximal implementiert ist. ,,Freude am Fahren" war von nun an in der Gegenwelt des Ratio die Benchmark. Wenn Sie also den Audi-Fahrer als eher nüchternen Gesellen, den BMW-Besitzer aber als wilden Wüterich wahrnahmen, hatte das bis tief in die Nuller-Jahre hier seine Begründung.
Diese sehr erfolgreichen Verheißungen aus der Welt des Kapitalismus haben leider vor fast drei Dekaden verstärkt und gleichmäßig auch den Bereich der Politik maximal gekapert. ,,New Labor" nannte Toni Blair gleich seine ganze Partei und ebnete den Weg der Arbeiterpartei in die kalten Arme des Neoliberalismus. ,,Agenda 2010" betitelte Gerhard Schröder seine Politik der sozialen Neuordnung. Auch das Findelkind ,,Gute-Kita-Gesetz" hat seine Wurzeln im Marketing. All das soll verheißen, was nicht erklärt werden darf, sondern maximal verklärt werden soll. Es verspricht alles. Und hält wenig. Politik gehört halt uns, und nicht den Parteien. Sie stellen kein Produkt her, sondern sollen für die Menschen die Welt überschaubar halten.
Das Deutschland des Jahres 2024 wartet auf die Ablösung der ,,Ampel". Auch das eine Vereinfachung aus dem Werkzeugkasten der Positionierer. Die ,,Ampel" hat ihre intrinsische Schieflage auch mit einer Verheißung begonnen, sprach sie doch, von ikonischen Selfies der Grünen und der FDP begleitet, auch von Fortschritt.
Und anders als Audi lieferten sie nicht einmal die Legitimation des ,,durch".
Fortschritt, ja, durch was denn?
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sprach vom Kollektiv-Singular, der nicht mehr belastbar ist, als es die drei Parteien dabei beließen, einfach nur den Begriff ,,Fortschritts-Koalition" für sich zu verwenden. Klang es doch erstmal griffig.
Aber was ist Fortschritt für einen Sozialdemokraten? Der kommt mit Gerechtigkeit, manchmal Gleichheit, immer mit Solidarität. So richtig progressiv deucht das nicht. Die Grünen hingegen sind progressiv bis zum Erbrechen. Neu. Anders. Besser. Und immer so, wie sie es sagen. Der Staat hilft im Zweifel. Liberale glauben an den Markt. Der Staat soll sich möglichst höchstens zur steuernden Begleitung degradieren lassen. Kurzum: Fortschritt wurde und wird nicht erklärt. Das Wort waberte und fiel herab in den Schmutz der Geschichte. Übrig bleibt das Warten auf das Ende. Vertane Zeit als Folge frustriert den Bürger. Warum soll man da noch wählen? Die gedankliche Fäule schleicht sich ein.
Nun, das ist halt der Preis der Freiheit, die wir noch genießen. Denn faul sein hat hier nichts zur Folge. Faul sein heißt, von a nach b zu fahren und das zu tun, was man immer tat und das dann arbeiten nennen. Faul sein ist, zu wissen, dass etwas schiefläuft, und nichts zu ändern. Faul sein heißt, handeln gegen das eigene Interesse, obwohl man es besser weiß.
Und faul sein ist auch, sich einzureden, dass Veränderung für den Einzelnen ja eh nichts brächte für Alle. Wir wissen ja, dass es anders geht.
Aber nichts zu tun, hat nichts zur Folge in unserer gar nicht mehr so offenen Gesellschaft.
Wenn wir uns auf Erprobtem und Verlässlichem ausruhen, und das passiert nach wie vor und aus selbst verschuldeter Verunsicherung vielleicht sogar noch mehr als jemals zuvor, werden wir nicht besser werden.
Ein Harry Kane hilft nicht, wie wir sehen. Egal, wie viele Tore er gegen Darmstadt schießt.
Es muss gelegentlich ein inhaltlich neues Projekt sein. Von dem dann auch mindestens viele überzeugt sind.
Maximal überzeugt sein müssen wir. Vom eigenen Tun allemal.
Im Rahmen meiner sehr bescheidenen Strahlkraft glaube ich zum Beispiel, dass nicht die schäbige Frau Weidel ein Problem ist, sondern ihre Wähler. Denn die schäbige Frau Weidel und ihre ebenso schäbige Partei hat nie in ihrem Leben einen einzigen Grund geliefert, sie zu wählen. Inhaltlich, siehe oben, schon gleich gar nicht. Wenn dann also von sich selbst zu Recht enttäuschte Landsleute dennoch zur Wahl gehen, um Schäbigkeit eine Stimme zu verleihen, tun die Enttäuschten dies bewusst. Und sollten sich dafür rechtfertigen müssen. Längst. Unsere Konfliktvermeidungstechniken in Politik, Medien und Gesellschaft aber reden über diese Wähler wie über beklagenswerte Behinderte, die man nur hören müsse in ihren Sorgen.
Das grenzt an Entmündigung. Und lässt die Denkfaulen in ihren Kokons. In denen sie dann kräftig weiter schlechte Laune gären lassen, bis die Umhüllungen platzen wie braun gefüllte Gülle-Blasen. Das verantworten dann wir alle. Und müssen es auch wegwischen.
Bei der ehemals vom Berliner Journalistentrubel hochgelobten Ex-Kaiserin, äh Tschuldigung, -Kanzlerin Merkel, der Zwiebel unter Ihresgleichen, fällt Jahr um Jahr, Monat um Monat, Schale um Schale, die die Verheerung, die ihr Politikstil hinterlässt, offenbart.
Asymmetrische Demobilisierung hieß ein Konzept, dass Sedierung der Gedanken zum Ziel hatte, die kommodes Regieren für immer möglich machen sollte. Konservatismus als Marktzersetzung, zurück gestutzt auf ihren Wahlslogan 2013: ,,Sie kennen mich". Übersetzt: Prost. Stellen Sie sich noch einen rein, fressen sie sich fett. Es muss sich nichts ändern. Ich mach das schon. Das Ergebnis war maximal: Peter Altmeier, gleichsam als Mensch gewordene Abrissglocke jedweder Zukunftsgestaltung.
An Ostern sollten wir an die Auferstehung glauben.
Diesmal an unsere eigene.
Raus aus den Höhlen, rein ins pralle Leben.
Das liegt vor der Haustüre, nicht an überlaufenen Flughäfen mit der Aussicht auf All-you-can-eat-Destinationen am roten Meer. Lernen wir unser Leben auszuhalten. Vielleicht sogar schön zu finden. Gehen wir wandern, Rad fahren oder mit den Liebsten im Café sitzen. Was wir gewinnen werden, ist Zeit. Mit ihr kommt die Muße.
Wenn wir etwas ändern wollen, braucht man diese Genossen.
Was wir wollen, ist unsere Sache.
Maximal.
03.04.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
Nichts wisst Ihr; gar nichts wisst Ihr.
Ihr wisst etwas von Atombomben und internationalen Konflikten, von Völkern wisst Ihr, die um Heim und Leben zu schützen sich Regierungen wählten und dann ihr Heim verlassen mussten, um ihr Leben zu geben, um diese Regierungen zu schützen.
Millionen junger Menschen, die nicht kämpfen wollen, bekämpfen Millionen junger Menschen, die auch nicht kämpfen wollen und die Errungenschaften der Wissenschaft scheinen zu keinem anderen Zweck errungen zu sein, um all das Errungene wieder zu zerstören. Das ist die Welt von heute. Aber kann das Morgen nicht anders sein?
Leeuwenhoek entdeckte die Mikrobe im Wassertropfen, Pasteur den Erreger der Tollwut, Robert Koch den Bazillus der Tuberkulose. Und nach dem Gesetz, dass ein Mittel gegen den Erreger einer Krankheit immer dann gefunden wird, wenn diese Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hat, wenn sie schier unerträglich geworden ist, muss der Erreger der menschlichen Dummheit unmittelbar vor seiner Entdeckung stehen. Und wenn es uns gelingt, ein Serum gegen die Dummheit zu finden, die entsetzlichste aller ansteckenden Krankheiten, dann wird es im Nu' keinen Hass und keine Kriege mehr geben und an die Stelle der internationalen Diplomatie wird der gesunde Menschenverstand treten.
Die Dummheit tot?
Welch fantastische Perspektive.
Nur in der Liebe, wo die Dummheit jedes Maß übersteigt, da ist sie entzückend und liebenswert.
Die Liebe schenkt Freude. Was wir brauchen, ist Hoffnung. Was uns guttut ist Zuversicht. Wonach wir uns sehnen ist Frohsinn.
Ein schöner Text, oder?
Nicht von mir. Aber aus meinem Geburtsjahr 1965.
Da spielte Heinz Rühmann den Wissenschaftsprofessor Hiob Prätorius, der diese Worte im Film coram Hörsaal aussprach.
60 Jahre sind diese Zeilen alt und, mit Wissen von heute, stark geprägt von den Folgen des zweiten Weltkriegs, der unsere Existenz als deutsches Volk zurecht und bis heute in den Grundfesten erschütterte.
Und so schlicht die Worte und die Gedanken dahinter sind, so einfach ist der Weg, den sie weisen.
Wir sollten uns wieder einigen, was nötig ist.
Danach sollten wir besprechen und auch verhandeln, was gewünscht wird.
Dann erst, was davon möglich ist und dann ganz stark daran arbeiten, was maximal erreicht werden kann. Maximal ist dabei das Wort, das wichtig ist.
Wir, unsere Gesellschaft, fällt auseinander.
Daran haben vor allem wir selbst maximalen Anteil. Das Individuum, der Einzelne, war über Dekaden der Fetisch, das Maß aller Dinger.
Der Kapitalismus bedient sich dem Individuum gegenüber dem Mittel der Verheißung. Diese Verheißung zu kontrollieren, ist die Aufgabe, die an uns gerichtet wird. Was aber der Kapitalismus in seiner immer reineren Form bewusst verschweigt. Trotzdem ist nicht der Kapitalismus schuld, sondern der in Freiheit einzeln handelnde, also wir. Sie und ich.
Die Verheißung bedient sich im Kapitalismus des Marketing. Der Bearbeitung der Märkte. Das Marketing hat die Aufgabe, Anliegen zu adressieren.
Wenn der Schokoriegel Mars in den Siebzigern behauptete, er mache mobil, bei Arbeit, Sport und Spiel, war dies mindestens irrsinnig, wahrscheinlich aber schwachsinnig. Menschen, die glauben, hochreinen Industriezucker zur Steigerung der eigenen physischen Mobilität einsetzen zu können, in dem sie diesen Dickmacher ihrem Körper zuführen, haben die Kontrolle über die Verheißung verloren. Das will Mars maximal. Aber nicht der Adressat.
Die Automobilfirma Audi reklamierte den Allgemeinbegriff Fortschritt für sich, indem sie die Technikversessenheit vieler männlicher Deutscher für sich nutzte und die Begriffe kombinierte. ,,Fortschritt durch Technik" war von da an die sehr kühle Positionierung im scheinbaren Ratio. Botschaft: Wer vernünftig und deswegen überlegen ist, fährt Audi. Der Konkurrent BMW etablierte eine ganz andere Strategie. Er markierte die Freude für sich. Die am Fahren nämlich, eine Tätigkeit, die beim Betrieb eines KFZ maximal implementiert ist. ,,Freude am Fahren" war von nun an in der Gegenwelt des Ratio die Benchmark. Wenn Sie also den Audi-Fahrer als eher nüchternen Gesellen, den BMW-Besitzer aber als wilden Wüterich wahrnahmen, hatte das bis tief in die Nuller-Jahre hier seine Begründung.
Diese sehr erfolgreichen Verheißungen aus der Welt des Kapitalismus haben leider vor fast drei Dekaden verstärkt und gleichmäßig auch den Bereich der Politik maximal gekapert. ,,New Labor" nannte Toni Blair gleich seine ganze Partei und ebnete den Weg der Arbeiterpartei in die kalten Arme des Neoliberalismus. ,,Agenda 2010" betitelte Gerhard Schröder seine Politik der sozialen Neuordnung. Auch das Findelkind ,,Gute-Kita-Gesetz" hat seine Wurzeln im Marketing. All das soll verheißen, was nicht erklärt werden darf, sondern maximal verklärt werden soll. Es verspricht alles. Und hält wenig. Politik gehört halt uns, und nicht den Parteien. Sie stellen kein Produkt her, sondern sollen für die Menschen die Welt überschaubar halten.
Das Deutschland des Jahres 2024 wartet auf die Ablösung der ,,Ampel". Auch das eine Vereinfachung aus dem Werkzeugkasten der Positionierer. Die ,,Ampel" hat ihre intrinsische Schieflage auch mit einer Verheißung begonnen, sprach sie doch, von ikonischen Selfies der Grünen und der FDP begleitet, auch von Fortschritt.
Und anders als Audi lieferten sie nicht einmal die Legitimation des ,,durch".
Fortschritt, ja, durch was denn?
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sprach vom Kollektiv-Singular, der nicht mehr belastbar ist, als es die drei Parteien dabei beließen, einfach nur den Begriff ,,Fortschritts-Koalition" für sich zu verwenden. Klang es doch erstmal griffig.
Aber was ist Fortschritt für einen Sozialdemokraten? Der kommt mit Gerechtigkeit, manchmal Gleichheit, immer mit Solidarität. So richtig progressiv deucht das nicht. Die Grünen hingegen sind progressiv bis zum Erbrechen. Neu. Anders. Besser. Und immer so, wie sie es sagen. Der Staat hilft im Zweifel. Liberale glauben an den Markt. Der Staat soll sich möglichst höchstens zur steuernden Begleitung degradieren lassen. Kurzum: Fortschritt wurde und wird nicht erklärt. Das Wort waberte und fiel herab in den Schmutz der Geschichte. Übrig bleibt das Warten auf das Ende. Vertane Zeit als Folge frustriert den Bürger. Warum soll man da noch wählen? Die gedankliche Fäule schleicht sich ein.
Nun, das ist halt der Preis der Freiheit, die wir noch genießen. Denn faul sein hat hier nichts zur Folge. Faul sein heißt, von a nach b zu fahren und das zu tun, was man immer tat und das dann arbeiten nennen. Faul sein ist, zu wissen, dass etwas schiefläuft, und nichts zu ändern. Faul sein heißt, handeln gegen das eigene Interesse, obwohl man es besser weiß.
Und faul sein ist auch, sich einzureden, dass Veränderung für den Einzelnen ja eh nichts brächte für Alle. Wir wissen ja, dass es anders geht.
Aber nichts zu tun, hat nichts zur Folge in unserer gar nicht mehr so offenen Gesellschaft.
Wenn wir uns auf Erprobtem und Verlässlichem ausruhen, und das passiert nach wie vor und aus selbst verschuldeter Verunsicherung vielleicht sogar noch mehr als jemals zuvor, werden wir nicht besser werden.
Ein Harry Kane hilft nicht, wie wir sehen. Egal, wie viele Tore er gegen Darmstadt schießt.
Es muss gelegentlich ein inhaltlich neues Projekt sein. Von dem dann auch mindestens viele überzeugt sind.
Maximal überzeugt sein müssen wir. Vom eigenen Tun allemal.
Im Rahmen meiner sehr bescheidenen Strahlkraft glaube ich zum Beispiel, dass nicht die schäbige Frau Weidel ein Problem ist, sondern ihre Wähler. Denn die schäbige Frau Weidel und ihre ebenso schäbige Partei hat nie in ihrem Leben einen einzigen Grund geliefert, sie zu wählen. Inhaltlich, siehe oben, schon gleich gar nicht. Wenn dann also von sich selbst zu Recht enttäuschte Landsleute dennoch zur Wahl gehen, um Schäbigkeit eine Stimme zu verleihen, tun die Enttäuschten dies bewusst. Und sollten sich dafür rechtfertigen müssen. Längst. Unsere Konfliktvermeidungstechniken in Politik, Medien und Gesellschaft aber reden über diese Wähler wie über beklagenswerte Behinderte, die man nur hören müsse in ihren Sorgen.
Das grenzt an Entmündigung. Und lässt die Denkfaulen in ihren Kokons. In denen sie dann kräftig weiter schlechte Laune gären lassen, bis die Umhüllungen platzen wie braun gefüllte Gülle-Blasen. Das verantworten dann wir alle. Und müssen es auch wegwischen.
Bei der ehemals vom Berliner Journalistentrubel hochgelobten Ex-Kaiserin, äh Tschuldigung, -Kanzlerin Merkel, der Zwiebel unter Ihresgleichen, fällt Jahr um Jahr, Monat um Monat, Schale um Schale, die die Verheerung, die ihr Politikstil hinterlässt, offenbart.
Asymmetrische Demobilisierung hieß ein Konzept, dass Sedierung der Gedanken zum Ziel hatte, die kommodes Regieren für immer möglich machen sollte. Konservatismus als Marktzersetzung, zurück gestutzt auf ihren Wahlslogan 2013: ,,Sie kennen mich". Übersetzt: Prost. Stellen Sie sich noch einen rein, fressen sie sich fett. Es muss sich nichts ändern. Ich mach das schon. Das Ergebnis war maximal: Peter Altmeier, gleichsam als Mensch gewordene Abrissglocke jedweder Zukunftsgestaltung.
An Ostern sollten wir an die Auferstehung glauben.
Diesmal an unsere eigene.
Raus aus den Höhlen, rein ins pralle Leben.
Das liegt vor der Haustüre, nicht an überlaufenen Flughäfen mit der Aussicht auf All-you-can-eat-Destinationen am roten Meer. Lernen wir unser Leben auszuhalten. Vielleicht sogar schön zu finden. Gehen wir wandern, Rad fahren oder mit den Liebsten im Café sitzen. Was wir gewinnen werden, ist Zeit. Mit ihr kommt die Muße.
Wenn wir etwas ändern wollen, braucht man diese Genossen.
Was wir wollen, ist unsere Sache.
Maximal.
03.04.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
Kommentare
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Uwe Bendixen03.04.2024 21:36Sehr gut erkannt und geschrieben !!!Antworten
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