Mehr Poesie wagen!

Mehr Poesie wagen!

Maxim Gorki sprach von der Poesie der Arbeit. Warum nimmt unser Wirtschaftsminister diesen Gedanken nicht auf und bringt mehr Poesie in die Politik?

von Alexander Kira
,,Die Jugend empfindet immer noch nicht tief genug die Poesie der Arbeit" hatte Maxim Gorki einmal gesagt. Hätte sich unser Vizekanzler von diesen Worten inspirieren lassen, hätte seine aktuelle Habeckiade in der Volksrepublik China vermieden werden können. Kein Termin beim Staatspräsidenten, das Gefühl viel Kerosin für nichts verflogen zu haben und müde Augen bei konfrontativen Gesprächen. Keine grandiose Ausbeute. Unser talentierter Wirtschaftsminister, Dr. phil. Robert Habeck, hätte sich das alles auch sparen und stattdessen einen gewaltigen Erfolg einfahren können. Wie? Die Antwort steht vor seinem Namen. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen, die zu abenteuerlichen Mitteln für die zierenden zwei Buchstaben vor ihrem Namen gegriffen haben, sind diese hart verdient: Dr. phil. Habeck: Verstecke Dich nicht! Lass den Dr. und vor allem den Poeten in Dir frei:

Die Rolle des knallharten Wirtschaftsministers - geschenkt! Warum nicht mit einem treffenden Gedicht die aktuelle Lage zusammenfassen und Hoffnung durch Schönheit geben? Warum nicht mit Zitaten aus der Weltliteratur und überraschenden Gedanken inspirieren, als fassungslos staunend auf die Realpolitik schauen? Wer könnte das besser als jemand, der bereits mit 21 Jahren seinen ersten Gedichtband veröffentlich hat? Die Fachdetails, Tabellen und Berichte können die 2.187 Mitarbeitenden des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beisteuern. So gut wie sie, wird er es niemals können. Warum auch? Wer von den 2.187 hat mehr als einen Roman publiziert? Von welchen der 2.187 laufen die Werke zur Prime-Time im Fernsehen und brechen Quotenrekorde? Allein mit der TV-Quote seines Krimis Hauke Haiens Tod könnten unserem Wirtschaftsminister die Quoten der Wahlergebnisse ziemlich kalt lassen. Lassen wir an dieser Stelle einmal diese etwas fragwürdige Durchbrechung der Gewaltenteilung (Medien als vierte Gewalt gerechnet) außen vor. Unser Bundeskanzler wäre ihm mit seiner eher bedächtigen Art sicherlich kein Konkurrent. Vielmehr würde man sich fragen, ob nicht besser der Vizekanzler eigentlich mal ran sollte und seine Reden bei Audible herausbringen. David Precht würde als Wirtschaftsminister die Lage sofort blicken und keine Sekunde von Politik sprechen und die Fachabteilungen schön brav die Details machen lassen.

Das hätte auch bei der Habeckiade in China geholfen: Die Rolle des Chinakritikers wollte unserem Vizekanzler nur in etwa so passen, wie der Anzug und die Krawatte die er (letztere zeitweilig) anhatte oder Karl Lauterbach als Gegner von Volker Wissing beim Kochduell. Wie sehr hätte er glänzen können, wenn er Parallelen zwischen der europäischen und der großartigen chinesischen Literatur- und Philsophietradition gezogen hätte? Diese Passage seiner Rede wären von ihm als Dr. philosophiae kaum angezweifelt worden. Und hätten sicherlich auch die Herzen für manch ehrliche Worte seiner Fachreferenten geöffnet - mehr als Formulierungen wie der ,,Ahnungsraum", welche eher Anlass für philosophische Grundlagenforschung geben. Eine unterhaltsame Poetikvorlesung hätten ihm auch keine schlaflose Nacht im Regierungsflieger beschert (höchstens vor Vorfreude) sondern einen Termin beim Staatspräsidenten der Volksrepublik China. Inklusive Sendezeit im Staatsfernsehen und der Eröffnung der Robert Habeck Bibliothek. Natürlich hätte die chinesische Staatsführung ihm zuvorkommen und einen Alternativtermin beim staatlichen Buchverlag anbieten können - aber so offensichtlich wollte man es wohl dann wohl doch nicht machen.

Gibt es dafür Best Practices? In Frankreich ist es mehr als üblich, dass Politikerinnen und Politiker den umgekehrten Weg gehen und Romane publizieren. Und es gab François Mitterrand. Er galt den Franzosen als Superintellektueller und ziemlich abgehoben. In einem TV-Kandidatenduell meinte einmal der Gegner: ,,Herr Präsident. Da wir uns beide um das gleiche Amt bewerben schlage ich vor, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und ich Sie deshalb mit Herr Mitterand anspreche." ,,Selbstverständlich Herr Präsident der Republik." war die süffisant-arrogant-verspielte Antwort, welche die Franzosen keinem gewöhnlichen Politiker verziehen hätte. Mitterand bekam eine weiter Amtszeit. On y va, Dr. phil. Robert Habeck.

05.07.2024
Alexander Kira hat über internationalen Menschenrechtsschutz provomiert und ist Jurist, Moderator und Kabarettist. Er lebt und schreibt im Herzen von Berlin.
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