Vollbeschäftigung statt Arbeitsmigration

Vollbeschäftigung statt Arbeitsmigration

Immer wieder wird über den Fach- und Arbeitskräftemangel gesprochen. Unternehmen beklagen sich und fordern politische Lösungen. Die Ampel hingegen agiert ohne Sinn und Verstand.

Von Marlon
Der vorläufige Höhepunkt ist das deutsch-kenianische Migrationsabkommen. In einem Interview mit der Deutschen Welle äußert der Präsident Kenias, William Ruto, das Ziel, 250.000 jungen Kenianern zu einem Job zu verhelfen (1). Leider hat die Deutsche Welle dieses Interview mittlerweile gelöscht und die entsprechende Website ist nur noch über ein Archiv (2) aufzufinden. Die Berliner Zeitung berichtet über die Reaktion des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (3). Auf der Plattform X kommentiert dieses die oben genannte Zahl wie folgt: "Diese Nachricht ist falsch. Das Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Kenia enthält keinerlei Zahlen oder Kontingente von Fachkräften aus Kenia, die in Deutschland arbeiten könnten. Alle Bewerber müssen die Kriterien des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen."
Die Stoßrichtung der Bundesregierung ist eindeutig. Das Problem des Arbeits- und Fachkräftemangels soll über Migration gelöst werden. Wie sinnvoll ist dieser Weg und gibt es überhaupt diesen behaupteten Mangel? Bevor die Auswirkungen einer solchen Arbeitsmigration auf das In- und Ausland besprochen werden, gilt es diese Frage zu beantworten.

Laut der Bundesagentur für Arbeit gibt es im September 2024 deutschlandweit 2.872.000 Arbeitslose (4). Hierbei sei die Schönung der Zahlen angemerkt. In Wahrheit gibt es hunderttausende weitere Arbeitslose (5). Dem gegenüber stehen 2024 gut 700.000 offene Arbeitsstellen, die der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind (6). Selbst wenn diese Zahlen nicht gänzlich korrekt sind und einige hunderttausend weitere Stellen offen sind, fällt die Dysbalance dennoch auf. Es gibt genügend potentielle Arbeitskräfte im eigenen Land. Von einem Arbeitskräftemangel zu sprechen ist fernab der Realität.
Über den Fachkräftemangel hat das manager-magazin bereits vor einigen Jahren berichtet (7) und dabei folgendes über Untersuchungen geschrieben, die auf einen solchen Mangel hinweisen: "Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) haben sich 2015 intensiv mit dem Thema beschäftigt und kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass bis 2029 bis zu 390.000 Ingenieure in Deutschland fehlen würden. Sollte dies zutreffen, wäre Deutschland spätestens 2025 ökonomisch nicht mehr voll handlungsfähig. Dass sich dasselbe Institut in seiner Prognose von 2009 um 140.000 fehlende Fachkräfte verrechnet hat, wird gern ignoriert." Im Folgenden berichtet das manager-magazin außerdem über einen Bericht der Bundesagentur für Arbeit, laut dem auf 100 offen
gemeldete Stellen 174 arbeitslose Experten kommen. Nun ist dieser Bericht aus dem Jahr 2017 und mit Sicherheit haben sich die Zahlen verändert. Die Wahrheit ist jedoch auch, dass es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt.

Es gibt keine ökonomische Begründung dafür, ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland zu locken. Das wird keine Probleme, die es durchaus gibt, nachhaltig lösen können. Ein beispielhafter Bereich mit Problemen ist das Gesundheitswesen. Dort droht ein Mangel von bis zu 690.000 Pflegekräften bis 2049 (8). Das ist eine erschreckende Zahl. Aber keine die den Schluss nahelegt, den Mangel durch massenhafte Migration zu lösen. Es gilt die inländischen Potentiale zu nutzen. Laut der ,,Ich pflege wieder, wenn..."-Studie geben bis zu 660.000 Vollzeitpflegekräfte an grundsätzlich bereit zu sein, in den Beruf zurückzukehren (9). In der Studie genannte Anreize sind verlässliche Arbeitszeiten und mehr Personal. Das steht jedoch dem Profitstreben eines privatisierten und öffentlich unterfinanzierten Gesundheitswesens entgegen. In diesem Fall kann der Staat die Lösung sein.
Der Staat ist ebenfalls in der Pflicht wenn es darum geht, das Bildungswesen auf Vordermann zu bringen. Jedes Jahr verlassen zehntausende Schüler die Schule, ohne einen Abschluss in der Tasche zu haben (10). Jeden Tag werden Potentiale verschenkt. Es braucht eine Schule die Lesen, Schreiben und Rechnen lehrt, anstatt sich mit Genderdebatten aufzuhalten. Die Bundesagentur für Arbeit muss besser in der Qualifizierung von Arbeitslosen werden. Dafür gilt es umfassende politische Reformen auf den Weg zu bringen. Diese im Detail zu erläutern, sprengt den Rahmen. Doch auch die Unternehmen gilt es in die Pflicht zu nehmen. Sie müssen ausbilden.

Deutschland benötigt ausländische Arbeitskräfte, rein wirtschaftlich betrachtet, nicht. Wer sie aber dringend braucht, sind die Herkunftsländer. Wer soll in Kenia, Ägypten, Syrien oder Südafrika das Land aufbauen, wenn die jungen Leute nach Europa auswandern? In Wahrheit gehen die meisten doch nicht freiwillig. Sie gehen, weil es in ihrer Heimat zu wenige Perspektiven gibt. Die lokale Perspektive verbessert sich aber nicht, wenn die schlausten Köpfe weggehen und ob sie in einem kulturell so fremden Land glücklich werden, steht auf einem anderen Blatt Papier. Es wäre sinnvoller, vor Ort Perspektiven und Raum für Wohlstandszuwächse zu schaffen. Die europäischen Staaten haben das in der Hand. Sie können Sanktionen aufheben, ungleiche Handelsabkommen beenden und Direktinvestitionen tätigen.

Bevor auch nur über großangelegte Migration in den deutschen Arbeitsmarkt nachgedacht wird, muss es eine nationale Vollbeschäftigungspolitik geben. Das bedeutet: Jeder, der arbeiten kann, hat eine Arbeit. Diese Arbeit muss mit dem Anspruch auf eine Bezahlung verknüpft sein, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Der Lohn muss ausreichen, um Eigentum zu bilden und die Sozialversicherung so auszustatten, dass diese eine starke Absicherung gegen Armut bildet.

Quellen:
Nr. 1 & Nr.2 nicht aufrufbar
Nr.3
Nr.4
Nr.5
Nr.6
Nr.7
Nr.8
Nr.9
Nr.10

16.09.24
Marlon ist 25 Jahre alt, Student der Sozialökonomie und betreibt den YouTube Kanal ,,marlonsmeinung´´
Kommentare
  • Matthes
    17.09.2024 13:59
    Guter Text, sauber argumentiert und recherchiert. Ob die Fachkräftelücke wirklich da ist oder nicht, kann wahrscheinlich gar nicht ernsthaft beurteilt werden, so oft wie die Arbeitsmarktdaten durch die verschiedensten Bundesregierungen gänzlich uneigennützig "entobjektiviert" würden.

    Stutzig sollte machen immer, dass "die deutsche Wirtschaft™" sich vehement für Zuwanderung einsetzt. Menschenfreundlichkeit wird hier sicher nicht das Motiv sein, wenn man im gleichen Zug bitter wehklagt, dass "der deutsche Arbeitnehmer®" ja Homeoffice und mehr Geld will. Gesucht sind billige, wenige Ansprüche stellende Arbeitskräfte für schmutzige Sachen, denen so ein bisschen Entwürdigung und Gesundheitsgefährdung nix ausmachen.

    Es ist wirklich erschreckend, welchen Weg die Migrationsdiskussion derzeit nimmt. Jede gesellschaftliche Interessengruppen möchte auf die Migration einwirken, de facto handelt es sich aber um einen Exofaktor der gar nicht beeinflusst werden kann. Nicht durch Fritze Merz, nicht durch Nancy F., schon gar nicht durch Bernd H. oder gar Sahra W.s lustige Leninistentruppe. Beliebig wird der Naturgesetzen folgende Migrationsstrom zum Weltuntergang aufgeblasen oder als unbedingten Notwendigkeit herbeigefleht - in Wirklichkeit stimmt wohl nichts von beidem.

    Grundsätzlich muss aber gelten: Traue deutschen Wirtschaftsverbänden und ihren Mitrusswürmern nie weiter, als Du diese ganze Mischpoke werfen könntest.

Schreibe einen Kommentar
Datenschutzhinweis