Wer hat Angst vor der AfD?

Wer hat Angst vor der AfD?

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sind gelaufen. Die AfD hat gewonnen. Mit über 30 % hat sie ein Wahlergebnis erzielt, mit dem viele gerechnet haben, vor dem auch viele gewarnt haben. Aber was passiert jetzt?

Von Serdar Somuncu
Rückt diese Nation weiter nach Rechts? Ist es eine Wiederkehr des Faschismus auf leisen Sohlen? Oder müssen wir damit leben?
Es ist schon viel über die AfD geschrieben und gesagt worden. Deshalb spare ich es mir an, an dieser Stelle eine Beweisführung anzutreten.
Für mich ist schon längst klar, dass die AfD eine Partei ist, die nichts anderes im Sinn hat, als die Uhr rückwärts zu drehen.

Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Und deswegen ist sie auch gefährlich. Weil die AfD es meisterlich versteht, sich zu tarnen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Positionswechseln hat sie nun endlich ihre Identität gefunden. Als Partei derer, die sich das zu sagen trauen, was die anderen nicht sagen. Sie gibt sich als die Stellvertreterin einer schweigenden Mehrheit aus, die im Interesse einer Nation handelt, die es so überhaupt nicht gibt. Wer der AfD glaubt, der ignoriert die Realität, in der wir leben. Denn es gibt keine Rückkehr zur Nationalstaatlichkeit. So wie es auch keine andere Alternative gibt, außer zu erkennen, dass die Probleme, die wir haben, nur dadurch zu lösen sind, dass wir die Ursachen bekämpfen und nicht die Symptome benennen. Die Rückschlüsse, welche die AfD daraus zieht, landen immer bei der gleichen Erkenntnis. Diese Nation ist laut AfD gebeutelt von Zuwanderung und kriminellen Ausländern, die sich eingenistet haben, um uns zu schaden und damit ihre Ideologie zu propagieren. Es ist nur ein geringer Teil der Wahrheit, der so überhöht und dramatisiert wird, dass damit Menschen erreicht werden, die lieber an das Simple glauben, als sich mit dem Komplizierten auseinanderzusetzen. Denn die Gründe dafür, dass wir in dieser Situation sind, sind vielfältig. Und sicher ist einiges an dem, was die AfD behauptet hat, auch wahr.

Wir haben ein Problem mit Zuwanderung. Aber dieses Problem ist nicht aus dem Nichts entstanden. Sondern es ist die Folge jahrzehntelanger Politik, die darauf ausgerichtet war, andere Länder auszubeuten, seinen Profit an der Not und dem Elend anderer Menschen zu machen und später zu ignorieren, dass das, was man angerichtet hat, irgendwann auch bei einem selbst landet. So stehen die Konflikte, die unsere Gesellschaften lange Jahre ignorieren konnten, heute vor unserer eigenen Haustür und wir merken, dass die Welt, die wir oft für sehr klar geordnet hielten, eigentlich ein Chaos ist. Das macht vielen Menschen Angst, und deswegen greifen Sie zu einfachen Lösungen und glauben der AfD und denen, die uns das Heil in der Rückkehr zur Einfachheit versprechen. Es ist ein idyllisches Zerrbild einer Zeit, die es so nie gegeben hat. Denn auch vor 30 Jahren hatten wir Probleme. Es gab Terrorismus, eine Energiekrise und auch gesellschaftliche Spaltung, die durch Veränderungen sowohl demographischer Art als auch historischer und ideologischer Entwicklungen stattfanden.

Wenn man heute so tut, als wäre das Deutschland der Siebzigerjahre ein Paradies gewesen, dann ignoriert oder vergisst man vieles, um so zu tun, als stünde uns die Apokalypse bevor und es gäbe dagegen nur eine Lösung, nämlich die Rückkehr zur Engstirnigkeit und die rigorose Umkehr zur autoritären Entscheidung. Dass das nicht möglich ist, zeigen nicht nur die Verpflichtungen, die Deutschland begründet aus seiner historischen Verantwortung hat, sondern auch die Position, die das moderne Deutschland heute im Weltgeschehen spielt. Wer zum einen Wirtschaft und Weltmacht sein will und zum anderen aber ignoriert, dass die Auswirkungen der Globalisierung auch bedeuten, dass wir uns damit abfinden müssen, dass wir in einer vielschichtigen und diversen Gesellschaft leben, deren Extreme, manchmal auch zu beängstigenden Formen mutieren, der muss auch akzeptieren, dass in seiner Idealvorstellung vieles nicht mehr existieren würde, von dem er jetzt wie selbstverständlich profitiert.

Einfach gesagt: Wer die Annehmlichkeiten der Globalisierung akzeptiert, der kann auf der anderen Seite nicht die unangenehmen Seiten vermeiden. Denn seitdem es die Möglichkeit gibt, dass Menschen in entfernten Ländern sehen können, wie wir in Europa leben, entstehen neue Begehrlichkeiten, die vollkommen selbstverständlich sind. Jeder Mensch möchte ein schönes Leben haben. Und er macht es nicht davon abhängig, welchen Pass er hat, sondern wo er es bekommen kann. Dass wir aber auch anderen Menschen ermöglichen sollten, ein schönes Leben zu haben egal, woher sie kommen oder welchen Pass sie haben, ist eine Realität, die wir akzeptieren sollten, wenn wir wollen, dass man auch unsere Bedingungen zur Anerkennung hinnimmt und umsetzt.

02.09.24
©Serdar Somuncu
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*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
Kommentare
  • Fabian
    03.09.2024 11:02
    Die Osmanische und Arabische Versklavung, die Jahrhunderte angedauert hat, wird hier gekonnt übergangen. Sklaverei und Ausbeutung sind bis heute Eigenschaften- natürlich grausame- unserer Zivilisation. Wer Unterdrücker war, hat sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert. Und dass andere so leben möchten wie wir, ist verständlich, nur hauptsächlich in deren Ländern. Es gibt in Asien genügend reiche Länder, die vor vielen Jahrzehnten oder einhundert Jahren arm und kolonisiert waren.
  • Sandra Nachtigall
    03.09.2024 07:14
    Hi Serdar, danke für diese Plattform. Ich denke, es ist zu verkürzt dargestellt, zu sagen, wir seien verantwortlich für das Leid der Menschen in Ländern wie Afrika und Co. Sicher haben wir dort ausgebeutet, doch das schaffen viele Machthaber in solchen Ländern bis heute. Sie stopfen sich die eigenen Taschen voll und lassen ihr Volk hungern. Vorab möchte ich betonen, für alle die meinen Post lesen und schon eine Schublade für darauf folgende Meinung gezimmert haben: Ich wähle nicht die AfD! Dennoch sehe ich einiges differenzierter, als die in „der linken Schublade“. Ich habe das Programm der AfD gelesen und hörte verschiedenste AfDler. Keiner von denen hat je behauptet, die Migration auf Null zu fahren und alle Ausländer rauszuschaffen. Ich halte es für eine Mär, die fleißig aus der linken Ecke gefüttert wird. Die Sorge, die AfD würde zu stark, sehe ich als unbegründet, wenn man versteht, warum sie aktuell so stark ist: Weil die Ampel miese Arbeit leistet und unfähig ist, und Bürger abzuholen. Die Bürger wählen aus Unzufriedenheit die AfD und nur wenige wegen des Wahlprogrammes. Sobald die Regierung anfängt, gute und bürgerempathische Politik zu machen, ist die AfD futsch. Und ja! Wir brauchen mehr Kontrolle, wer hier reinkommt. Spätestens das Attentat von Solingen sollte Weckruf gewesen sein.
  • Manuel Kamps
    03.09.2024 06:28
    Differenzierte, abwägende und schützende Politik, die wirtschaftlich auch in produzierenden Ländern Menschenrecht und Würde als Maxime ansieht, stellt das Modell von Gewinnmaximierung und Wachstum in Frage.
    Ursachen bekämpfen würde bedeuten, den eigenen Wohlstand einzuschränken.
    Das ist zu differenziert und nicht stimmengewinnbringend für Populisten.

    So sehr berechtigt deine Punkte sind, lieber Serdar, so wenig wollen viele Menschen nachdenken.
  • Norman
    03.09.2024 00:11
    Sehr geehrter Herr Somuncu,

    vielen Dank für Ihre treffenden Worte. Es ist nicht die AfD selbst, die mir Angst bereitet, sondern die erschreckende Naivität vieler Mitmenschen. Unsere Vergangenheit ist eine, die keiner beschönigen kann und gerade deshalb erschüttert es mich, dass viele offenbar vergessen haben, welche Methoden damals dazu geführt haben.

    Damals, wie heute, waren Menschen unzufrieden und griffen nach der vermeintlich einfachen Antwort, in der Hoffnung, dass sich etwas ändern würde. Heute stehen wir erneut an einem Punkt, an dem viele bereit sind, einen gefährlichen Weg einzuschlagen, den wir und insbesondere diejenigen, die bei uns Schutz suchen…möglicherweise teuer bezahlen werden.

    Es ist beunruhigend, wie schnell die Menschen bereit sind, die Integrität und die komplexe Realität unserer politischen Landschaft zu verwerfen. Sie schimpfen über die “Lügner” in der Regierung, die sogenannte “blöde Ampel”, und werfen Politikern generell vor, selten die Wahrheit zu sagen. Doch ausgerechnet der AfD wird plötzlich Glaubwürdigkeit zugeschrieben?

    Viele haben sich offenbar nie ernsthaft mit unserer Geschichte auseinandergesetzt, geschweige denn mit den modernen Methoden der Meinungsmache, wie etwa dem Astroturfing. In meinen Augen sind genau das die gefährlichen Strategien, die diese Partei hervorragend beherrscht. Es ist nicht nur die Wiederholung der Geschichte, die wir fürchten müssen, sondern auch die perfide Art, wie Manipulation und Täuschung heute in den politischen Diskurs eingeführt werden.

    Diese Entwicklungen sind alarmierend und mahnen uns, wachsam zu bleiben. Es steht weit mehr auf dem Spiel, als viele zu erkennen scheinen. Haben wir den wirklich alle vergessen, das Demokratie kein Zufall war? Sondern Harte und Gefährliche Arbeit einzelner Akteure, um eine freiere Welt mit weniger Grenzen zu schaffen, damit wir unsere Empathiefähigkeit nicht an Grenzen verlieren
  • Sergey
    02.09.2024 21:48
    Arbeitslosengeld sollte in Deutschland abgeschafft werden und alle Migranten werden sofort nach Hause zurückkehren
  • Mrado
    02.09.2024 17:57
    Hallo Serdar,

    im Grunde ist von dir alles gesagt und mehrfach bekannt und überall zu lesen.
    Ein tolles Beispiel ist das Joint Venture Unternehmen Crypto AG in Schweiz, welche über Jahrzehnte von den amerikanischen Regierungen und deutschen Regierungen betrieben worden ist.
    Nicht nur das Geld auch die gesammelten Abhörinformatiomen haben die sich wirtschaftlich ausbezahlt.
    Alles und jeder konnte aus der jeweiligen Regierung von Latainamerika bis in die Monogolei und nach Südafrika wurde abgehört werden.

    Das die heutigen Probleme hausgemacht sind, ist nur ein Ergebnis dessen, was über Jahrzehnte als verbrannter Boden hinterlassen wurde.
    Es wundert mich, das die Probleme nicht viel größer sind, wenn man bedenkt wer die Urheber all dieser Konflikten sind.

    Hier der Link für alle die das nachlesen wollen:

    https://www.deutschlandfunk.de/deutsch-amerikanische-geheimdienst-mission-schweizer-firma-100.html
  • Robin Krauß
    02.09.2024 11:55
    Sehr gut konkretisierte, erreicht leider sehr unwahrscheinlich die Personen die darüber und sich mal Nachdenken sollten. Denn Angst und das Irren in missverstandenen Selbstwirksamkeit s Autopiloten schafft eine zu Große Inkohärenz. Es braucht ein Scheitern oder eine Warme Berührung der Seele, um sich aus seiner Verwicklung zu entwickeln. Dann kann es sein, dass man sich anderen Worten wie diesen Gehör und auch ein Verständnis schenkt.
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