Zwischen Empörung und Verantwortung

Zwischen Empörung und Verantwortung

Der Fall Felßner und was er über unseren politischen Diskurs verrät

Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes und Landwirt in der Oberpfalz, geriet im März 2025 ins Zentrum einer hitzigen Debatte. Als Kandidat für das Bundeslandwirtschaftsministerium vorgeschlagen, sah er sich Vorwürfen zu Umweltvergehen und Tierschutzverstößen ausgesetzt. Sein Rückzug nach wenigen Tagen markiert nicht nur das Ende seiner Kandidatur, sondern beleuchtet die Dynamiken des heutigen politischen Diskurses. (1*)

von René Rempt
Die Debatte spiegelt eine Entwicklung wider, in der Vorverurteilung, Empörungswellen und gezielte Diskreditierung die öffentliche Diskussion dominieren - und der politische Diskurs zur Frage der ,,Lagerzugehörigkeit" verkommt.

Empörung ersetzt Auseinandersetzung

Noch bevor eine sachliche Debatte über Felßners Eignung begann, entfachte eine Empörungswelle, besonders auf Plattformen wie X. Nutzer wie Renate Künast brandmarkten ihn als wissenschaftsfeindlich und umweltbelastend, ohne seine Positionen zu prüfen. (2*) Ziel war es, den Kandidaten schnell auszuschalten, statt Inhalte zu diskutieren. Wer dem ,,falschen Lager" zugeordnet wird, hat kaum Chancen auf faire Behandlung oder differenzierte Medienberichte.Im Fokus standen zwei Vorfälle: eine Verurteilung von 2018 wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung und Vorwürfe der Tierschutzorganisation ,,Animal Rebellion" wegen Verstößen gegen die Nutztierhaltungsverordnung, untermauert durch eine Protestaktion auf Felßners Hof.

Der juristische Aspekt: fahrlässig, nicht vorsätzlich

2018 wurde Felßner vom Amtsgericht Hersbruck zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt, da er von 2011 bis 2016 Silagesäfte in ein Nachbargrundstück leitete, was Boden- und Gewässerverunreinigung verursachte. (3*) Es wurde kein Vorsatz festgestellt, sondern eine fahrlässige Unterlassung, da Felßner nach einem Hinweis 2015 nicht rechtzeitig reagierte. (4*) Felßner betonte, keinen Schaden beabsichtigt zu haben, und behebe die Probleme durch neue Behälter. (5*) Solche technischen Mängel können in der Landwirtschaft vorkommen, ohne dass von vorsätzlicher Umweltverschmutzung die Rede ist.

Vorwürfe gegen die Nutztierhaltung

,,Animal Rebellion" zeigte Felßner an, basierend auf heimlich aufgenommenen Bildern, die PETA zugespielt wurden und Rinder mit kotverschmierten Beinen zeigen. (6*) Felßner bezeichnete die Aufnahmen als widerrechtlich und klagte dagegen. (7*) Tierschutzexpertin Frigga Wirths erklärte, dass Kot an Rindern in Laufställen keine Seltenheit sei und keine Verstöße belege. (8*) Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth meldete am 4. April 2025 keine eingegangene Anzeige, und die Beweislage gilt als schwach. (9*) Dennoch nutzten Aktivisten die Bilder, um Felßner als ,,Tierquäler" zu diffamieren.Eine Veterinäramtskontrolle am 21. März 2025 stellte geringe bis mittlere Mängel bei Einstreu, Entmistung und tierärztlicher Versorgung fest. (10*) Felßner setzte die Anordnungen laut umgehend um. (11*) Bei einer Nachkontrolle am 25. März 2025 waren alle Mängel behoben. (12*) Felßner wies Spekulationen zurück, dass diese Mängel seinen Rückzug beeinflussten, und nannte den Protest auf seinem Hof als alleinigen Grund. (13*)

Protest oder Ökoterrorismus?

Am 24. März 2025, während Felßner unterwegs war, drangen Aktivisten von ,,Animal Rebellion" auf seinen Hof ein, entrollten ein Banner (,,Kein Tierausbeuter als Agrarminister") und zündeten Bengalos auf einem Stall, während seine Ehefrau und Mitarbeitende anwesend waren. (14*) Der Rauch verursachte Stress bei Tieren und Angst bei Anwesenden. (15*) Felßner sprach von einem ,,Überfall", und die Polizei ermittelt wegen Hausfriedensbruch. (16*) Markus Söder forderte eine Sonderermittlung und nannte die Aktion ,,kriminell". (17*)Die ,,taz" relativierte, dass der Stall 400 Meter vom Wohnhaus entfernt liegt. (18*) Doch der Bayerische Bauernverband betonte, dass Hof und Stall eng verbunden sind. (19*) Solche Aktionen in sensiblen Bereichen wie Kitas wären undenkbar, doch der Protest blieb medial folgenlos. Wer mit Rauchbomben agiert, überschreitet die Grenze zum Extremismus und gefährdet Leben.

Felßners Transparenz

In einem Video-Interview mit dem ,,Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt" schilderte Felßner die Vorfälle und die psychischen Folgen für seine Familie, insbesondere seine Frau, die Betreuung benötigte. (20*) Am 25. März 2025 veröffentlichte er eine Stellungnahme auf der BBV-Website, in der er die Vorwürfe zurückwies, den Stalleinbruch und Droh-Mails verurteilte und seinen Rückzug mit den Angriffen auf seine Familie begründete. (21*) Er betonte, dass die tierschutzrechtlichen Vorwürfe unbegründet seien, was Expertin Wirths bestätigte, und forderte Strafverfolgung. (22*) Diese Stellungnahmen zeigen Felßners Versuch, faktenbasiert zu informieren.

Ein Rückzug mit Signalwirkung

Felßners Rückzug am 25. März 2025, begründet mit den Übergriffen, ist nachvollziehbar. (23*) Er hatte sich gegen die Fährblockade gegen Habeck ausgesprochen, was demokratische Haltung zeigt. (24*) Sein Fall warnt: Wenn Empörungsstürme Gegner ausschalten, wird Demokratie zur Meinungsdiktatur.

Was bleibt? Ein schaler Nachgeschmack

Nach dem Rückzug verblasste das Interesse an Fakten. Das Bild eines ,,Umweltsünders" und ,,Tierausbeuters" blieb, geprägt durch Clickbait-Schlagzeilen von ,,Der Spiegel" oder ,,Zeit Online" wie ,,Mängel im Stall" oder ,,Umweltstrafe". (25*) Differenzierte Berichte erschienen nur in der Fachpresse wie ,,Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt" oder ,,Agrarheute". (26*) Petitionen von Campact und dem Umweltinstitut München brandmarkten Felßner, ohne seine Positionen zu prüfen. (27*)Diese Entwicklung vergrault Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen. Pluralismus erfordert, auch kontroverse Kandidaten fair zu behandeln.

Fazit: Für eine neue Gesprächskultur

Wir brauchen eine Rückkehr zur differenzierten Debatte mit Fakten und Respekt. Tierschutz darf nicht Menschen gefährden, und Verantwortungsträger dürfen nicht durch Mobs verjagt werden. Demokratie lebt von Auseinandersetzung, nicht von Säuberung. Sonst verlieren wir nicht nur Kandidaten wie Felßner, sondern das Vertrauen in die politische Kultur.


28.04.2025
René Rempt ist Agrarwissenschaftler und Berater für regenerative No-Till-Landwirtschaft. Aufgewachsen auf einem Agrarbetrieb, sammelte er umfangreiche Praxiserfahrung im Landhandel, Biogasbereich und in Precision Farming-Projekten. Heute verbindet er traditionelle Landwirtschaft mit innovativen Technologien wie KI und digitalen Tools. Sein Hobby ist landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit.

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Quellen
,,Günther Felßner - Wikipedia", Wikipedia, 25. März 2025.
Künast, Renate. Post auf X, 20. März 2025.
,,Nach der Bundestagswahl: Wird ein Umwelt-Straftäter jetzt Landwirtschaftsminister?", Utopia, 24. Februar 2025.
,,Gewässer verunreinigt: Urteil gegen Bauern-Funktionär", Welt, 30. September 2018.
,,Strafbefehl: Darum erhebt Günther Felßner Einspruch", Agrarheute, 27. Februar 2018.
,,Strafanzeige gegen Felßner: Expertin sieht keine Beweise", Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 4. April 2025.
,,Strafanzeige gegen Bauernpräsident: Tierschutz-Expertin sieht keine Beweise", Agrarheute, 4. April 2025.
,,Bayern: Veterinäramt stellt Mängel in Stall von Günther Felßner fest", Süddeutsche Zeitung, 1. April 2025.
,,Günther Felßner: Das fanden Kontrolleure im Stall des Beinahe-Landwirtschaftsministers", Der Spiegel, 4. April 2025.
,,Günther Felßner: Veterinäramt stellt Mängel im Stall von Beinahe-Landwirtschaftsminister fest", Der Spiegel, 1. April 2025.
,,Behörde bestätigt: Mängel auf Felßners Hof festgestellt", BR24, 1. April 2025.
,,Günther Felßner: Spielten Mängel im Stall eine Rolle beim Rückzug?", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. April 2025.
,,Günther Felßner: ,Ich möchte das meiner Familie nicht zumuten'", Zeit Online, 27. März 2025.
,,Hunderte Landwirte zeigen Flagge für Felßner: Kein Platz für Gewalt", Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 29. März 2025.
,,Günther Felßner wehrt sich nach Peta-Kampagne", Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 2. April 2025.
,,Günther Felßner: Tierschutzaktivisten protestieren auf Hof", taz, 25. März 2025.
,,Unterstützung für Felßner: Agrarminister verurteilen Übergriffe", Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 28. März 2025.
,,Felßner: ,Tierhalter dürfen nicht Freiwild für Kriminelle sein'", Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 9. April 2025.
,,Stellungnahme von Günther Felßner zum Rückzug", Bayerischer Bauernverband, 25. März 2025, ,,Günther Felßner - Wikipedia", Wikipedia, 25. März 2025.
,,Eilaktion: Verhindern wir diesen Landwirtschaftsminister!", Umweltinstitut.org, 19. März 2025.
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